OGH 4Ob521/90

OGH4Ob521/9024.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Theresa M***, geboren 14. Dezember 1983, und des mj. Florian M***, geboren 14. Februar 1987, derzeit Lienz, Rosengasse 10, infolge Revisionsrekurses des Vaters Leo M***, Kaufmann, Lienz, Rosengasse 10, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Februar 1990, GZ 1 b R 24/90-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 3. Jänner 1990, GZ. P 58/88-29, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Eltern der mj. Theresa M***, geboren 14.12.1983, und des mj. Florian M***, geboren 14.2.1987, Leo M*** - der Revisionsrekurswerber - und Monika M***, leben nicht nur vorübergehend getrennt (§ 177 Abs 1 ABGB). Ein Ehescheidungsverfahren ist anhängig.

Das Erstgericht hat (im zweiten Rechtsgang) ausgesprochen, daß die Obsorge (im Sinne des § 144 ABGB) über die Kinder künftig allein der Mutter zukomme.

Das Rekursgericht hat diesen Beschluß bestätigt und gemäß § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG ausgesprochen, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei.

Wesentlicher Streitpunkt dieses Verfahrens um die Ausübung der Elternrechte ist die Frage, ob die Mutter, die bis zu ihrer Eheschließung im Jahre 1982 psychisch unauffällig gewesen war, im Oktober und Dezember 1982 aber zwei Selbstmordversuche beging und insgesamt viermal (16.1. bis 11.2.1984; 24.6. bis 4.7., 13.7. bis 4.9. und 7.9. bis 11.9.1987) in einer psychiatrischen Klinik in Behandlung war, derzeit und künftig zur Pflege und Erziehung der Kinder geeignet ist.

Diese Eignung haben beide Vorinstanzen, insbesondere auf Grund der eingeholten Sachverständigengutachten (neurologisch-psychiatrisches Gutachten und fachpsychologisches Gutachten) sowie auf Grund der Vernehmung eines sachverständigen Zeugen (Univ.Dozent, der die Mutter seit Jahren behandelt hat) angenommen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist zwar die (theoretische) Möglichkeit, daß bei der Mutter trotz derzeit weitgehender Besserung ein neuerlicher Krankheitsschub mit der Gefahr von Aggressionshandlungen und Selbstmordversuchen auftritt, nicht auszuschließen. Die Erkrankung der Mutter ist anlagebedingt, aber auch durch familiäre Belastungs- und Konfliktsituationen, die nunmehr weggefallen sind, mitverursacht worden. Konkrete Befürchtungen für die Gegenwart und die nähere Zukunft bestehen aber nicht; insbesondere ist ein weiterer Selbstmordversuch nicht mehr anzunehmen, und es ist völlig unwahrscheinlich, daß es zu Aggressionshandlungen der Mutter gegen die Kinder kommen wird. Die Mutter ist mit Sicherheit gut geeignet, den Kindern die nötige Wärme und Förderung zuteil werden zu lassen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, daß zur Frage der Eignung einer Pflegeperson eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (§ 15 Z 1 bis 4 AußStrG) erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Mutter auf Grund ihres derzeitigen Gesundheitszustandes zur Pflege und Erziehung der Kinder uneingeschränkt geeignet. Das Risiko eines Rückfalls wird von den Vorinstanzen als sehr gering angesehen, weil die Mutter gelernt hat, mit einer allfälligen psychotischen Phase umzugehen und selbst in einer solchen Phase Mütter (erfahrungsgemäß) das Kindeswohl nicht vernachlässigen. Ob sich diese Erwartungen der Vorinstanzen erfüllen werden, ist als rein tatsächliche Prognose der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof auch nach den geänderten Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 13 ff. AußStrG entzogen; auch in Außerstreitsachen ist der Oberste Gerichtshof nach der WGN 1989 nicht Tatsacheninstanz (Petrasch, ÖJZ 1989, 753). Eine Rechtsfrage ist nur, ob dieses geringe Risiko im Hinblick auf das Kindeswohl in Kauf genommen werden darf; das ist aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG, weil sie über den Einzelfall hinaus keine Bedeutung hat. Die Vorinstanzen haben die Gründe, die für und gegen die Eignung der Mutter sprechen, sorgfältig abgewogen, so daß auch nicht gesagt werden kann, daß die Entscheidung gegen wichtige Grundsätze des Kindeswohls und damit gegen die Rechtssicherheit verstößt.

Zu der im Revisionsrekurs aufgeworfenen Frage, wie weit die Meinung des Kindes zu Pflegschaftsmaßnahmen zu berücksichtigen ist (§ 178 b ABGB; früher § 177 Abs 2 ABGB) besteht gleichfalls eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, nach welcher der Wunsch des Kindes bei der Entscheidung zwar i.S. (der Überschrift) des § 178 b ABGB zu "berücksichtigen" (nämlich bei der Entscheidungsfindung mitzuverwerten Ävgl. Pichler in Rummel2 Rz 6 zu § 178 bÜ), aber nicht allein entscheidend ist (z.B. 5 Ob 596/88). Auch zur Frage, ob bei der Zuteilung der Elternrechte auch ein Pflegeplatzwechsel der Kinder in Kauf zu nehmen ist, besteht eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, auf die das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat.

Der Revisionsrekurswerber zeigt in seinem Rechtsmittel auch keine erheblichen Fragen des Verfahrensrechtes auf, von deren Lösung die Entscheidung abhinge. Die Revisionsrekursgründe der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens (§ 15 Z 2 AußStrG) und der Aktenwidrigkeit (§ 15 Z 3 AußStrG) liegen nicht vor (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO). Der von Anfang an anwaltlich vertretene Revisionsrekurswerber hatte in beiden Rechtsgängen in erster und zweiter Instanz ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt vorzutragen und Beweisanträge zu stellen, und er hat von dieser Möglichkeit auch entsprechend Gebrauch gemacht. Davon, daß dem Revisionsrekurswerber die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang entzogen worden wäre (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO), kann daher keine Rede sein. Auch die gerügte Nichtigkeit (§ 15 Z 1 AußStrG) liegt daher nicht vor. Da somit im Rechtsmittel keine einzige erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Bei der Begründung dieser Zurückweisung konnte sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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