OGH 1Ob46/89

OGH1Ob46/8921.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Friedrich Wilhelm K***, Strafgefangener, Wien 5., Mittersteig 25, vertreten durch Dr.Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien

1., Singerstraße 17-19, 2.) Ingrid B***, Hypothekarkreditvermittlerin, Wien 6., Hirschengasse 16, vertreten durch Dr.Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, 3.) Anna K***, Haushälterin, Wien 23., Rudolf Zeller-Gasse 38-60/3/12, vertreten durch Dr.Helmut Berger, Rechtsanwalt in Wien, 4.) Univ.Ass.Dr.Karl S***-C***, Facharzt für gerichtliche Medizin, Wien

8., Albertplatz 6, vertreten durch Dr.Ernst Pammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,109.000,-- samt Anhang und Feststellung (Streitwert je S 301.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 30.Oktober 1989, GZ 1 Nc 2/89-6, womit der Ablehnungsantrag der klagenden Partei gegen Richter des Oberlandesgerichtes Wien zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird, soweit er die Ablehnung des Richters des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Ekkehard S*** anstrebt, zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird als nichtig aufgehoben. Dem Oberlandesgericht Wien wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 18.12.1984, 10 Vr 949/82-570, wurde der Kläger des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG schuldig erkannt, weil er am 13.12.1982 auf der Landeshauptstraße 12 zwischen Kleinengersdorf und Korneuburg Dr.Viktor Franz P*** durch zwei Revolverschüsse aus geringer Entfernung in die rechte Halsseite und die rechte Schläfe vorsätzlich getötet und zwischen dem 13.12. und dem 16.12.1982 in Wien, Kleinengersdorf und Korneuburg zumindest zeitweise einen Revolver der Marke Smith & Wesson, sohin eine Faustfeuerwaffe unbefugt geführt hatte. Der Oberste Gerichtshof hat mit Urteil vom 2.7.1986, 9 Os 76/85, die vom Kläger sowie die von dessen Mutter und dessen Ehegattin erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verworfen, in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft Korneuburg hingegen den Kläger statt zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit der Behauptung, Organe der erstbeklagten Partei hätten durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, die übrigen beklagten Parteien als Zeugen oder Sachverständige durch teils vorsätzliches, teils fahrlässiges rechtswidriges Handeln seine Verurteilung herbeigeführt, begehrt der Kläger von der erstbeklagten Partei den Zuspruch des Betrages von S 1,109.000 samt Anhang, allen beklagten Parteien gegenüber aber die Feststellung, daß ihm diese zur ungeteilten Hand für allen Schaden zu haften haben, den er aus dem Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 18.12.1984 erleide. In diesem Verfahren sind Anträge des Klägers auf Gewährung der Verfahrenshilfe mit Beschlüssen des Erstgerichtes vom 6.10.1986, ON 9, und vom 14.4.1988, ON 46, abgewiesen worden. Dagegen erhobene Rekurse des Klägers wurden mit Beschlüssen des Oberlandesgerichtes Wien vom 6.7.1987, 14 R 304/86, und vom 28.6.1988, 14 R 119, 120/88, keine Folge gegeben. An der ersten Rekursentscheidung nahmen ua der Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Paul G*** und der Richter des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Ekkehard S***, an der Rekursentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 28.6.1988 neben den beiden genannten Richtern auch der Richter des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Georg Z*** teil. Die Teilnahme des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Paul G*** und des Richters des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Ekkehard S*** an der Rekursentscheidung vom 6.7.1987, 14 R 304/86, nahm der Rekurswerber, als der Senat 14 des Oberlandesgerichtes Wien über einen anderen von ihm erhobenen Rekurs in dieser Rechtssache zu entscheiden hatte, zum Anlaß, diese beiden Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Dieser Ablehnungsantrag wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 26.11.1987, 13 Nc 4/87-2, zurückgewiesen, einem Rekurs des Klägers wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 24.2.1988, 1 Ob 2/88, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, nicht Folge gegeben.

