OGH 10ObS209/89

OGH10ObS209/8913.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer (Arbeitgeber) und Norbert Kunc (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ferdinand K***, Pensionist, 4644 Scharnstein, Almseestraße 12, vertreten durch Dr.Johannes Grund und Dr.Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (Landesstelle Linz),

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. März 1989, GZ 12 Rs 18/89-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20.September 1988, GZ 27 Cgs 131/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die (einschließlich 257,25 S Umsatzsteuer) mit 1.543,50 S bestimmten Revisionskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15.Oktober 1987 beantragte der am 25.September 1926 geborene Kläger bei der beklagten Partei eine Invaliditätspension. Dieser Antrag galt nach Art 39 Abs 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 22.Dezember 1966, BGBl 1969/382 idgF (in der Folge mit Abk abgekürzt) auch als Antrag auf eine entsprechende, nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung dieses Abk in Betracht kommende Leistung. Mit Bescheid vom 13.Jänner 1988 lehnte die Landesversicherungsanstalt Oberbayern (in der Folge mit L*** abgekürzt) den Antrag des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit - Erwerbsunfähigkeit mit der Begründung ab, daß beide besonderen Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlägen. Mit Schreiben vom 23.Jänner 1988 teilte die L*** der beklagten Partei mit, daß der Kläger vom 1.März 1977 bis 31.Oktober 1987 in der Arbeiterrentenversicherung 128 in die deutsche Versicherungslast fallende Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe. Mit einem weiteren Schreiben vom 17.März 1988 teilte die L*** der beklagten Partei mit, daß der Kläger in der Arbeiterrentenversicherung vom 19.Oktober 1943 bis 9.Jänner 1950 76 in die deutsche Versicherungslast fallende Ersatzmonate nach Z 13 Schlußprotokoll zum zit Abk (in der Folge SP abgekürzt), vom 1.März 1977 bis 11.Dezember 1987 130 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, insgesamt daher nach Z 19 SP 206 Monate erworben habe, wobei die Ersatzmonate nur auf die Wartezeit angerechnet, bei der Berechnung der Rente allerdings nicht berücksichtigt werden könnten.

Mit Bescheid vom 17.April 1988 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension nach § 254 Abs 1 Z 1 ASVG vom 1.Jänner 1988 an und setzte diese Pension mit monatlich 10.569 S fest. Dabei ging sie von 402 Versicherungsmonaten, einer Bemessungsgrundlage von 16.973 S und einem Steigerungsbetrag für Höherversicherung von 3,30 S aus.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen, auf eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1.Jänner 1988 gerichteten Klage meinte der Kläger, die Bemessungsgrundlage müsse höher sein, weil sein Monatsverdienst während der letzten zehn Jahre immer über der Höchstbemessungsgrundlage der Bezüge in der Bundesrepublik Deutschland gelegen sei, die nach dem Abk anzuerkennen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie wendete im wesentlichen ein, daß die jeweiligen Bemessungsgrundlagen nach Art 27 Abs 6 Abk nur aus den Versicherungszeiten zu bilden seien, die nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen seien. Das seien die vom 1.Mai 1967 bis 31.März 1987 erworbenen 120 österreichischen Versicherungsmonate mit hochgerechneten Beitragsgrundlagen von 2,257.281,82 S. Infolge des Teilungsfaktors 133 ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von

