OGH 3Ob511/90 (3Ob512/90)

OGH3Ob511/90 (3Ob512/90)28.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Brigitta H***, Hausfrau, Baden, Marchetstraße 50,

vertreten durch Dr.Konrad Faulhuber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Peter H***,

Handelsvertreter, Baden, Marchetstraße 50, vertreten durch Dr.Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1989, GZ R 368/89-59, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 26.April 1989, GZ 2 a C 16/87 -50, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Verschuldensausspruch des Erstgerichtes wieder hergestellt wird. Aus Anlaß der Erledigung der Revision wird dem Kostenrekurs der klagenden und widerbeklagten Partei teilweise Folge gegeben und die Kostenentscheidung des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß der Beklagte und Widerkläger schuldig ist, der Klägerin und Widerbeklagten an Prozeßkosten erster Instanz 47.845,10 S binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Beklagte und Widerkläger ist weiters schuldig, der Klägerin und Widerbeklagten binnen vierzehn Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens 957,32 S und an Kosten des Revisionsverfahrens 1.557,40 S zu ersetzen.

Der Beklagte und Widerkläger ist verpflichtet von den der Klägerin und Widerbeklagten gestundeten in § 64 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beträgen drei Viertel für das Verfahren erster Instanz und zwei Drittel für das Revisionsverfahren zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Streitteile begehren mit Klage und Widerklage die Scheidung ihrer im Jahr 1966 geschlossenen Ehe jeweils wegen schwerer Eheverfehlungen des anderen Teils.

Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe und sprach aus, daß das überwiegende Verschulden den Beklagten und Widerkläger (im folgenden kurz: Beklagter) treffe; es verpflichtete den Beklagten zum Ersatz eines Drittels der Prozeßkosten der Klägerin und Widerbeklagten (im folgenden kurz: Klägerin).

Das Berufungsgericht änderte das von beiden Teilen nur im Verschuldensausspruch und von der Klägerin auch im Kostenspruch bekämpfte Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden wurde, womit wegen der vollen Kostenersatzpflicht des Beklagten der Kostenrekurs der Klägerin gegenstandslos geworden war.

Die beiden Vorinstanzen gingen kurz zusammengefaßt von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die Ehe der Streitteile verlief von Anfang an nicht sehr harmonisch. Spannungen ergaben sich dadurch, daß die Mutter der Klägerin bei den Streitteilen lebte und die Klägerin jeden Kontakt zu den Eltern des Beklagten ablehnte, was dazu führte, daß der Beklagte seine Eltern immer nur allein besuchte und diese die 1967 geborene Tochter der Streitteile ab ihrem dritten Lebensjahr nicht mehr sahen. Im Jahr 1980 beendete der Beklagte jeden ehelichen Verkehr, obschon sich die Klägerin um einen solchen noch einige Jahre lang bemühte. Der Beklagte war beruflich viel im Ausland. Bis zum Jänner 1985 begleitete ihn die Klägerin manchmal auf Geschäftsreisen, lehnte aber dann ein Mitfahren wegen der schon gestörten Beziehungen ab. Die Urlaube verbrachten die Streitteile bis 1986 gemeinsam, dann machte der Beklagte jeweils allein Urlaub und lehnte eine Begleitung der Klägerin und der Tochter ab. Seit dem Jahr 1985 verhielt sich der Beklagte gegenüber der Klägerin lieblos und interesselos, nörgelte und stichelte und schimpfte sie ohne Grund und warf ihr zB vor, sie habe zwanzig Jahre lang nichts gearbeitet (obschon er einmal vor Jahren ein Angebot der Klägerin, einem Beruf nachzugehen, abgelehnt hatte); sie habe nur Kaffeehaus und Urlaube im Kopf und sei nur ein Stück Dreck. Die Freizeit verbrachte er seit 1985 allein und begann neu, allein Sport zu treiben. Er forderte zwar die Klägerin auf, ihn zu begleiten, obwohl er wußte, daß sie gar keine Sportausrüstung habe; sie lehnte dies wegen der schon schlechten ehelichen Beziehungen ab. Im Frühjahr 1986 läutete in der Ehewohnung mehrmals das Telefon, ohne daß sich jemand meldete. Die Klägerin sagte nach einem solchen Vorfall zum Beklagten "Du Schwein, am liebsten würde ich dich anspucken!". Bei einer Meinungsverschiedenheit warf sie einmal einen Teller zu Boden. Den Haushalt hat die Klägerin immer versorgt. Es ist nicht erwiesen, daß sich die Klägerin im Jahr 1985 weigerte, eine andere Wohnung mit dem Beklagten zu beziehen oder mit ihm getrennt von ihrer Mutter zu wohnen. Der Beklagte unternahm faktisch nichts dagegen, daß die Mutter der Klägerin im ehelichen Haushalt lebte, doch bot dieses Zusammenleben ab 1986 wiederholt den Anlaß zu Differenzen. Bis 1987 gab der Beklagte der Klägerin monatlich 10.000 S Wirtschaftsgeld, nachher leistete er zu wenig Unterhalt, sodaß die Klägerin gegen den Beklagten eine einstweilige Verfügung erwirkten mußte. Auf Grund dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß das Verhalten des Beklagten den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung dargestellt habe. Die einmal erwiesene Beschimpfung des Beklagten durch die Klägerin sei aber nicht durch ein vorangegangenes Verhalten des Beklagten gerechtfertigt gewesen und stelle daher ebenfalls eine schwere Eheverfehlung dar.

