OGH 7Ob516/90

OGH7Ob516/905.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Norbert W***, Rechtsanwalt, Wiener Neustadt, Kirchnerstraße 17, als Masseverwalter im Konkurs der Ö*** K***

Gesellschaft m.b.H., Grünbach am Schneeberg, Am Neuschacht 1, wider die beklagte Partei E*** U*** Aktiengesellschaft für elektrische Industrie, Wien 14., Penzingerstraße 76, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3,378.847,43 s.A. (Revisionsstreitwert S 1,600.455 s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.September 1989, GZ 5 R 86/89-62, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27.Jänner 1989, GZ 39 Cg 100/88-57, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 1,600.455,-- samt 4 % Zinsen seit 2.2.1981 binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Im Umfang der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 4,5 % vom 2.2.1981 bis 31.3.1982 und 4 % seit 1.4.1982 wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 20.3.1981 das Ausgleichsverfahren und am 5.5.1981 der Anschlußkonkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der beklagten Partei gehören 50 % der Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin.

Gegenstand des Rechtsstreites ist die Anfechtung von zur Sicherstellung erfolgten Zessionen von Forderungen der Gemeinschuldnerin sowie einer Zahlung von S 1,600.455,-- an die beklagte Partei. Nur der letztgenannte Anspruch ist Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Nach seinen Feststellungen, soweit sie für das Revisionsverfahren von Bedeutung sind, übergab der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und Prokurist der beklagten Partei Dr. Hannes M*** am 22.1.1981 einen Barscheck über S 1,600.455,--, den die Gemeinschuldnerin von ihrer in der Zessionsliste vom 10.11.1980 aufscheinenden Schuldnerin, der Firma G***, erhalten hatte, der beklagten Partei. Der Barscheck wurde von der beklagten Partei am 2.2.1981 eingelöst. Dieser Betrag, und noch einiges mehr, wurde Mitte Februar 1981 von der beklagten Partei der Gemeinschuldnerin wieder zur Verfügung gestellt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß die beklagte Partei durch die Einlösung des Barschecks nur das erhalten habe, worauf sie schon auf Grund der früheren Zessionsvereinbarung vom 23.2.1979 einen Anspruch gehabt habe, sodaß sie nicht begünstigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Ausspruch über die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 1,600.455,-- s.A. als Teilurteil und hob im übrigen das Ersturteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes sei der Teilanspruch auf Zahlung von S 1,600.455,-- schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil die beklagte Partei den Scheckerlös wieder der Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestellt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