16.973 S. 62,25 % derselben machten 10.565,70 S aus. Die den Einwendungen der beklagten Partei zugrundeliegenden Tatsachen wurden von dem in der Tagsatzung vom 20.September 1988 qualifiziert vertretenen Kläger außer Streit gestellt. Dabei präzisierte er seinen Rechtsstandpunkt dahin, daß nach Art 27 Abs 6 Abk die Bemessungsgrundlagen nicht nur aus den österreichischen Versicherungszeiten, sondern aus der gesamten Versicherungszeit in beiden Vertragsstaaten zu bilden seien. Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, dem Kläger die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß (von monatlich 10.569 S) ab dem 1.Jänner 1988 zu (be)zahlen und wies das auf eine höhere monatliche Pensionsleistung gerichtete Mehrbegehren unter Hinweis auf Art 27 Abs 6 Abk ab.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es könne dahingestellt bleiben, wie Art 27 Abs 6 Abk auszulegen sei. Es gehe nämlich nicht um eine österreichische Teilpension nach Art 27, sondern um eine Pension nach Art 30 Abs 1 Abk. Da nach österreichischem Recht auch ohne Zusammenrechnung der Versicherungszeiten im Sinne des Art 26 Abs 1 ein Pensionsanspruch bestehe und der deutsche Versicherungsträger einen entsprechenden Leistungsanspruch abgelehnt habe, habe die beklagte Partei die dem Kläger zustehende Leistung ohne Anwendung des Kapitels 3 des Abk (Art 26 bis 31) zu gewähren. Dies bewirke eine Pensionsfeststellung nach rein innerstaatlichem Recht, so daß die Anspruchsvoraussetzungen ohne Anwendung des Abk zu prüfen seien. Da durch Art 30 die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten bzw die Gleichstellung mit inländischen Versicherungszeiten ausgeschlossen sei, gehe das Argument des Klägers, § 238 ASVG unterscheide nicht zwischen innerstaatlichen und ausländischen Versicherungsmonaten, ins Leere.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen, oder es allenfalls durch Zuerkennung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß unter Zugrundelegung der Bemessungsgrundlage aus der Zeit vom 1.Jänner 1977 bis 31.Dezember 1987 abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Vorausgeschickt wird: Daß das Berufungsgericht bei der mündlichen Berufungsverhandlung und bei der Erlassung des angefochtenen Urteils nicht vorschriftsgemäß besetzt war, weil sich der Senat - entgegen § 11 Abs 1 ASGG - nur aus drei (Berufs-)Richtern zusammensetzte, kann nach dem gemäß § 37 Abs 1 ASGG sinngemäß anzuwendenden § 260 Abs 4 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden, weil die durch qualifizierte Personen (§ 40 Abs 1 ASGG) vertretenen Parteien in der Berufungsverhandlung auf die Beiziehung fachkundiger Laienrichter verzichtet hatten (Kuderna, ASGG § 37 Erl 4 mwH; 31.August 1988, 9 Ob A 198/88 Arb 10.713). (Die folgenden Artikel ohne Normangabe sind solche des Abk.) Besteht nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates auch ohne Berücksichtigung des Art 26 Abs 1 ein Leistungsanspruch, so gewährt nach Art 30 Abs 1 der zuständige Träger die ohne Anwendung dieses Kapitels Änämlich des die Pensionsversicherungen (Rentenversicherungen) regelnden Kapitels 3 des die besonderen Bestimmungen betreffenden Abschnittes IIÜ zustehende Leistung, solange ein entsprechender Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates nicht besteht. Eine nach Abs 1 festgestellte Leistung wird nach Abs 2 nach diesem Kapitel neu festgestellt, wenn ein entsprechender Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates entsteht. Nach Art 1 (des die allgemeinen Bestimmungen enthaltenden Abschnittes I) bedeuten die Ausdrücke "Rechtsvorschriften" die Gesetze, Verordnungen und Satzungen, die sich auf die in Art 2 Abs 1 bezeichneten Zweige der Sozialen Sicherheit beziehen und im Gebiet oder in einem Teil des Gebietes eines Vertragsstaates in Kraft sind (Z 3), "Träger" die Einrichtung oder die Behörde, der die Durchführung der in Art 2 bezeichneten Rechtsvorschriften oder eines Teiles davon obliegt (Z 7), "zuständiger Träger" den nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften zuständigen Träger (Z 8), "Beitragszeiten" Zeiten, für die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates Beiträge entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten (Z 10), "gleichgestellte Zeiten" Zeiten, soweit sie Beitragszeiten gleichstehen (Z 11) und "Versicherungszeiten" Beitragszeiten und gleichgestellte Zeiten (Z 12).