Das Berufungsgericht verneinte zwar gleichfalls das Vorliegen einer bloßen "Retorsionsbeleidigung", wertete jedoch die festgestellte Beschimpfung als eine schon nach gespannten ehelichen Beziehungen durch einen Telefonanruf ausgelöste einmalige Entgleisung, die keine schwere Eheverfehlung bedeute. Andere Verfehlungen lägen nicht vor. Denn die Weigerung, den Beklagten auf Geschäftsreisen zu begleiten sei erst erfolgt, nachdem das Verhältnis zwischen den Streitteilen schon getrübt war.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist teilweise berechtigt. Es kann zwar keinem Zweifel unterliegen, daß das Hauptverschulden beim Beklagten liegt. Er hat die Klägerin seit Jahren beschimpft, sich von ihr besonders im sexuellen Bereich abgewendet, die Freizeit allein verbracht und zuletzt auch noch seine Unterhaltspflicht vernachlässigt. Dort, wo gewisse Beiträge zur Zerrüttung auch von der Klägerin gesetzt wurden, blieb er letzten Endes untätig. Er unternahm nichts, daß die Klägerin und das eheliche Kind wieder Kontakt zu den Eltern des Beklagten aufnahmen, oder, daß ein vielleicht störender Einfluß der Mutter der Klägerin durch eine gesonderte Wohnungsnahme gemildert wurde, und ließ es dabei bewenden, daß ihn die Klägerin nicht mehr auf Geschäftsreisen und bei seinen neu begonnenen sportlichen Betätigungen begleitete. Die Revision des Beklagten ist aber insoweit begründet, als auch der Klägerin Eheverfehlungen zur Last liegen.

Entgegen der Beurteilung der beiden Vorinstanzen liegt eine Eheverfehlung der Klägerin darin, daß sie jeden Kontakt zu den Eltern des Beklagten ablehnte und auch keinen Kontakt des Kindes zu seinen väterlichen Großeltern herbeiführte, worunter der Beklagte litt (ergänzende Feststellung des Erstgerichtes S 15 des Ersturteils). Es ist nicht erwiesen, daß die Klägerin für ihr Verhalten einen zureichenden Grund hatte. Ähnlich dem unleidlichen Verhalten gegenüber dem nächsten Verwandten des Ehepartners (EFSlg 46.172, 51.587) stellt auch diese zur Schau getragene Ablehnung der nächsten Verwandten des Ehepartners eine Eheverfehlung dar (EFSlg 48.753). Der Umstand, daß das Erstgericht hier ohne ausdrückliches Prozeßvorbringen auch sog überschießende Tatsachenfeststellungen gtroffen hat, wurde von keinem Teil gerügt, und diese Feststellungen liegen auch nicht ganz außerhalb des erstatteten Vorbringens.

Eine Ablehnung des nur einmal gemachten Vorschlages des Beklagten, getrennt von der Mutter der Klägerin zu wohnen, ist nicht erwiesen; sofern hier die Revision einen Feststellungsmangel geltend macht, ist auf die ausreichende Negativfeststellung der Vorinstanzen zu verweisen, deren Beanständung auf den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen hinausläuft. Dasselbe gilt für die geltend gemachte Vernachlässigung des Haushaltes, welche nicht erwiesen ist. Angelastet muß der Klägerin aber neben der erwiesenen Beschimpfung doch auch noch werden, daß sie die sicher nicht sehr intensiven, aber immerhin erwiesenen Aufforderungen des Beklagten, ihn auf Geschäftsreisen zu begleiten und mit ihm Sport zu treiben, abschlägig beantwortete. Die fehlende Sportausrüstung ist hier keine Entschuldigung. Das Vorliegen ehelicher Spannungen ist zwar eine Erklärung für die Verhaltensweise der Klägerin, aber letzten Endes keine völlige Rechtfertigung; denn auch bei schon angespannten Beziehungen kann durch neue gemeinsame Aktivitäten eine schon vorhandene Zerrüttung einer Ehe manchmal wieder gebessert werden, während die Ablehnung den umgekehrten Effekt, nämlich eine Vertiefung der Zerrüttung herbeiführt.

