OGH 14Os33/90 (14Os34/90)

OGH14Os33/90 (14Os34/90)3.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mario H*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zu Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7.Juni 1988, GZ 2 BE 518/88-4, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.August 1989, GZ 2 a Vr 3.551/89-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz wurde verletzt:

1./ durch den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7.Juni 1988, 2 BE 518/88, soweit darin die bedingte Entlassung auch aus der mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.September 1983, 2 a Vr 9497/83, verhängten Freiheitsstrafe von 6 Monaten ausgesprochen wurde, in der Bestimmung des § 46 Abs. 2 und Abs. 4 erster Satz StGB; im bezeichneten Umfang wird der angeführte Beschluß, der im übrigen unberührt bleibt, aufgehoben; 2./ durch Unterlassung der Anhörung des Angeklagten und seines Bewährungshelfers vor Entscheidung über den Widerruf der bedingten Entlassung im Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 2 a Vr 3551/89, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 3 erster Satz StPO; der Beschluß über den Widerruf der bedingten Entlassung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.August 1989, 2 a Vr 3551/89, wird aufgehoben.

Dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird aufgetragen, eine allenfalls an das Strafregisteramt ergangene Mitteilung über den Widerruf der bedingten Entlassung (§ 2 Abs. 1 Z 4 lit i StRegG) zu widerrufen, und im übrigen im Umfang der Aufhebung dem Gesetz (§§ 162, 180 StVG) gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7.Juni 1988, 2 BE 518/88 (nunmehr 18 c BE 1070/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), wurde der am 13.Juli 1963 geborene Mario H*** mit Wirkung vom selben Tag aus drei Freiheitsstrafen (Landesgericht für Strafsachen Wien vom 22. September 1983, 2 a Vr 9497/83, sechs Monate; vom 15. November 1984, 2 d Vr 2268/84, vier Jahre; vom 24.Oktober 1985, 2 a E Vr 6932/85, fünf Monate) mit einem Strafrest von acht Monaten und 28 Tagen gemäß § 46 Abs. 2 StGB bedingt entlassen. Zugleich wurde ein Bewährungshelfer bestellt. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt.

Wegen während der Probezeit begangener strafbarer Handlungen (Verbrechen des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148, erster Fall, StGB; des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB, sowie Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB) wurde Mario H*** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.August 1989, 2 a Vr 3551/89, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zugleich verfügte dieses Gericht gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO den Widerruf der zu 2 d Vr 2268/84 und 2 a Vr 6932/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erfolgten bedingten Entlassung.

Urteil und Widerrufsbeschluß erwuchsen (infolge Rechtsmittelverzichts des Verurteilten) sogleich in Rechtskraft (ON 35 AS 309 iVm ON 51 der Akten 2 a Vr 3551/89).

Eine von Mario H*** am 31.August 1989 gegen den Widerrufsbeschluß erhobene Beschwerde (ON 41 d.A) wurde vom Oberlandesgericht Wien mit (noch nicht zugestelltem) Beschluß vom 15. Jänner 1990, 21 Bs 414/89, als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz über die bedingte Entlassung und das Verfahren über deren Widerruf durch das Landesgericht für Strafsachen Wien stehen, wie der Generalprokurator zutreffend in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Mario H*** verbüßte die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.September 1983, 2 a Vr 9497/83, über ihn verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten (wie dies auch aus Punkt 4 der Strafregisterauskunft hervorgeht) bis zum 26. Oktober 1984. Nach Strafende wurde er unmittelbar zum Verfahren 2 d Vr 2268/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Untersuchungshaft überstellt (ON 28 der Akten 2 a Vr 9497/83 und ON 20 in 2 d Vr 2268/84). Dadurch wurde der Strafvollzug unterbrochen (vgl Kunst, MKK StVG, Anm 3 zu § 1). Diese Strafe konnte also nicht mehr Gegenstand des auf den späteren Verurteilungen vom 15.November 1984 und 24.Oktober 1985 beruhenden (Gesamt-)Vollzuges von vier Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe sein (sh auch ON 2 der Akten 18 c BE 1070/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), sie war demnach auch nicht im Sinne des (unmittelbar aufeinanderfolgende Strafvollzüge voraussetzenden) § 46 Abs. 4 erster Satz StPO in die für die bedingte Entlassung maßgebliche Gesamtdauer einzurechnen (vgl 11 Os 80/89 nv). Der Beschluß über die bedingte Entlassung ist insoweit verfehlt, als darin unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten von einem Gesamtstrafausmaß von vier Jahren und elf Monaten (statt richtig vier Jahren und fünf Monaten) Freiheitsstrafe ausgegangen und damit die (denkgesetzwidrige) Möglichkeit eines Widerrufes der bedingten Entlassung aus einer bereits zur Gänze verbüßten Strafe eröffnet wird.

Der Strafrest von acht Monaten und 28 Tagen wurde jedoch richtig berechnet, sodaß insofern ein Nachteil für den bedingt Entlassenen nicht eingetreten ist.

Nach dem Akteninhalt (vgl die Verfügung der Beischaffung und der späteren Rücksendung der Vorstrafakten in 2 a Vr 3551/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien AS 286 und 326 sowie in den Akten 2 d Vr 2268/84 und 2 a E Vr 6932/85 die jeweils nicht einjournalisierten Empfangsbestätigungen über die Aktenausfolgung, LitForm 36 vom 3.August bzw 10.Juli 1989) besteht zwar kein Grund für die Annahme, daß das Gericht vor der Entscheidung über den vom öffentlichen Ankläger beantragten Widerruf der bedingten Entlassung, der Bestimmung des § 494 a Abs. 3 (erster bzw letzter Satz) StPO zuwider, keine Einsicht in die Akten über die früheren Verurteilungen oder wenigstens in die Ausfertigungen der Urteile genommen hätte. Es hat jedoch dem Protokoll über die Hauptverhandlung zufolge (ON 35 insbesondere AS 309, sh auch ON 51, in 2 a Vr 3551/89) die in der genannten Gesetzesstelle (erster Satz) ua für den Fall des Widerrufs einer bedingten Entlassung zwingend angeordnete Anhörung des Angeklagten und seines Bewährungshelfers (vgl 12 Os 25/89, 12 Os 141, 142/89) unterlassen. Dieser war trotz zahlreicher Hinweise auf die angeordnete Bewährungshilfe im Akt (sh Auskünfte des Strafregisteramtes der Bundespolizeidirektion Wien AS 9, 31, 37, 9 in ON 10, 113, 153 und 181) nicht zur Hauptverhandlung geladen worden (sh ON 29). Diese Verletzung von Anhörungsrechten vor Fällung des Widerrufsbeschlusses hat sich zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt.

In Stattgebung der Beschwerde war somit spruchgemäß zu erkennen.

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