Das Landesgericht für ZRS Wien wies mit Urteil vom 20.2.1989, 53 a Cg 1052/86-77, das Klagebegehren ab. Der Kläger erhob dagegen Berufung, über die noch nicht entschieden wurde. Am 26.6.1989 lehnte der Kläger ua den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Paul G*** und die Richter des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Ekkehard S***, Dr.Georg Z*** und Dr.Josef R*** wegen Befangenheit ab. Die drei erstgenannten Richter hätten als Mitglieder des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes bereits zuvor in derselben Rechtssache im Rahmen des Verfahrens zur Bewilligung der Verfahrenshilfe für den Kläger die Frage geprüft, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos oder mutwillig sei. Sie hätten somit eine Prognose über die Aussichten des gestellten Klagebegehrens abgegeben. Unter Berücksichtigung der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 MRK sei daher ihre volle Unparteilichkeit zu verneinen. Es sei gewiß richtig, daß eine bloß unrichtige Sachentscheidung noch keinen Rückschluß auf Befangenheit zulasse. Befangenheit werde aber dann wahrscheinlich, wenn in konsequenter Folge mehrere Male ein bestimmter Rechtsstandpunkt vertreten werde, obwohl in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Art und Weise vorgebracht worden sei, die Amtshaftungsansprüche würden auf Vorgänge gestützt, die, deren Erweislichkeit vorausgesetzt, das Klagebegehren vollinhaltlich rechtfertigen würden. Wenn, ohne daß Beweise aufgenommen worden seien, dieses Vorbringen als offenbar aussichtslos bezeichnet werde, so stelle dies immerhin ein Indiz dafür dar, daß die an den Rekursentscheidungen mitwirkenden Richter aus psychologischen Gründen gehemmt gewesen seien, eine wirklich objektive Erledigung der Rechtssache vorzunehmen. Als weiteren, alle vier Richter sowie weitere Richter der Senatsgruppe B betreffenden Ablehnungsgrund machte er geltend, daß zwischen Richtern eines Gerichtshofes im Regelfall ein besonderes Naheverhältnis bestehe, das über die berufliche Stellung hinausgehe. Wenn die Person eines Berufskollegen zu beurteilen sei, trete stets der persönliche von ihm gewonnene Eindruck in den Vordergrund. Die Beurteilung seiner Person und seines Verhaltens werde also, psychologisch bedingt und auch verständlich, stets nach diesen Kriterien erfolgen, nicht aber nach dem Inhalt der Akten, die seine Person betreffen. Dies führe im Regelfall auch dazu, daß sich die Richterschaft eines Gerichtshofes für befangen erkläre, wenn einer ihrer Kollegen als Partei in ein Zivil- oder Strafverfahren verfangen sei. Daß im Falle einer Amtshaftungsklage der Richter, aus dessen amtlicher Tätigkeit Amtshaftungsansprüche abgeleitet würden, nicht Partei des Rechtsstreites sei, treffe nur in formeller Beziehung zu. Materiell stehen selbst dann, wenn keine Streitverkündung erfolgt sein sollte, die aber § 10 Abs. 1 AHG zwingend anordne, wenn das betroffene Organ aktenkundig sei, dessen Interessen bedeutsam im Spiel, sei doch nach Unterliegen im Amtshaftungsprozeß das schuldtragende Organ zum Rückersatz verpflichtet. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Jene Richter, die zur Entscheidung über eine Amtshaftungsklage eines ihrer unmittelbaren Kollegen zu befinden hätten, unterlägen somit, ohne daß ihnen dies überhaupt bewußt werden müsse, einer auf psychologische Gründe beruhenden Hemmung, die in der Klage vorgebrachten Vorwürfe wirklich objektiv zu bewerten. Sie würden vielmehr von gegenteiligen Annahmen ausgehen, deren Widerlegung dann gewöhnlich ausgeschlossen sei, weil es sich dabei um ein innermenschliches, teilweise sogar dem Unterbwußten zuzuordnendes Geschehen handle, das nach außen hin gar nicht in Erscheinung trete. Die vom Kläger eingebrachte Amtshaftungsklage stütze sich ua auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des nunmehrigen Richters