OGH 4Ob3/90

OGH4Ob3/903.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** Ö***, reg.Genossenschaft mbH, Wien 12., Wolfganggasse 58-60, vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. "D***" Warenhandelsgesellschaft mbH & Co KG, 2. "D***" Warenhandelsgesellschaft mbH, beide Dornbirn, Wallenmahd 46, beide vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 350.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27.Oktober 1987, GZ 3 R 190/89-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 6.Juli 1989, GZ 37 Cg 144/89-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Beide Streitteile betreiben den Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Lebensmitteln. Die Zweitbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

In ihrer Kundenzeitschrift "Tip der Woche" Nr 4/89 boten die Beklagten für den Zeitraum vom 23.Jänner bis 28.Jänner 1989 die 2-Liter-Dose Bona-Öl um S 39,90 und den 500 Gramm-Becher Rama um S 11,90 an. In einem weiteren Inserat in der Zeitschrift "Tip der Woche" Nr 18, 19/89 boten die Beklagten die 2-Liter-Dose Bona-Öl um S 37,90 an. Im Dezember 1988 und Jänner 1989 warben die Mitbewerber C*** und H*** für die 2-Liter-Dose Bona-Öl mit Preisen von S 39,90; im selben Zeitraum bot C*** auch den 500-Gramm-Becher Rama um S 11,90 an.

Mit einem Inserat in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 27. Februar 1989 warben die Beklagten für Kaffee Alvorada Gastro, 1000 Gramm, mit dem - in der Zeit vom 27.Februar bis 4.März 1989 gültigen - Preis von S 29,90.

Die Beklagten haben diese Waren auch zu den angekündigten Preisen verkauft.

In einem Schreiben vom 14.November 1988 gab die A*** Ö*** Handelsaktiengesellschaft ihren Einstandspreis für die 2-Liter-Dose Bona-Öl mit "nicht unter S 39" an.

Mit der Behauptung, die von den Beklagten verlangten Preise lägen unter den Preisen, die von den jeweiligen Produzenten allgemein, insbesondere auch der in großen Einkaufsmengen disponierenden Klägerin, als Einstandspreis verrechnet worden seien, beantragt die Klägerin, den Beklagten zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Kaffee der Marke Alvorada Gastro, Margarine der Marke Rama und/oder Speiseöl der Marke Bona zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten oder gesetzwidrige Angebote dieser Art öffentlich bekanntzumachen (Punkt 1); ein weiterer, auf das Verbot irreführender Ankündigungen gerichteter Sicherungsantrag (Punkt 2) ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens. Hinsichtlich der genauen Höhe der den Beklagten in Rechnung gestellten Einstandspreise sei eine Verschiebung der Beweis- (Bescheinigungs-)Last geboten; die Klägerin stehe bei dieser Beweisführung vor unverhältnismäßigen Schwierigkeiten, während den Beklagten eine solche Beweisführung leicht möglich und nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zuzumuten sei. Die Beklagten verstießen durch den beanstandeten Verkauf unter dem Einstandspreis gegen § 3 a NVG und § 1 UWG.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Die von ihnen für die genannten Artikel verlangten Preise lägen nicht unter ihren Einstandspreisen; auch die Mitbewerber C*** und H*** seien in der Lage gewesen, diese Produkte zum selben Preis oder noch billiger anzubieten. Aus dem Schreiben der A*** Ö*** Handelsaktiengesellschaft ergebe sich nicht, daß der von den Beklagten für die 2-Liter-Dose Bona-Öl verlangte Preis von S 39,90 unter ihrem Einstandspreis liege.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Klägerin habe nicht bescheinigt, daß die Beklagten die gegenständlichen Waren unter ihren eigenen Einstandspreisen verkauft hätten. Eine Verschiebung der Beweis- (Bescheinigungs-)Last bei Verstößen gegen § 3 a NVG komme mit Rücksicht auf den Schutz des Geschäftsgeheimnisses nicht in Betracht; ein Verkauf unter dem Einstandspreis könne auch nicht mit Hilfe des Anscheinsbeweises dargetan werden, weil es keine typischen Einstandspreise gebe. Die Beklagten hätten aber auch keinen Verstoß gegen § 3 a NVG zu verantworten, weil sie ihre Preise nur an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise angepaßt hätten. Das Rekursgericht erließ eine einstweilige Verfügung im Sinne des Punktes 1 des Sicherungsantrages und sprach aus, daß der von dieser Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteige. Es stellte ergänzend fest, daß die von den Erzeugern der im Sicherungsantrag genannten Waren im Zeitraum der beanstandeten Angebote der Beklagten (üblicherweise) verrechneten (Einstands-)Preise - nach Abzug aller Rabatte oder sonstigen Preisnachlässe, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung gewährt wurden - über den Preisen gelegen waren, um welche die Beklagten diese Artikel in ihren Lebensmittelmärkten verkauft haben. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht folgendes aus:

Der Prüfung der Frage, ob ein Verstoß gegen § 3 a Abs 2 NVG vorliegt, seien die konkreten Preise zugrunde zu legen, die dem Beklagten nach Abzug aller Rabatte oder sonstigen Preisnachlässe im Zeitpunkt der Rechnungslegung eingeräumt wurden. Grundsätzlich habe der Kläger die anspruchsbegründenden und der Beklagte die anspruchsverneinenden Tatsachen zu beweisen. Dem Kläger würde jedoch die an sich ihm obliegende Beweisführung eines Verkaufes unter dem Einstandspreis nahezu unmöglich gemacht, wenn sich weder der Beklagte noch der Lieferant der Ware bereit fänden, eine nähere Aufklärung zu geben. Dem Beklagten sei daher in solchen Einzelfällen nach Treu und Glauben zuzumuten, eine Bescheinigung vorzunehmen, die den dringenden Verdacht ausräumt, daß er die Waren unter dem Einstandspreis verkauft habe. Mit einer solchen Beweislastverschiebung stünden auch die kritischen Stimmen in der Literatur nicht im Widerspruch.

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin bescheinigt, daß die Beklagte gegen § 3 a NVG verstoßen haben; es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, zumindest die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes - etwa durch Bescheinigung günstigerer Einkaufsmöglichkeiten - darzutun. Das hätte auch durch die Bescheinigung des Umstandes geschehen können, daß mehrere andere Mitbewerber im selben Zeitraum den gleichen Verkaufspreis verlangt oder sogar unterboten haben. Die Beklagten hätten aber nicht einmal behauptet, daß das beim Kaffee Alvorada Gastro oder beim Bona-Öl, soweit sie dafür S 37,90 verlangt haben, überhaupt der Fall gewesen sei. Daß ein einziger Mitbewerber den 500-Gramm-Becher Rama ebenfalls um S 11,90 verkauft hat, genüge nicht für die Dartuung eines atypischen Verlaufes.

Die Beklagten hätten somit gegen § 3 a Abs 1 NVG und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen. Auf die Ausnahmebestimmung des § 3 a Abs 2 Z 4 NVG hätten sie sich mit dem bloßen Hinweis darauf, daß Mitbewerber für gleiche Waren gleiche Preise verlangt hätten, nicht berufen; sie hätten damit nur behauptet, daß der verlangte Preis - so wie jener ihrer Mitbewerber - nicht unter ihrem Einstandspreis gelegen sei, nicht aber auch, daß ihre Preiserstellung in Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise erfolgt sei. Das beantragte Verbot hätte schon dann erlassen werden können, wenn ein Verkauf unter dem Einstandspreis auch nur bei einem einzigen Artikel bescheinigt worden wäre; der Klägerin sei jedoch die Bescheinigung des Verkaufs unter dem Einkaufspreis bei allen im Sicherungsantrag genannten Waren gelungen.

Gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagten wenden sich in erster Linie gegen die Annahme des Rekursgerichtes, ihr Einstandspreis für die beanstandeten Artikel sei über den von ihnen verlangten Preisen gelegen. Dabei komme es ihrer Ansicht nach nicht auf den Preis der Erzeuger an, weil nicht feststehe, daß sie diese Waren auch vom Erzeuger gekauft hätten. Auch sei nicht maßgebend, welche Preise die Erzeuger im Zeitraum ihrer Preiswerbung verlangt hätten; vielmehr komme es darauf an, welcher Preis (kurz) zuvor verlangt wurde.

Zur Frage der Beweislastverteilung bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 3 a NVG hat der Oberste Gerichtshof - unter Billigung der von Fitz-Roth (Verkauf unter dem Einstandspreis - Zur Auslegung und Kritik des § 3 a Nahversorgungsgesetz RdW 1989, 241 ff Ä245 ffÜ) vertretenen Auffassung - bereits ausgesprochen, daß eine Umkehr der Beweislast dahin, daß der Kläger den Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis nur zu behaupten, aber keinerlei Beweis dafür zu erbringen hätte, und es immer Sache des Beklagten wäre, die Behauptung des Klägers durch Offenlegung seines individuellen Einstandspreises zu widerlegen, durch nichts gerechtfertigt wäre. Mag es dem Kläger auch in den meisten Fällen unmöglich sein, den konkreten Einstandspreis des Beklagten nachzuweisen, so ist es ihm doch in aller Regel möglich, den üblichen Großhandelspreis zu beweisen, wäre doch sonst sein Verdacht, daß der Beklagte gegen § 3 a NVG verstößt, sachlich überhaupt nicht begründet; der Kläger hat daher die allgemeinen Marktgegebenheiten und den daraus zu erschließenden Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis nachzuweisen (ÖBl 1989, 174). Dabei muß aber der Kläger nur den üblichen Einstandspreis von Unternehmern nach Art des Beklagten, nicht aber dessen konkreten Einstandspreis beweisen, bestünde doch sonst die Gefahr, daß das Verbot des § 3 a NVG undurchsetzbar bliebe und seiner normativen Bedeutung beraubt würde (4 Ob 158/89 unter Berufung auf Fitz-Roth aaO 245). Der Beklagte kann dann die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun, also seinerseits eine Art Anscheinsbeweis dafür erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreis auf seinen Einstandspreis nicht zwingend ist (4 Ob 158/89; ÖBl 1989, 183).

Gegen die Zulässigkeit des prima-facie-Beweises zum Nachweis eines Verstoßes gegen § 3 a NVG - die das Rekursgericht mit seinen Ausführungen im Ergebnis bejaht hat - richten sich die Ausführungen im Revisionsrekurs nicht; nur sie betrifft eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Ob der Anscheinsbeweis im konkreten Fall erbracht oder durch einen Gegenbeweis erschüttert wurde, ist eine reine Beweisfrage, die vom Obersten Gerichtshof nicht geprüft werden kann (Fasching, LB2 Rz 897). Die von den Beklagten im Revisionsrekurs dazu aufgeworfenen Fragen sind durchwegs Beweiswürdigungsfragen.

Wie das Rekursgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, haben die Beklagten im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet, daß sie ihre Preise an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise angepaßt hätten; auf die gesetzliche Ausnahme vom Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis in § 3 a Abs 2 Z 4 NVG war daher gar nicht einzugehen. Die Ausführungen im Revisionsrekurs, mit denen sich die Beklagten darauf berufen, sind somit unzulässige Neuerungen.

Mit Recht hat daher das Rekursgericht einen Verstoß der Beklagten gegen § 3 a NVG angenommen. Daß sich die Beklagte über diese Vorschrift in der Absicht hinweggesetzt hat, einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, ist offenkundig; sie hat daher zugleich auch gegen § 1 UWG verstoßen (RdW 1988, 42; RdW 1989, 254 und 272; WBl 1989, 185; ÖBl 1989, 167 mit ausführlicher Begründung).

Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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