OGH 3Ob520/90 (3Ob521/90)

OGH3Ob520/90 (3Ob521/90)18.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Kellner und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Heinz Dieter K***, Lehrer, Eggelsberg, Bergstetten 1, vertreten durch Dr.Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte und widerklagende Partei Cäcilia K***, Hausfrau, Faistenau, Anger 92, vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1989, GZ 21 b R 6, 8/89-29, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Tahlbau vom 24.April 1989, GZ C 100/88 -21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile heirateten am 22.12.1968. Es war beiderseits die erste Ehe. Ihr entstammt der am 6.10.1969 geborene David Georg, die am 12.7.1973 geborene Tanja Vera und die am 5.11.1981 geborene Theresa Maria. Der letzte gemeinsame Wohnsitz der Streitteile war in Faistenau, Anger 92.

Mit der am 2.2.1988 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Scheidung seiner Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Die Beklagte trat ursprünglich dem Scheidungsbegehren entgegen, brachte jedoch selbst eine Widerklage ein, mit der sie die Scheidung aus dem Alleinverschulden des Mannes begehrt.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers und traf folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:

Die Beklagte sah sich etwa ab 1973 in ihrer Erwartung, der Kläger werde sie in der Haushaltsführung und Kindererziehung mehr unterstützen, enttäuscht. Sie reagierte eifersüchtig auf die sportlichen Ambitionen des Klägers und machte ihm teilweise nur auf Grund von Vermutungen Vorwürfe, er habe Beziehungen zu anderen Frauen. Bereits Ende 1973/Anfang 1974 dachten die Streitteile an eine Scheidung. Anfang 1974 untersagte die Beklagte dem Kläger den Besuch des Lehrerballes. Sie lehnte es ab, gemeinsam mit dem Kläger derartige Veranstaltungen zu besuchen, und versteckte seine Anzüge. Der Kläger borgte sich jedoch die erforderlichen Kleidungsstücke aus und besuchte allein den Lehrerball. Nach seiner Heimkehr beschimpfte die Beklagte den Kläger einige Tage lang. Nach etwa 14 Tagen zog der Kläger aus der Ehewohnung aus und übersiedelte zu einer Kollegin, mit der er ein ehebrecherisches Verhältnis aufnahm. Über Aufforderung der Beklagten kehrte der Kläger nach etwa 2 Monaten zu ihr zurück und sie versöhnten sich. Als die Beklagte feststellte, daß der Kläger den Kontakt zu seiner früheren Geliebten nicht gänzlich abgebrochen hatte, bewarb sich der Kläger im Einvernehmen mit der Beklagten um einen Dienstposten in Faistenau, wohin die Familie im Herbst 1974 übersiedelte. Ab 1975 traten gewisse neue Spannungen auf, weil der Kläger keine ernsthaften Anstrengungen unternahm, die immer wieder auftauchenden Eifersuchtsvorwürfe der Beklagten ernstlich zu entkräften. Der Kläger kam auch dem Wunsch der Beklagten, einer praktizierenden Katholikin, nicht nach, gemeinsam die Sonntagsmesse zu besuchen, sondern erledigte in dieser Zeit notwendige Schulvorbereitungen. Ab dem Sommer 1980 widmeten sich die Streitteile der Errichtung eines Eigenheimes, dennoch gab es während der Schulzeiten immer wieder Streit. Im Herbst 1983 kam der Kläger von einer Lehrerkonferenz, die um 13 Uhr begonnen hatte, erst zwischen 19 und 20 Uhr heim. Die Beklagte warf ihm vor, bei den "Weibern" gewesen zu sein. Als der Kläger den heftigen Wortwechsel durch sein Weggehen beenden wollte, versuchte die Beklagte dies zu verhindern und schlug auf ihn ein, worauf er sie zu Boden stieß. Dennoch hinderten die Beklagte und die von ihr zu Hilfe herbeigerufenen Kinder den Kläger am Verlassen des Hauses. Zu Beginn der Weihnachtsferien 1983 machte die Beklagte dem Kläger wiederum Vorwürfe wegen späteren Heimkommens. Die Beklagte erfuhr dann vom gemeinsamen Sohn, daß der Kläger während einer Turnstunde mit einem Ball das Gesäß seiner Kollegin Karin R*** getroffen hatte und dazu sagte: "na Karin, was spielen wir heute?". Sie warf dem Kläger vor, mit Karin R*** ein Verhältnis zu haben. Ab diesem Streit kehrte der Kläger nicht mehr in das eheliche Schlafzimmer zurück. Der Kontakt der Eheleute beschränkte sich in der Folge auf ein Minimum. Das gegenseitige Einverständnis war verloren gegangen. Die Beklagte untersagte dem Kläger im Februar 1984 den Besuch einer Lehrerfaschingsveranstaltung und sperrte ihn im Hause ein. Aus diesem Anlaß kam es wieder zu einem heftigen Streit. Der Kläger erzählte Karin R*** zwischen Feber und Mai 1984 von den Verdächtigungen der Beklagten. Aus einer bereits bestehenden Sympathie entwickelte sich nun eine enge Liebesbeziehung und es kam noch im Frühjahr 1984 zum Geschlechtsverkehr. Ende März 1984 versteckte die Beklagte dem Kläger den Schlüssel zu seinem Auto, weil sie ihn verdächtigte, gemeinsam mit Karin R*** nach Salzburg gefahren zu sein. Anläßlich der Suche nach dem Autoschlüssel schlug die Beklagte den Kläger am 1.5.1984. Der Kläger stieß sie weg und gab ihr zwei Ohrfeigen.