des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Gunther R***, der bis zum 31.12.1988 der Senatsgruppe B des Oberlandesgerichtes Wien angehört habe. Das bedeutet aber den Anschein der Befangenheit der abgelehnten Richter, weil zwischen ihnen und Dr.Gunther R*** jedenfalls ein mehr oder minder starkes kollegiales Naheverhältnis bestehe. Durch diese und weitere vom Kläger gestellte Ablehnungsanträge wurde sowohl der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Ablehnung von Richtern der Senate 1 bis 6, 11, 12, 14 bis 18 und 31 bis 34 berufene Senat 13 wie auch der zur Entscheidung über die Ablehnung von Richtern des Senates 13 berufene Senat 14 beschlußunfähig. Der Personalsenat des Oberlandesgerichtes Wien beschloß darauf in seiner Sitzung vom 31.Juli 1989, Jv 11.679-7a/89, eine Ergänzung der Geschäftsverteilung 1989, wonach die Entscheidung über den im Verfahren 53 a Cg 1052/86 des Landesgerichtes für ZRS Wien gestellten Antrag des Klägers auf Ablehnung der Mitglieder des Rechtsmittelsenates 14 dem Senat 1 zugewiesen wurde. An der Beschlußfassung nahmen ua der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Erwin F*** und der Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Dr.Ulrich S*** teil, die der Kläger gleichfalls abgelehnt hatte. Der Beschluß wurde vom Personalsenat damit begründet, daß infolge der Ablehnung der Mitglieder des Senates 14 des Oberlandesgerichtes Wien durch den Kläger und auch der Mitglieder der Senatsgruppe B ein Senat zu bestimmen gewesen sei, der über die Berechtigung der Ablehnung der Mitglieder des Senates 14 abzusprechen habe. Diesen Beschluß des Personalsenates bekämpfte der Kläger mit Rekurs, der vom erkennenden Senat mit Beschluß vom 20.9.1989, 1 Ob 25/89 = JBl. 1990, 54, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, zurückgewiesen wurde. Nach der vom Personalsenat des Oberlandesgerichtes Wien am 31.3.1989 beschlossenen Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes ab 1.4.1989 ist Vorsitzender des Senates 1 Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Dr.Othmar K***. Mitglieder des Senates waren die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Peter S*** (Stellvertreter des Vorsitzenden), Dr.Ronald R***, Dr.Gerhart M*** und Dr.Wolfgang P***. Lit. e und g der allgemeinen Grundsätze dieser Geschäftsverteilung lauten: "e) Gehören einem Senat mehr als 3 Mitglieder an, dann sind der Vorsitzende und unbeschadet des diesem gemäß § 35 GOG zustehenden Rechtes die weiteren Mitglieder des Senates in abwechselnder Reihenfolge zur Entscheidung berufen; g) Innerhalb der Senatsgruppen vertreten die Richter einander in der endlosen Reihenfolge, in der ihre Namen als Senatsmitglieder in der Geschäftsverteilungsübersicht nach dem Namen des Verhinderten angeführt sind. Die Vertretung hat für je einen Tag unvorhergesehener und eine Woche vorausbestimmter Dienstverhinderung des zu Vertretenden zu erfolgen." Der Rekurswerber wies in einer Eingabe vom 25.8.1989 darauf hin, daß aufgrund der Überbesetzung des Senates 1 sechs für die Partei nicht vorhersehbare Kombinationen der Zusammensetzung im konkreten Fall möglich wären. Eine solche personelle Gestaltungsmöglichkeit durch den Vorsitzenden verletze den Anspruch der Partei auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Eine senatsinterne Regelung fehle offensichtlich. Der Vorsitzende des nunmehr zur Entscheidung berufenen Senates 1 holte vorerst eine Stellungnahme der abgelehnten Mitglieder des Senates 14 Dr.Paul G***, Dr.Ekkehard S*** und Dr.Georg Z*** ein. Nach deren Stellungnahme haben sie sich bei ihren den Ablehnungswerber betreffenden Entscheidungen von keinen anderen als sachlichen Argumenten leiten lassen. Sie fühlten sich demgemäß nicht befangen. Die Behauptung des Ablehnungswerbers, sie hätten die von ihm geltend gemachten Bedenken in Richtung Verfassungswidrigkeit, die eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gerechtfertigt hätten, begründungslos übergangen, treffe nicht zu. Nach Einholung dieser Stellungnahme wies der Senat 1 des Oberlandesgerichtes Wien in der Zusammensetzung Senatspräsident Dr.Othmar K*** sowie der Richter Dr.Peter S*** (Berichterstatter) und Dr.Ronald R*** den vom Kläger gegen den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Paul G*** sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Ekkehard S***, Dr.Georg Z*** und Dr.Josef R*** gestellten Ablehnungsantrag zurück. Warum der Senat gerade in dieser Zusammensetzung entschied, ist weder aus der Geschäftsverteilung noch aus dem Akteninhalt ersichtlich. Das Oberlandesgericht Wien führte aus, die Mitwirkung an früheren Rechtsmittelentscheidungen in dieser oder einer damit zusammenhängenden Sache des Klägers stelle keinen Umstand dar, der grundsätzlich geeignet wäre, die Unbefangenheit bei weiteren Entscheidungen in dieser Sache in Zweifel zu ziehen. Die Befassung mit einer Sache schon in früheren Rechtsmittelverfahren bewirke nur eine Kenntnis des Sachverhaltes, stelle aber kein Hindernis oder eine Hemmung für eine Entscheidung nur nach sachlichen Gründen dar. Bei der Beurteilung einer allfälligen Befangenheit sei nicht einmal die Richtigkeit einer früheren Sachentscheidung zu prüfen, weil sich selbst aus der Mitwirkung an einer unrichtigen Sachentscheidung noch keine Befangenheit, also die Gefahr der Entscheidung durch die betreffenden Richter nach anderen als sachlichen Gesichtspunkten ableiten lasse. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Rekursentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, 14 R 119, 120/88, die der Kläger zum Anlaß seines Ablehnungsantrages nehme, weder eine Aktenwidrigkeit noch ein Anhaltspunkt für eine unsachliche Behandlung der Rekurse des Klägers. Rechtliche Bedenken des Ablehnungswerbers gegen die Verfassungsmäßigkeit des Prokuraturgesetzes und die Bestimmung des § 2 Abs. 3 AHG seien ausschließlich aus rechtlichen, im einzelnen begründeten Erwägungen nicht geteilt worden. Eine Unsachlichkeit in diesen Erwägungen des Rekursenates werde vom Ablehnungswerber konkret nicht behauptet. Der Mitwirkung an der Entscheidung über die Nichtgewährung der Verfahrenshilfe an den Kläger komme nicht die Eignung zu, beim objektiven außenstehenden Betrachter Bedenken an der Unparteilichkeit der Mitglieder des Senates 14 aufkommen zu lassen. Die kollegiale Verbundenheit zu Dr.Gunther R*** allein sei bei einem derart großen Gericht wie dem Oberlandesgericht Wien grundsätzlich nicht geeignet, einen rechtlichen Schluß auf die Befangenheit der Mitglieder von zwei ganzen Senatsgruppen zu ziehen. Im Antrag werde in keiner Weise dargestellt, daß die Mitglieder des Senates 14 zu Dr.Gunther R*** in einem freundschaftlichen Verhältnis stünden. Die allgemeinen Ausführungen würden dem Gebot, im Einzelfall konkrete Behauptungen über Ablehnungsgründe aufzustellen, nicht gerecht. Ausreichend konkretisierte besondere Gründe, aus denen im Einzelfall dennoch eine kollegiale Befangenheit abgeleitet werden könnte, seien nicht vorgebracht worden. Aus diesem Grunde sei eine Äußerung der abgelehnten Richter ebenso entbehrlich gewesen wie eine Stellungnahme des das Ablehnungsrecht in Anspruch nehmenden Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bekämpft diese Entscheidung mit Rekurs. Soweit sein Rekurs die Ablehnung des Richters des Oberlandesgerichtes Wien Dr.Ekkehard S*** anstrebt, ist er unzulässig. Dr.Ekkehard S*** ist seit 1.1.1990 Hofrat des Obersten Gerichtshofes und als Berichterstatter den Senaten 3 und 7 zugeteilt. Über die vom Kläger an das Oberlandesgericht Wien erhobene Berufung kann er daher nicht mehr entscheiden. Der Rekurswerber ist demnach durch die Zurückweisung des von ihm gestellten Ablehnungsantrages nicht mehr beschwert.

