OGH 3Ob608/89

OGH3Ob608/8924.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Hans-Peter S*** und

2. Aloisia S***, beide Friseurmeister, St.Pölten, Kremser Landstraße 21 und vertreten durch Dr.Richard Wandl, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Dr.Friedrich A***, Rechtsanwalt, Wien 1., Stubenbastei 3, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der W*** H*** Holzindustrie Gesellschaft mbH in Echsenbach und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H*** H*** Holzindustrie Gesellschaft mbH in Echsenbach, beide vertreten durch Dr.Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 9.August 1989, GZ R 321/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 23.Jänner 1989, GZ 3 C 1910/87-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, an Kosten der Rechtsmittelverfahren der beklagten Partei 4.969,80 S (darin 703,30 S Umsatzsteuer und 750 S Barauslagen) und der Nebenintervenientin 8.365,50 S (darin 1.269,25 S Umsatzsteuer und 750 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gemeinschuldnerin schloß mit den Klägern am 17.April 1984 einen Bestandvertrag, in dem ihr eine Liegenschaft "zum Zweck der werblichen Nutzung und Aufstellung eines oder mehrerer im Eigentum der Bestandnehmerin verbleibender Musterhäuser" in Bestand gegeben wurde. Das Bestandverhältnis begann gemäß dem Punkt II. des Bestandvertrages mit der baubehördlichen Genehmigung der von der Bestandnehmerin einzureichenden Objekte, die zumindest für ein Haus noch im Jahr 1984 erwirkt werden mußte, wurde zunächst auf die Dauer von fünf aufeinanderfolgenden Jahren abgeschlossen und war während dieser Zeit von beiden Teilen unkündbar. Der Bestandnehmerin wurde das Recht eingeräumt, das Bestandverhältnis zu den Bedingungen des Vertrages bei Ablauf der ersten Bestandperiode auf weitere fünf Jahre zu verlängern. Gemäß dem Punkt III. des Bestandvertrages sind die Bestandgeber berechtigt, das Bestandverhältnis unter anderem dann mit sofortiger Wirkung für aufgelöst zu erklären, wenn die Bestandnehmerin mit mehr als einem Bestandzins oder Nebenleistungen im Rückstand ist, ohne daß es einer Ermahnung oder Setzung einer Nachfrist bedarf, oder wenn die Bestandnehmerin in Konkurs oder Ausgleich gerät oder "ein derartiger Antrag" mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wird. Schließlich heißt es im Bestandvertrag auch noch: "Das oder die Musterhäuser werden durch die Bestandnehmerin laufend von Verkäufern betreut" und "Der Bestandnehmerin ist es auch gestattet, auf eigene Kosten Telefon oder Telex auf das Grundstück zu leiten".

Anfang des Jahres 1987 wurde über das Vermögen der Bestandnehmerin der Konkurs eröffnet. Die Kläger richteten daraufhin am 13.April 1987 ein Schreiben an die Bestandnehmerin, in dem sie den Bestandvertrag "kündigten".

Die Kläger brachten gegen den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Bestandnehmerin die Klage mit dem Begehren ein, ihnen die in Bestand gegebene Liegenschaft geräumt zu übergeben. Sie seien zur Auflösung des Vertrages berechtigt gewesen, weil über das Vermögen der Bestandnehmerin der Konkurs eröffnet worden und diese überdies mit der Bezahlung des Bestandzinses für März und April 1987 in Rückstand geraten sei. Sie hätten das Bestandverhältnis unter Berufung auf diese Auflösungsgründe mit dem Schreiben vom 13.April 1987 "aufgekündigt".

Der Beklagte und die Nebenintervenientin, die dem Rechtsstreit auf seiner Seite mit der Behauptung beitrat, daß sie Afterbestandnehmerin sei, wendeten ein, daß der Bestandvertrag den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliege, weil die Liegenschaft zum Zweck der Errichtung von Gebäuden und deren gewerblicher Nutzung in Bestand gegeben worden sei. Die Vereinbarung, daß die Eröffnung des Konkurses einen Auflösungsgrund bilde, verstoße daher gegen zwingendes Recht und sei deshalb unwirksam.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Bestandvertrag unterliege dem Mietrechtsgesetz, weil dieses nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1985, 107) auf "die Grundstücksmiete mit Geschäftsraum" anzuwenden sei. Da der Vertrag somit gemäß § 33 Abs 1 MRG nur gerichtlich aufgekündigt werden könne, habe die außergerichtliche Aufkündigung nicht die Auflösung des Vertrages bewirkt.