Bei einer unangekündigten Nachschau in der Wohnung Karin R*** im Juni 1984, um den Kläger "zu ertappen", traf sie diesen zwar in Gesellschaft Karin R***, aber auch des Hauptschuldirektors in einer unverfänglichen Situation an. Dennoch erzählte die Beklagte wahrheitswidrig ihren Kindern, den Kläger im Warten auf eine ehewidrige sexuelle Handlung mit Karin R*** erwischt zu haben. In den Sommerferien 1984 kam es zu einer kurzfristigen Besserung des Verhältnisses zwischen den Streitteilen und dem ersten Geschlechtsverkehr seit Feber 1984. Gleichzeitig teilte der Kläger der Beklagten aber seine Liebesbeziehung zu Karin R*** mit. Mit Schuldbeginn im Herbst 1984 brachen die Streitereien erneut aus. Die Beklagte verdächtigte den Kläger auch wieder, sich mit Karin R*** getroffen zu haben. Am 14.9.1984 schlug die Beklagte nach einer Auseinandersetzung erneut den Kläger. Dadurch zerbrach die Ehe endgültig. Nach fruchtlosen Versuchen, sich auf eine einvernehmliche Scheidung einigen zu können, brachte der Kläger (am 26.9.1984 beim Landesgericht Salzburg) eine auf das Verschulden der Beklagten gestützte erste Ehescheidungsklage ein. Das Verfahren wurde jedoch aus beweismäßigen Überlegungen des damaligen Klagevertreters nicht weitergeführt und ruht (seit 22.11.1984). Am 21.11.1984 verließ der Kläger die Ehewohnung und übersiedelte zu Karin R***. Dieser Lebensgemeinschaft entstammt ein im Jahr 1988 (am 29.5.1988) geborenes Kind.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Verfehlungen des Klägers zur Ehezerrüttung geführt hätten. Er habe die Eifersuchtsbefürchtungen der Beklagten nicht ernst genommen, ihre Eifersucht habe sich letztlich als nicht unbegründet erwiesen. Der Kläger habe sich von der Familie und Ehe zurückgezogen. Die Beschimpfungen und Tätlichkeiten der Beklagten seien aber nicht bloß als Reaktionen auf das ehewidrige Verhalten des Klägers zu werten, sodaß auch der Beklagten eine Mitschuld zur Last falle. Eine Streitanhängigkeit mit dem Verfahren 5 Cg 415/84 vor dem Landesgericht Salzburg liege nicht vor, weil dem vorliegenden Verfahren ein weitergehender Sachverhalt zugrundeliege. Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung keiner der beiden, jeweils auf den Ausspruch des Alleinverschuldens des Gegners gerichteten Berufungen statt. Ausgehend von den übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, teilte es auch dessen rechtliche Beurteilung. Da der Kläger am 21.11.1984 ausgezogen sei, seien alle nach dem 21.5.1984 begangenen Eheverfehlungen noch nicht verfristet. Auch davorliegende Ereignisse seien zur Unterstützung der geltend gemachten Eheverfehlungen gemäß § 59 Abs 2 EheG mit zu berücksichtigen. Der Kläger habe einerseits periodisch die eheliche Treue verletzt und andererseits keine tauglichen Schritte unternommen, das Eifersuchtsproblem der Beklagten zu bewältigen. Die Beklagte habe eine Reihe von (nicht im Zusammenhang mit Eheverfehlungen des Klägers stehenden) Verfehlungen wie Beschimpfungen, Tätlichkeiten und Einsperren des Klägers, sowie Hineinziehen der Kinder in die Eifersuchtsszenen begangen. Während die Beklagte ihre Entgleisungen im Bestreben, den Kläger am Aufgeben der Ehe zu hindern, begangen habe, habe das Verhalten des Klägers auf eine Beendigung der Gemeinschaft gezielt. Sein Fehlverhalten wiege daher schwerer.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen beider Streitteile sind nicht berechtigt. Richtig ist, daß Streitanhängigkeit einer meritorischen Erledigung entgegensteht; sie wäre gemäß § 233 Abs 1 ZPO von Amts wegen also auch ohne Rüge in der Berufung wahrzunehmen. Ein gleicher Streitgegenstand liegt aber nur vor, wenn der in der neuen Klage geltend gemachte Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens, als auch des rechtserzeugenden Sachverhaltes, also des Klagsgrundes, mit jenem des Vorprozesses ident ist (SZ 48/113 uva, zuletzt 2 Ob 570/88). Streitanhängigkeit ist dort ausgeschlossen, wo die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen nur eine teilweise ist, also beim weiteren Anspruch zu den in der ersten Klage vorgebrachten Tatsachen weitere rechtserzeugende Tatsachen behauptet werden. Der Kläger hat die hier zu beurteilende Scheidungsklage (der Vorwurf der Streitanhängigkeit kann sich denknotwendig nicht auf die Widerklage beziehen) etwa 3 1/2 Jahre nach der ersten Scheidungsklage, die Eheverfehlungen der Beklagten nur bis 24.9.1984 erfaßte, erhoben. In der nunmehrigen Scheidungsklage wirft der Kläger der Beklagten vor, auch nach diesem Zeitpunkt Eheverfehlungen bis 21.11.1984 begangen zu haben, und behauptet, daß die endgültige Zerrüttung der Ehe erst ab diesem Zeitpunkt eingetreten sei.