Im übrigen ist der Rekurs berechtigt.

Der Sicherung der sachlichen Unabhängigkeit Einflüssen und Eingriffen von Verwaltungsbehörden gegenüber dient das verfassungsmäßige Gebot der festen Geschäftsverteilung (Art. 87 Abs. 3 B-VG). Die Erlassung der Geschäftsverteilung ist den Gerichten selbst übertragen. Sie hat gemäß § 4 Abs. 2 des BG vom 14.7.1921, BGBl Nr 422 idgF durch den Personalsenat zu erfolgen. Obwohl der Sache nach materiell Angelegenheit der Justizverwaltung, liegt in der Aufstellung der Geschäftsverteilung durch den Personalsenat, somit durch einen richterlichen Senat im Sinn des Art. 87 Abs. 2 B-VG, ein Akt der unabhängigen Rechtsprechung. Die Anfechtung einer Geschäftsverteilung vor dem Verfassungsgerichtshof ist daher ausgeschlossen (VfSlg. 2422/1952; Lassmann in Verfassung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Richterwoche 1977, 87; Fasching, Gutachten zum 10. ÖJT, I/3 Verfassungskonforme Gerichtsbarkeit 69). Ein die Parteien eines Zivilverfahrens tangierender Verstoß gegen die Geschäftsverteilung kann in zweifacher Weise erfolgen: An einer Entscheidung wirkt ein Richter mit, der nach der erlassenen Geschäftsverteilung bei deren ordnungsgemäßer Einhaltung dazu nicht berufen wäre (5 Ob 347-351/87; vgl. JBl. 1987, 396; RZ 1977/131); es kann aber auch ein gegen das Prinzip der festen Geschäftsverteilung verstoßender Fehler in der generellen Norm der Geschäftsverteilung selbst liegen (Walter, JBl. 1964, 177 f; Fasching aaO FN 136 mwN; Lechle in AnwBl. 1984, 377). Für den Zivilprozeß findet sich über die Folgen einer solchen fehlerhaften Gerichtsbesetzung nunmehr in der Bestimmung des § 260 Abs. 4 ZPO für den ersten Fall eine ausdrückliche Regelung. Danach bildet die Mitwirkung eines durch die Geschäftsverteilung nicht berufenen Richters am Verfahren und an der Entscheidung den Nichtigkeitsgrund der nicht gehörigen Besetzung des Gerichtes (§ 477 Abs. 1 Z 2 ZPO), der aber nur dann wahrgenommen werden kann, wenn dieser Umstand von der Partei noch vor Einlassung in die mündliche Streitverhandlung ausdrücklich geltend gemacht wurde (relativer Nichtigkeitsgrund: 5 Ob 347-351/87; Fasching, Lehrbuch2 Rz 142; derselbe, Gutachten 10. ÖJT aaO; Ballon, Einführung in das österreichische Zivilprozeßrecht2, 65). Es stellte einen Wertungswiderspruch dar, könnte man nur Entscheidungen, die unter Verstoß gegen eine Geschäftsverteilung, die mit der Verfassungslage im Einklang steht, als (relativen) Nichtigkeitsgrund bekämpfen, müßten aber Entscheidungen, bei denen die erkennenden Richter auf Grund einer fehlerhaften generellen Norm, die gegen Art. 87 Abs. 3 B-VG verstößt, hingenommen werden.Die Vorschrift des § 260 Abs. 4 ZPO ist daher dahin zu verstehen, daß der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs. 1 Z 2 ZPO auch dann vorliegt, wenn die generelle Norm der Geschäftsverteilung selbst gegen eine Verfassungsnorm verstieß (Fasching, Gutachten 10. ÖJT aaO, FN 136). Ob in diesem Fall, wie Lechle aaO meint, die zeitliche Begrenzung der Geltendmachung wegfällt, kann dahingestellt bleiben, weil der Rekurswerber schon vor der Entscheidung des Senates 1 über den von ihm gestellten Ablehnungsantrag auf den nunmehr gerügten Mangel der Geschäftsverteilung hingewiesen hat.

