OGH 1Ob2/90

OGH1Ob2/9021.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Husein H***, Arbeiter, Kladanj, Borisa Krdica 21, Jugoslawien, vertreten durch Dr. Rudolf Weiss, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei R*** Ö***,

vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Erich L***, Pensionist, Baldramsdorf, Rosenheim 29, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig, Dr. Peter Gradischnig und Dr. Gerhard Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wegen S 180.000,-- s.A. infolge Revisionsrekurses des Nebenintervenienten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 9. November 1989, GZ. 4 a R 202, 203/89-13, womit der in die Urteilsausfertigung aufgenommene Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. September 1989, GZ. 30 Cg 235/89-7, in seinem Punkte a abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der rekursgerichtliche Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß, soweit damit die Nebenintervention zugelassen wurde, ersatzlos aufgehoben wird.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten die mit S 7.410,60 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.235,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz seines Verdienstentganges von S 30.000 und zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 150.000, weil er vom 11. April 1983 bis 23. Juni 1983 rechtswidrig im Polizeigefangenenhaus in Villach angehalten worden sei.

Der beklagte Rechtsträger wendete insbesondere Verjährung ein und verkündete gleichzeitig mit der Klagebeantwortung Raimund W*** und Erich L*** als den für den Rückersatzanspruch für haftbar erachteten Organen gemäß § 10 Abs. 1 AHG den Streit. Bei der - einzigen - Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 11. September 1989 erschien Rechtsanwalt Dr. Gerhard Gradischnig als Vertreter des Nebenintervenienten Erich L*** und erklärte dort, er schließe sich "für seinen Nebenintervenienten Erich L***" den Einwendungen der beklagten Partei an. Nach Verlesung von Akten verkündete der Vorsitzende, ohne daß der Kläger die Zurückweisung des Nebenintervenienten beantragt hatte, unter anderem den Beschluß auf Zulassung des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei und schließlich auch das Urteil auf Abweisung des Klagebegehrens. Den in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluß auf Zulassung der Nebenintervention begründete das Erstgericht damit, die Bestimmung des § 18 Abs. 1 ZPO, wonach die Nebenintervention durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien zu erklären sei, sei eine Formvorschrift, deren Mißachtung das Gericht nicht zur amtswegigen Zurückweisung des Nebenintervenienten berechtige, auch wenn dieser den Beitritt in der mündlichen Streitverhandlung erklärt habe.

Infolge Rekurses des Klägers wies das Gericht zweiter Instanz die Nebenintervention Erich L*** zurück und sprach aus, daß der Beschwerdegegenstand S 15.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Da die Berechtigung Erich L*** zur Nebenintervention auf gesetzlicher Vorschrift (§ 10 Abs. 1 AHG) beruhe, habe das Gericht lediglich zu prüfen, ob die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen für die Nebenintervention vorliegen, nicht jedoch auch das Nebeninterventionsinteresse; der Nebenintervenient sei in diesen Fällen der Darlegung eines solchen Interesses enthoben. Gemäß § 18 Abs. 1 ZPO erfolge der Beitritt zwingend durch Einbringung eines Schriftsatzes. Die Rechtswirkungen der Nebenintervention träten erst mit dessen Zustellung an beide Parteien ein. Für den Nebenintervenienten kraft besonderer gesetzlicher Berechtigung nach § 17 Abs. 2 ZPO gelte nichts anderes. Die mündlich erklärte Nebenintervention sei deshalb unbeachtlich und - auch ohne entsprechenden Antrag des Gegners, dem gegenüber sie mangels Zustellung eines Schriftsatzes auch gar nicht wirksam geworden sei - zurückzuweisen. Für den Kläger habe deshalb keine Veranlassung bestanden, einen Zurückweisungsantrag zu stellen. Die Zurückweisung der Nebenintervention sei in solchen Fällen auch ohne Antrag des Gegners möglich und zur Klarstellung der Position der Beteiligten auch zweckmäßig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Erich L*** als Nebenintervenient ist berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die vom Rekursgericht im Wege der Berichtigung nachgetragene Bewertung des Beschwerdegegenstandes mit Rücksicht auf den in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand unbeachtlich ist, sodaß auch eine Bewertung im Sinne der §§ 526 Abs. 3 und 500 Abs. 2 Z 3 ZPO in der jeweils noch anzuwendenden Fassung entbehrlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 1 erster Satz ZPO kann die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Erich L*** hat seinen Beitritt als Nebenintervenient nicht in dieser Form, sondern dadurch erklärt, daß sein Vertreter zu der der Streitverkündigung unmittelbar folgenden einzigen Verhandlungstagsatzung erschien und dort sogleich Sachvorbringen zur Unterstützung der beklagten Partei im Sinne des § 19 Abs. 1 erster Satz ZPO erstattete. Für die Beitrittserklärung sind bestimmte Wortformen nicht erforderlich; es genügt, wenn sich aus dem Vorbringen des Nebenintervenienten deutlich entnehmen läßt, daß er damit als solcher einschreiten wolle (vgl. SZ 41/129). Gerade das kann aber bei der im Verhandlungsprotokoll festgehaltenen Erklärung des Vertreters des Nebenintervenienten nicht zweifelhaft sein. Dem Rekursgericht kann darin beigepflichtet werden, daß die Beitrittserklärung formwidrig abgegeben wurde, weil sie nicht durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien bewirkt wurde (EvBl. 1973/235 mzN aus dem Schrifttum und der Rechtsprechung). Nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. die Nachweise in SZ 45/141 und EvBl. 1973/235) darf die Nebenintervention jedoch nicht von Amts wegen zurückgewiesen werden, auch wenn die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten mit dem erwähnten Formmangel behaftet ist. Hat keine der Parteien einen Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten gestellt, so hat es mit dem Beitritt sein Bewenden. Das Rekursgericht beruft sich zur Stützung seiner gegenteiligen Ansicht allein auf Fasching (in Komm. II 217), übersieht dabei jedoch, daß dieser Autor nunmehr (in ZPR Rz 400) den Standpunkt vertritt, daß ein entgegen der Vorschrift des § 18 Abs. 1 erster Satz ZPO formwidrig erst in der mündlichen Verhandlung erklärter und im Verhandlungsprotokoll beurkundeter Beitritt trotz dieses Formverstoßes wirksam ist.

Erich L*** ist demnach bei der Verhandlungstagsatzung am 11. September 1989 - mangels Zurückweisungsantrages des Klägers - dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei wirksam beigetreten. Dem ist in Stattgebung seines Rekurses Rechnung zu tragen, dabei aber auch zu beachten, daß das Gericht ohne Zurückweisungsantrag einer der Parteien keine die Zulässigkeit der Nebenintervention bejahende Entscheidung treffen darf (EvBl. 1973/235; 6 Ob 162/73; 4 Ob 590/81); der Beschluß des Erstgerichtes ist daher ersatzlos zu beheben, ohne daß deshalb dem bereits mit der Unterlassung eines Zurückweisungsantrages wirksam gewordenen Beitritt Erich L*** als Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei Abbruch geschehen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; da der Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Nebenintervention mit der Revisionsrekursentscheidung beendet wurde, ist auch über den Ersatz der darauf entfallenden Verfahrenskosten bereits endgültig abzusprechen.

Die Revisionsrekursbeantwortung ist zurückzuweisen, weil die Rechtsmittel im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Nebenintervention nicht zu den im § 521a ZPO genannten Rekursen, die als zweiseitige Rechtsmittel ausgestaltet sind, zählen.

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