Das Berufungsgericht gab infolge Berufung der Kläger dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Ein Musterhaus diene nach allgemeiner Verkehrsauffassung primär als Schaustück, das Kaufinteressenten zur Besichtigung freistehe. Es sei rechtlich mit anderen beweglichen Sachen vergleichbar, die zum Zweck der Besichtigung durch Kunden auf einer Freifläche aufgestellt werden, wie etwa landwirtschaftliche Maschinen. Bei einem Musterhaus liege nur eine geschäftliche Nutzung des Grundstücks, aber keine geschäftliche Raumnutzung vor. Die Miete solcher Grundstücke solle aber nach dem Mietrechtsgesetz nicht mehr dem Kündigungsschutz unterliegen. Die Kündigungsschutzfreiheit, die nach diesem Gesetz für die Miete unbebauter, aber geschäftlich genutzter Grundstücke gelte, müsse auch für die geschäftliche Nutzung von gemieteten Grundstücken gelten, auf denen Superädifikate errichtet werden, die nicht als "Geschäftsräumlichkeiten" im sprachgebräuchlichen Sinn bezeichnet werden könnten. Da das Bestandverhältnis somit keiner Schutzbestimmung unterliege, habe die Eröffnung des Konkurses wirksam als Auflösungsgrund vereinbart werden können, und das Bestandverhältnis sei durch die hierauf gerichtete Erklärung der Kläger beendet worden, weshalb die Räumungsklage berechtigt sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung "an die Unterinstanz" zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragten, das Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach einheitlicher Auffassung erfaßt das Mietrechtsgesetz nur mehr die Raummiete und daher nicht mehr die Miete von unbebauten Grundstücken zu Geschäftszwecken (aus jüngerer Zeit etwa SZ 57/194, SZ 58/25, RdW 1988, 386 je mwN aus dem Schrifttum und der Rechtsprechung). Wird ein Grundstück zu dem dem Vermieter erkennbaren Zweck gemietet, darauf ein Superädifikat zu errichten, das einer geschäftlichen Tätigkeit dienen soll, so kommt allerdings die analoge Anwendung des Mietrechtsgesetzes in Betracht (F.Bydlinski, JBl 1984, 250 ff und ihm folgend die angeführten Entscheidungen sowie JBl 1985, 107, JBl 1990, 48 ua). Voraussetzung ist, daß es sich um ein Superädifikat handelt, das im Sinn des Sprachgebrauchs als Geschäftsräumlichkeit angesehen werden kann (Bydlinski aaO 251), und daß die Grundstücksmiete in der dem Vermieter erkennbaren Absicht einer (relativ) dauernden Nutzung des Superädifikates zu Geschäftszwecken vereinbart wurde (Bydlinski aaO 251; RdW 1984, 338; SZ 57/194).

Das Berufungsgericht meint, daß ein Musterhaus deshalb keine Geschäftsräumlichkeit im Sinn des Sprachgebrauches sei, weil es in erster Linie als Schaustück und nicht zu Geschäftszwecken diene. Dies ist aber nicht entscheidend. In einem Musterhaus wird regelmäßig auch eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. Dazu gehören etwa die Demonstration des Hauses, die Beratung der Kunden und die Vorbereitung sowie der Abschluß von Kaufverträgen. Es kann dahingestellt bleiben, ob bei einem Musterhaus andere Zwecke überwiegen, weil dies, ähnlich wie bei einem Mietvertrag über teilweise nicht kündigungsgeschützte Bestandobjekte (vgl hiezu MietSlg 1677/43, 18.253), nichts daran ändern würde, daß die Bestimmungen des MRG über die Kündigung sinngemäß anzuwenden sind. Daß ein Musterhaus auf Grund seiner Bauweise als Geschäftsräumlichkeit im Sinn des Sprachgebrauches gilt, muß nicht näher begründet werden (vgl auch Bydlinski aaO 252). Ebensowenig ist zweifelhaft, daß es sich um ein Superädifikat handelt, weshalb es der von den Klägern hiezu in der Berufung geforderten Feststellungen nicht bedarf. Dadurch, daß in einem umbauten Raum eine Geschäftstätigkeit ausgeübt wird, unterscheidet sich die Miete eines Grundstücks für die Aufstellung von Musterhäusern von den vom Berufungsgericht angeführten Fällen, in denen ein Grundstück nur zu dem Zweck gemietet wird, damit Kunden bewegliche Sachen wie zB Landmaschinen besichtigen können. Selbst wenn dabei die angeführten geschäftlichen Tätigkeiten auf dem Grundstück ausgeführt würden, geschähe dies nicht in einem Geschäftsraum im Sinn des Sprachgebrauches.