Der Senat 1 (wie übrigens auch alle anderen Zivilsenate des Oberlandesgerichtes Wien und ein Teil der Strafsenate) war nach der Geschäftsverteilung für das Jahr 1989 überbesetzt, d.h. er hatte neben dem Vorsitzenden mehr als zwei weitere Mitglieder. Walter (Verfassung und Gerichtsbarkeit 199 und JBl. 1964, 176) sieht darin ganz allgemein eine Verteilung der Geschäfte, die nicht der Verfassung entspricht. Bröll (RZ 1988, 230 f) hält überbesetzte Senate nicht schlechthin für verfassungswidrig, fordert aber, daß dann in die allgemeinen Grundsätze der Geschäftsverteilung eine Bestimmung aufzunehmen sei, in welcher Reihenfolge in den überbesetzten Senaten die Akten den Mitgliedern als Berichterstatter zufallen - damit werde der neben dem Vorsitzenden zweite Richter des zur Entscheidung berufenen Senates festgelegt -, weiters müsse festgelegt werden, daß das dem Berichterstatter im Rang folgende Mitglied den Entscheidungssenat zu komplettieren habe. Gegebenenfalls müsse, wenn nicht alle Mitglieder des überbesetzten Senates im gleichen Umfang herangezogen werden sollen, ein anderer Berichterstatter-Anfallschlüssel festgelegt werden. Zum Verhältnis solcher in die Geschäftsverteilung aufgenommener Bestimmungen zu § 35 GOG führt er aaO 232 aus, die Bestimmung des § 35 GOG, wonach der Vorsitzende innerhalb des Senates die Geschäfte unter die Mitglieder zu verteilen habe, sei in Ansehung des gesetzmäßig besetzten Senates geltendes Recht. An dieser Aufgabe des Senatsvorsitzenden könne die Geschäftsverteilung nichts ändern. Eine Regelung, daß die im überbesetzten Senat anfallenden Akten in der Reihenfolge des Anfalles den Mitgliedern als Berichterstattern zufallen solle, diene jedoch primär der Bildung des zur Entscheidung der Sache berufenen Senates und lasse das Recht des Vorsitzenden, im solcherart gebildeten Entscheidungssenat den Berichterstatter auszuwählen, solange unberührt, als § 35 GOG in Geltung stehe. Zweckmäßigerweise sollte darauf in der Geschäftsverteilung hingewiesen werden. Auch Lassmann aaO 93 hält die Aufstellung sogenannter großer Senate nicht schlechthin für unzulässig. Was verlangt werden müsse, sei, daß es sich dabei nicht um eine Art Richterkader handle, aus dem der Senatsvorsitzende nach Belieben das eine oder andere Senatsmitglied heranziehe; es müsse vielmehr im voraus bestimmt sein, wer, abgesehen von Verhinderungsfällen, von den überzähligen Mitgliedern jeweils ausscheide. Zum Verhältnis der Geschäftsverteilung zu § 35 GOG vertritt er die Ansicht (aaO 89 f), diese Bestimmung sei mit dem Prinzip der festen Geschäftsverteilung dann zu vereinbaren, wenn man den Senats als Einheit ansehe und in ihm als solchem den gesetzlichen Richter erblicke. Dem liege offensichtlich die Überzeugung zugrunde, es sei für die Parteien bedeutungslos, wem im Rahmen der senatsinternen Arbeitsteilung die Rolle des Berichterstatters zufalle. Es solle nicht übersehen werden, daß das auf §§ 35, 42 GOG basierende System der Referatszuteilung durch den Vorsitzenden in die Justizpraxis etwas von jener Elastizität bringe, die nun einmal zur sinnvollen Anwendung der Gesetze unerläßlich sei. Ob die Personalsenate der Gerichtshöfe erster und zweiter Instanz in den Geschäftsverteilungen starre Regeln aufstellen können, nach