Es ist nicht strittig, daß die beklagte Partei von der Gemeinschuldnerin am 22.1.1981 in einer bereits bestehenden Gläubigerstellung den Barscheck über S 1,600.455,-- erhalten und am 2.2.1981 eingelöst hat. Desgleichen ist eine Zahlung der beklagten Partei an die Gemeinschuldnerin Mitte Februar 1981 in Höhe von S 1,600.000,-- unstrittig. Es kann ferner davon ausgegangen werden, daß die Gemeinschuldnerin jedenfalls im Jänner - Februar 1981 zahlungsunfähig war, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen (ON 31 TZ 180 und 156 ff.) ergibt und zwischen den Parteien gleichfalls nicht strittig ist (vgl. das Vorbringen der beklagten Partei ON 6, AS 26, wonach ihr die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin erst im Februar 1981 bekannt geworden sei). Die beklagte Partei hat somit nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt, die nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO unter der Voraussetzung anfechtbar ist, daß ihr die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bekannt war oder bekannt sein mußte. Die Beurteilung der Frage, ob letzteres zutrifft, fällt in den Bereich der rechtlichen Beurteilung (SZ 40/146). Für die Vorwerfbarkeit der Unkenntnis genügt leichte Fahrlässigkeit. Ob diese dem Anfechtungsgegner zur Last fällt, bestimmt sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung zu Gebote stehenden Informationen und dem Maß ihrer vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung, wobei das Wissenmüssen der mit der Sache für den Anfechtungsgegner befaßten Personen entscheidet (EvBl. 1983/151; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 280). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem insoweit übereinstimmenden Parteienvorbringen, daß der Gemeinschuldnerin zur Zahlung der Mitte Februar 1981 fällig werdenden Löhne und Gehälter in Millionenhöhe kein Geld zur Verfügung stand. Um diese Zahlung zu ermöglichen, hat neben der Hausbank der Gemeinschuldnerin auch die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin einen Kredit von S 1,600.000,-- gewährt und in den Folgemonaten für den gleichen Zweck weitere Beträge in Millionenhöhe (ON 4, AS 19 und ON 6 AS 26) zur Verfügung gestellt. Im maßgebenden Zeitraum war Dr. Hannes M***, ein Prokurist der beklagten Partei, Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. In Anbetracht der Höhe der anstehenden Zahlungen kann es nicht zweifelhaft sein, daß dem Geschäftsführer bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt die Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung hätte bekannt sein müssen. Infolge der Doppelstellung des Geschäftsführers hat den Vorwurf der zumindest fahrlässigen Unkenntnis auch die beklagte Partei zu vertreten. Beizupflichten ist den Vorinstanzen darin, daß der Anfechtung der Boden entzogen wäre, wenn die erhaltene Geldleistung von der beklagten Partei wieder an die Gemeinschuldnerin zurückbezahlt und der Masse zugeflossen wäre. Eine Rückzahlung wurde aber von der beklagten Partei nicht einmal behauptet. Die beklagte Partei brachte lediglich vor. daß sie, nachdem vom Vertreter der Hausbank der Gemeinschuldnerin dem Geschäftsführer anläßlich seines Begehrens um weitere Kredite für die Lohnzahlung die Aushändigung des Barschecks an die beklagte Partei vorgehalten worden sei, beschlossen habe, den Betrag von S 1,600.000,-- für die Lohnzahlung zur Verfügung zu stellen (ON 12, AS 38). Die beklagte Partei hat sich demnach lediglich an der Kreditgewährung zur Finanzierung der Löhne und Gehälter für Februar 1981 mit S 1,600.000,-- beteiligt. Sie hat ihre Forderung aus dieser Kreditgewährung auch im Konkurs der Gemeinschuldnerin angemeldet und die Forderung wurde anerkannt. Eine Kreditgewährung, wenn auch in annähernd der gleichen Höhe wie die erhaltene Zahlung stellt aber nicht deren Rückzahlung dar. Nichts anderes ergibt sich aus der Aussage des Dr. Hannes M*** und aus den Feststellungen des Erstgerichtes.

Unerheblich ist, daß der Barscheck von einem in der Zessionsliste aufscheinenden Schuldner der Gemeinschuldnerin, der Firma G***, stammte. Es ist nicht strittig, daß die Firma G*** von einer Zession nicht verständigt wurde und auch nicht verständigt werden sollte. Die Gemeinschuldnerin wäre daher allenfalls verpflichtet gewesen, die vom Schuldner als indirekter Stellvertreter der beklagten Partei erhaltene Leistung herauszugeben (SZ 42/105; vgl. auch SZ 45/82; SZ 43/21; Ertl in Rummel, ABGB Rz 6 zu § 1392). Die beklagte Partei hätte dann zwar das erhalten, was sie von der Gemeinschuldnerin zu beanspruchen hatte. Beim Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO kommt es nicht darauf an, ob die Deckung kongruent oder inkongruent ist. Von diesem Anfechtungstatbestand ist die Sicherstellung oder Befriedigung in jeder Form erfaßt, sowohl die gebührende als auch die abweichende Deckung (BankArch 1988, 1128; König aaO Rz 291; Bartsch-Pollak I 210; Petschek-Reimer-Schiemer, 314; Wegan 79). In Ansehung der Übergabe des Barschecks der Firma G*** an die beklagte Partei sind somit die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO gegeben.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben. Lediglich im Umfang des Zinsenmehrbegehrens bedarf es ergänzender Feststellungen über den behaupteten höheren Zinssatz (ON 1 AS 8).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 2 ZPO.

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