Nach Art 2 Abs 1 Z 1 lit c bezieht sich das Abk auf die österreichischen Rechtsvorschriften über die Pensionsversicherung der Arbeiter ....

Im Hinblick auf diese Begriffsbestimmungen ist Art 30 Abs 1 im vorliegenden Fall wie folgt zu lesen: "Besteht nach den österreichischen Gesetzen, Verordnung und Satzungen, die sich auf die Pensionsversicherung der Arbeiter .... beziehen, auch ohne Berücksichtigung des Art 26 Abs 1 ein Leistungsanspruch (auf Invaliditätspension), so gewährt der nach diesen Rechtsvorschriften zuständige Träger der Pensionsversicherung die ohne Anwendung des Kapitels 3 zustehende (österreichische) Leistung (Invaliditätspension), solange ein entsprechender Leistungsanspruch nach den deutschen Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung der Arbeiter .... nicht besteht."

Das Europäische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 14.Dezember 1972 BGBl 1977/428 ist auf den vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Revisionswerbers überhaupt nicht anzuwenden, weil es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um keinen Vertragsstaat handelt.

Wie Siedl/Cacek in MGA Zwischenst SV Lfg 21 1a, 122 FN 3 zutreffend kommentieren, bewirkt die im Art 30 Abs 1 angeordnete Nichtanwendung des Kapitels 3 eine Pensionsfeststellung nach rein innerstaatlichem, im vorliegenden Fall also österreichischem Recht. Der erkennende Senat hat daher schon in der bisher noch nicht veröffentlichten E 24.Oktober 1989 10 Ob S 283/89 ÄSSV-NF 3/126 - im DruckÜ ausgesprochen, daß die in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten - abgesehen von den Ausnahmefällen der Art 26 Abs 4 und 27 Abs 1 lit b für die Ermittlung der Höhe der Pension nur dann zusammenzurechnen sind, wenn in beiden Vertragsstaaten ein Leistungsanspruch besteht. Solange kein Anspruch auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung besteht, sind, sofern einer der genannten Ausnahmefälle nicht vorliegt, für die Höhe der Pension ausschließlich die nach österreichischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen.

Da beim Kläger kein Ausnahmefall vorliegt, wird ua die Bemessungsgrundlage nur aus den Versicherungszeiten gebildet, die nach den für den österreichischen Versicherungsträger geltenden österreichischen Pensionsversicherungsvorschriften zu berücksichtigen sind. Das entspricht der bei Anwendbarkeit des Kapitels 3 geltenden Bestimmung des Art 27 Abs 6, bedurfte dort aber als Ausnahme von der für Zusammenrechnungsfälle grundsätzlich vereinbarten Berücksichtigung und Gleichbehandlung der nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten einer ausdrücklichen Regelung, während es hier wegen der Nichtberücksichtigung der im anderen Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten selbstverständlich ist. Bemessungsgrundlage für die Invaliditätspension des Klägers ist daher nach § 238 Abs 1 ASVG der Betrag, der sich aus der Teilung der Summe der in der Bemessungszeit (Abs 3) fallenden Beitragsgrundlagen nach Maßgabe des § 242 durch die um ein Sechstel erhöhte Zahl der die Bemessungszeit bildenden Versicherungsmonate ergibt. Die Bemessungszeit umfaßt zwar nach Abs 3 leg cit die nach dessen Abs 2 in Betracht kommenden Beitragsmonate und Ersatzmonate nach § 229, also die nach Abs 2 erforderliche Anzahl von Versicherungsmonaten aus allen Zweigen der Pensionsversicherung. Damit sind aber nach den obigen Ausführungen - entgegen der Meinung des Revisionswerbers - nur die österreichischen Versicherungsmonate gemeint.

Da die von der beklagten Partei nach diesen Grundsätzen vorgenommene Berechnung der Pensionshöhe unbestritten ist, war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Unter Bedachtnahme auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens war dem Revisionswerber trotz seines vollständigen Unterliegens gegenüber dem Versicherungsträger ein Anspruch auf Ersatz der halben Revisionskosten zuzubilligen (SSV-NF 1/66; 2/29).

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