denen die Senatsvorsitzenden die Akten den Berichterstattern zuzuteilen haben, scheine in Anbetracht des Wortlautes des § 35 GOG sehr fraglich zusein, obgleich derartige Maßnahmen sicher als Versuch zu werten seien, sich im Sinne des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung der beim Obersten Gerichtshof kraft Gesetzes geltenden Regelung anzupassen. Ausgeschlossen sei aber auch beim System der Referatszuteilung durch den Vorsitzenden eines: Eine Einflußnahme von außen, sei es auch vom Präsidenten. Die Arbeitsteilung innerhalb des Senates gehöre bereits zum Bereich unabhängiger Gerichtsbarkeit. Nach Ansicht des erkennenden Senates lassen sich die Grundsätze des Art. 87 Abs. 3 B-VG bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 35 GOG mit dieser Bestimmung durchaus in Einklang bringen, sodaß es nicht der vom Rekurswerber beantragten Anrufung des Verfassungsgerichtshofes bedarf. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß das Prinzip der festen Geschäftsverteilung nur dann eingehalten wird, wenn sich schon prinzipiell allein auf Grund der generellen Bestimmungen der Geschäftsverteilung ergibt, in welcher Zusammensetzung der Senat im konkreten Fall zu entscheiden hat, sich demnach die Zugehörigkeit der Sache zu bestimmten Senatsmitgliedern schon allein auf Grund dieser Vorschriften ergibt (Lassmann aaO 88; Walter, System 538; derselbe, JBl. 1964, 177; vgl. BVerfGH NJW 1964, 1667 mit Anm. Arndt). Es darf nicht notwendig sein, daß neben und nach der Geschäftsverteilung im Einzelfall ein weiterer Zuordnungsakt eingeschoben wird. Die Zuordnung muß sich schon aus der generellen Anordnung selbst ergeben (Walter, System 538 FN 58). Diesen Anforderungen hält die vorliegende Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes Wien nicht stand. Aus lit. e der allgemeinen Grundsätze ergibt sich auf Grund der Verwendung des unbestimmten Ausdruckes "abwechselnd" nicht die Zuordnung einer Sache an bestimmte Mitglieder des überbesetzten Senates. Daß im vorliegenden Fall gerade der Stellvertreter des Vorsitzenden als Berichterstatter und das in der Reihenfolge der Geschäftsverteilung an zweiter Stelle stehende Mitglied gemeinsam mit dem Vorsitzenden den Senat zu bilden hatte, folgt nicht aus den generellen Akten der Geschäftsverteilung. Lit. f enthält nur eine Vertretungsregelung, setzt also voraus, daß die im Einzelfall zur Entscheidung berufenen Senatsmitglieder durch die Geschäftsverteilung bereits eindeutig und ohne weiteren Zuteilungsakt im Einzelfall bestimmt sind. Die Vertretungsregelung greift innerhalb der Senatsgruppen (hier: Senatsgruppe A) über den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat hinaus. Die "endlose Reihenfolge" nach lit. g der Geschäftsverteilung bezieht sich nicht auf den einzelnen Senat, sondern die gesamte Senatsgruppe. Nach § 35 GOG verteilt innerhalb jedes Senates der Vorsitzende die Geschäfte auf die Mitglieder. Er kann einzelne Mitglieder für bestimmte Rechtssachen zu Berichterstattern bestellen und ihnen die Entwerfung der schriftlichen Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen auftragen. Es hat, wie sich aus den voranstehenden Ausführungen ergibt, der Personalsenat im vorhinein festzulegen, nach welchen generellen Grundsätzen