Hier ergibt sich auch aus dem Bestandvertrag eindeutig die Absicht, in den Musterhäusern eine geschäftliche Tätigkeit auszuüben, weil darauf hingewiesen wird, daß die Häuser laufend von Verkäufern betreut würden, und weil der Bestandnehmerin die Herstellung von Anschlüssen für Telefon und Telex gestattet wurde. Den Klägern war diese Absicht daher erkennbar. Da der Bestandnehmerin die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Vertrag auf insgesamt zehn Jahre zu verlängern, kann, anders als in dem der Entscheidung RdW 1984, 338 zugrundeliegenden Fall, auch nicht gesagt werden, das Grundstück sei nicht gemietet worden, um darauf in einem Superädifikat eine (relativ) dauernde geschäftliche Tätigkeit auszuüben.

Ist aber auf das zu beurteilende Bestandverhältnis des MRG anzuwenden, so war es zu dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht aufgelöst. Der Bestandvertrag wurde von den Klägern nicht wirksam gekündigt, weil dies gemäß § 33 Abs 1 MRG nur gerichtlich und gemäß § 30 Abs 1 MRG nur aus einem wichtigen Grund im Sinn dieser Gesetzesstelle hätte geschehen können (die Eröffnung des Konkurses fällt darunter nicht; MietSlg 5257, 37.399). Der Bestandvertrag war aber im genannten Zeitpunkt auch nicht gemäß § 29 Abs 1 Z 5 MRG iVm § 1118 ABGB wegen Säumnis bei der Bezahlung des Mietzinsens aufgelöst. Dies hätte vorausgesetzt, daß ein schon fälliger Bestandzins trotz Mahnung und Setzung oder Gewährung einer angemessenen Frist nicht bezahlt wurde (MietSlg 30.228, 34.264 ua). Die Kläger haben nicht vorgebracht, daß sie den behaupteten Zinsrückstand eingemahnt haben. Nun ersetzt zwar die Räumungsklage die Mahnung (MietSlg 34.264 ua); dies jedoch nur dann, wenn darin der Zinsrückstand hinreichend bestimmt angeführt wird (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 17 zu § 1118; vgl auch MietSlg 30.221). Die Kläger haben in der Klage aber nur vorgebracht, daß die Bestandnehmerin "mit fälligen Bestandzinsen in Rückstand geraten" sei. Dieses allgemeine Vorbringen kann nicht als gesetzmäßige Mahnung gewertet werden. In der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, in der die Verhandlung geschlossen wurde, haben sie allerdings noch behauptet, daß die Bestandnehmerin den Zins für März und April 1987 nicht bezahlt habe. Hiedurch konnte aber die Auflösung des Bestandvertrages zum Schluß der mündlichen Verhandlung schon deshalb nicht bewirkt werden, weil der Bestandnehmerin bis zu diesem Zeitpunkt eine angemessene Frist für die Bezahlung eines allfälligen Zinsrückstandes nicht zur Verfügung stand (1 Ob 502/89). Es sind unter diesen Umständen Feststellungen zur Säumnis der Bestandnehmerin bei der Bezahlung des Bestandzinses, wie sie von den Klägern in der Berufung gefordert werden, nicht notwendig. Da die Kläger somit für den für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Auflösung des Bestandvertrages nicht dargetan haben, war ihr auf Räumung des Bestandgegenstandes gerichtetes Klagebegehren abzuweisen. Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage für die Entlohnung des Rechtsanwaltes liegt gemäß § 10 Z 2 lit a RATG entsprechend dem in der Klage genannten Jahresmietzins im Bereich von über 50.000 S bis 75.000 S.

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