Diese Verhaltensweisen der Klägerin sind allerdings gegenüber dem Verhalten des Beklagten ungleich geringfügiger, sodaß, wie schon ausgeführt wurde, nur der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten und damit die Wiederherstellung des Verschuldensausspruches des Erstgerichtes in Betracht kommt. Aus Anlaß dieser Revisionsentscheidung war auch der Kostenrekurs der Klägerin zu erledigen. Die Kostenentscheidung des Erstgerichtes wird dem Gewicht des beiderseitigen Verschuldensgrades nicht gerecht. In erster Instanz ist richtigerweise ein Obsiegen der Klägerin im Verhältnis von 3 : 1 zu Grunde zu legen, sodaß der Beklagte ihr gemäß § 43 Abs 1 die Hälfte der Prozeßkosten erster Instanz zu ersetzen hat. Der Standpunkt der Klägerin, der Beklagte sei mit seiner Widerklage zur Gänze unterlegen, sodaß ihr die halben Gesamtkosten als zur Widerklage gehörig zuzusprechen seien, wozu noch die halben zu ihrer eigenen Klage gehörigen restlichen Kosten kämen, trifft nicht zu. Da die Ehe geschieden wurde, kann hier nicht zwischen den beiden Klagen differenziert werden. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO liegen nicht. Zur Höhe der Kosten der Klägerin in erster Instanz ist folgendes anzuführen:

Die Verdienstsumme für die Tagsatzung vom 22.6.1988 beträgt richtig 9.148 S und für die Tagsatzung vom 20.12.1988 richtig 16.009 S. Für die Ausdehnung der einstweiligen Verfügung gebührt nichts, weil nicht einmal der im ursprünglichen Antrag begehrte Betrag zugesprochen wurde. Die Verdienstsumme sinkt daher auf

87.332 S, was mit 10 % Umsatsteuer 96.065,20 S ergibt. Vom Hälftebetrag von 48.032,60 S ist gemäß § 43 Abs 1 ZPO noch ein Viertel der vom Beklagten entrichteten Pauschalgebühr von 750 S, nämlich 187,50 S, abzuziehen, was den zu ersetzenden Betrag von 47.845,10 S ergibt.

Im Berufungsverfahren haben die beiden Streitteile die Kosten ihrer jeweils erfolglosen Berufungsschriften (einschließlich Pauschalgebühr) selbst zu tragen. Die Klägerin hat dem Beklagten die Kosten der Berufungsbeantwortung von 3.087 S zu ersetzen. Sie selbst hat keine Berufungsbeantwortung erstattet. Für die Berufungsverhandlung verhalten sich die beiderseitigen Abwehrerfolge wie 2 : 1 zugunsten der Klägerin; denn im Gegensatz zur ersten Instanz hat der Beklagte hier nicht mehr auf dem alleinigen Verschulden der Klägerin bestanden. Der Beklagte muß also der Klägerin ein Drittel der Kosten der Berufungsverhandlung von 6.856,80 S, nämlich 2.285,60 S, ersetzen. Weiters hat der Beklagte der Klägerin auf der Basis des ersiegten Kostenbetrages von 13.118,80 S die Kosten eines (einseitigen) Kostenrekurses von 1.758,72 S zu ersetzen. Dies ergibt einen Differenzbetrag von insgesamt 957,32 S zugunsten der Klägerin.

Auch im Revisionsverfahren verhalten sich Abwehrerfolge der Klägerin und Erfolg des Beklagten wie 2 : 1, sodaß der Beklagte der Klägerin ein Drittel der Kosten der Revisionsbeantwortung von 6.172,20 S, nämlich 2.057,40 S, ersetzen muß. Hievon sind gemäß § 43 Abs 1 ZPO ein Drittel der vom Beklagten entrichteten Pauschalgebühr von 1.500 S, nämlich 500 S, abzuziehen, was 1.557,40 S ergibt. Gemäß § 70 ZPO war auszusprechen, daß der Beklagte zum teilweisen Ersatz der der Klägerin gestundeten Gerichtskosten verpflichtet ist, und zwar zu drei Vierteln für die erste Instanz und zu zwei Dritteln für das Revisionsverfahren. Im Berufungsverfahren fielen für den zweiseitigen Teil (Berufungsverhandlung) keine solchen Kosten an.

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