in sogenannten überbesetzten Senaten der jeweils zur Entscheidung der Sache im Einzelfall zuständige Senat zu bilden ist. Damit wird dem Verfassungsgebot des Art. 87 Abs. 3 B-VG, daß sich im vorhinein aufgrund genereller Anordnung (hier der Personalsenate) der jeweils zur Entscheidung berufene Richter ohne weiteren individuellen Zuteilungsakt ergeben muß, Genüge getan. Keine Partei hat aber ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht darauf, daß ein bestimmter der drei im vorhinein festgelegten Richter die Sache vorträgt und den Entscheidungsentwurf verfaßt (vgl. Kissel, GVG § 21 g Rz 14). Daß auch der jeweilige Berichterstatter bereits im vorhinein durch die generelle Norm der Geschäftsverteilung bestimmt sein müßte, ergibt sich aus Art. 87 Abs. 3 B-VG nicht. Der einfache Gesetzgeber ist daher in der Anordnung, auf welche Weise in den Senaten der Berichterstatter bestimmt wird, frei (vgl. § 13 Abs. 1 OGHG gegen § 14 Abs. 1 VwGG). Bei verfassungskonformer Auslegung des § 35 GOG kommt daher dem Vorsitzenden des nach der Geschäftsverteilung im Einzelfall bereits determinierten Senates die Aufgabe zu, den Berichterstatter zu bestimmen. Soweit der Rekurswerber einen weiteren Verstoß gegen sein Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter darin erblickt, daß der Personalsenat in seiner Sitzung vom 31.7.1989 die Geschäftsverteilung 1989 dahin ergänzte, zur Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag auf Ablehnung der Mitglieder des (zuständigen) Rechtsmittelsenates 14 sei der Senat 1 zuständig, liegt keine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze vor. Durch die vom Rekurswerber gestellten Ablehnungsanträge wurde auch der nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung berufene Senat 13 des Oberlandesgerichtes Wien beschlußunfähig. Da die Geschäftsverteilung eine Vertretungsregelung nur so weit enthält, daß zur Entscheidung über die Ablehnung von Richtern des Senates 13 der Senat 14, dessen Mitglieder zur Entscheidung in der Sache selbst abgelehnt wurden, zu entscheiden hat, ergab sich daraus die Notwendigkeit einer Verfügung des Personalsenates im Sinne der §§ 34 Abs. 2, 42 Abs. 1 GOG. Inhaltlich war der Personalsenat nur durch das Bestimmtheitsgebot des Art. 87 Abs. 3 B-VG beschränkt. Wie dem Rekurswerber bekannt, können Beschlüsse der Personalsenate über die Festsetzung der Geschäftsverteilung durch die Parteien eines Zivilverfahrens nicht angefochten werden (1 Ob 25/89 = JBl. 1990, 54). Hat der Personalsenat eine Geschäftsverteilung unter Beachtung der verfassungsmäßigen Grundlagen erlassen, liegt eine vorschriftswidrige Besetzung des erkennenden Gerichtes selbst dann nicht vor, sollte ein abgelehnter Richter an der Personalsenatsentscheidung teilgenommen haben.

Der angefochtene Beschluß ist daher als nichtig aufzuheben. Der zuständige Senat 1 wird daher nach Präzisierung der Geschäftsverteilung durch den Personalsenat wie oben aufgezeigt neuerlich zu entscheiden haben.

Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten war abzuweisen. Eine Kostenersatzpflicht im Ablehnungsverfahren als einseitigen Verfahren, an dem der Prozeßgegner nicht beteiligt ist, ist im Gesetz nicht vorgesehen.

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