Nach ständiger Rechtsprechung wiegen die Verfehlungen, die zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt haben, bei der Verschuldensabwägung schwerer (EFSlg 51.643 f ua). Eine unheilbare Zerrüttung einer Ehe tritt ein, wenn zumindest ein Partner auf Grund des Fehlverhaltens des anderen den Willen zur Fortsetzung der geistigen, seelischen und körperlichen Gemeinschaft endgültig verloren hat (SZ 36/124, EFSlg 51.602). Während der Kläger bereits ab Feber 1984 weitgehend an einer Fortsetzung der Ehe nicht mehr interessiert war und sein Ehewille endgültig mit der Aufnahme eines ehebrecherischen Verhältnisses mit Karin R*** etwa ab Mai oder Juni 1984 wegfiel, erkannte die Beklagte erst ab der Auseinandersetzung am 14.9.1984, daß eine Aufrechterhaltung der Ehe sinnlos ist. Ihre davor liegenden, als Eheverfehlungen zu wertenden Ausschreitungen sind ab 1983 auf ihre Versuche zurückzuführen, den Kläger am Kontakt mit Karin R*** zu hindern, weil sie (zu Recht) befürchtete, den Kläger an diese Frau zu verlieren. Daß diese ihre Versuche in Exzesse ausarteten, muß sie sich als Eheverfehlung anlasten lassen. Jede körperliche Mißhandlung steht außerhalb des Rahmens, in dem Raktionshandlungen auf vorangegangenes ehewidriges Verhalten des anderen Ehegatten im Zusammenleben normal gesitteter Eheleute noch verständlich und entschuldbar sein kann, und ist als schwere Eheverfehlung zu werten (zuletzt 3 Ob 652/86). Der Kläger, der der Beklagten 1974 Grund zur Eifersucht geboten hat, hatte in der Folge durch den Abbruch des Kontaktes zu seiner damaligen Geliebten, dem folgenden Wohnsitz- und Berufsstandortwechsel zumindest kurzfristig getan, was nach der Lebenserfahrung zur Zerstreuung dieses Verdachtes erforderlich war. Die Eifersucht der Beklagten wurde in der Folge aber immer wieder dann durch das Ausbleiben des Klägers ausgelöst, wenn sie sich die Gründe dafür nicht erklären konnte. Der Kläger hat jedoch nicht das notwendige Verständnis aufgewendet, die Eifersuchtsängste der Beklagten zu zerstreuen, sodaß sich die Beklagte alle ihr unerklärlichen Vorgänge mit dem Interesse des Klägers für andere Frauen erklärte. Daß ihr Verdacht nicht unbegründet war, ergibt sich aus der fast zeitgleichen mit dem Wiederaufleben der Streittigkeiten Ende 1983, Anfang 1984 aufkeimenden Sympathie des Klägers zu Karin R***, mit der er jetzt in einer Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Daß die Exzesse der Beklagten den Entschluß des Klägers, aus der Ehe zu streben, bestärkten, muß sie allerdings als Mitschuld an der Zerrüttung der Ehe vertreten.

Beide Unterinstanzen haben auch zutreffend erkannt, daß das zur Zerrüttung der Ehe führende Fehlverhalten des Klägers schwerer wiegt als die Verfehlungen der Beklagten. Die vorübergehende Besserung des Verhältnisses in den Sommerferien 1984 führte auch deshalb nicht zu einer Versöhnung der Streitteile, weil der Kläger nicht die Absicht hatte, seine Beziehung zu Karin R*** zu beenden, obwohl ihm bewußt war, daß dies für die Beklagte untragbar ist. Gegenüber der die unheilbare Zerrüttung der Ehe auslösenden Aufnahme eines ehebrecherischen Verhältnisses zu Karin R*** wiegt das Fehlverhalten der Beklagten deutlich geringer. Zum Vorwurf der Beklagten, daß ihre Eheverfehlungen verfristet seien, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß auch vor dem 21.5.1984 liegende Vorfälle gemäß § 59 Abs 2 EheG beachtlich sind (JBl 1963, 379).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet, der Beklagten waren die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zur Abwehr des klägerischen Verschuldensbegehrens zuzusprechen.

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