OGH 10ObS441/89

OGH10ObS441/8923.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Rudda (Arbeitgeber) und Anton Liedlbauer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ingrid Z***, Raumpflegerin, 1140 Wien, Breitenseerstraße 108/7/2/9, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***, Landesstelle Wien, 1203 Wien,

Webergasse 4, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. August 1989, GZ 34 Rs 124/89-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. März 1989, GZ 13 Cgs 1208/88-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die als Bedienerin in einer Metallwarenfabrik beschäftigt gewesene Klägerin wurde am 9.2.1965 auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte von einem PKW niedergestoßen; sie erlitt dabei einen Beckenbruch mit rechtsseitiger zentraler Hüftverrenkung. Als Entschädigung für die Folgen dieses Unfalles wurde ihr aufgrund eines vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien zu 2 C 102/75 am 9.12.1975 geschlossenen Vergleiches eine Dauerrente im Ausmaß von 30 v.H der Vollrente zuerkannt.

Mit Bescheid vom 30.4.1986 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer höheren Rente ab; mit Bescheid vom selben Tag setzte sie die Dauerrente ab 1.7.1986 auf eine Teilrente von 20 v.H herab, weil sich die Beweglichkeit der rechten Hüfte der Klägerin gebessert habe. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30.9.1987, 3 Cgs 1113/87-24, dahin Folge gegeben, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der Klägerin aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 9.2.1965 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 v.H der Vollrente als Dauerrente über den 1.7.1986 hinaus weiterhin zu gewähren; das Mehrbegehren auf Gewährung einer höheren Dauerrente (40 v.H) wurde abgewiesen.

Mit Bescheid vom 6.10.1988 wies die beklagte Partei den am 18.5.1988 von der Klägerin neuerlich gestellten Antrag auf Erhöhung der bisher gewährten Dauerrente ab.

In ihrer dagegen erhobenen Klage brachte die Klägerin vor, im Zeitraum eines Krankenstandes vom 16.11.1987 bis 7.8.1988 sei sie völlig erwerbsunfähig gewesen, im übrigen hätten sich die Unfallsfolgen verschlimmert.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es gelangte aufgrund des festgestellten Sachverhaltes zu dem Ergebnis, daß eine Änderung im Leidenszustand der Klägerin hinsichtlich ihrer Unfallsfolgen seit der letzten rechtskräftigen Feststellung der Versehrtenrente im Verfahren 3 Cgs 1113/87 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien nicht eingetreten sei, dies auch nicht für den Zeitraum ihres Krankenstandes.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache erhobenen Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Mängel, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und verwarf auch die Rechtsrüge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) wiederholt die Klägerin ihre bereits in der Berufung erfolglos vorgebrachte Rüge, das Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie sei unvollständig und ohne Heranziehung neuer Röntgenaufnahmen erstattet worden. Dabei läßt die Klägerin den in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch in Sozialrechtssachen vertretenen Grundsatz außer acht, daß ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann (SSV-NF 1/32 = SZ 60/197 uva). Soweit die Revisionswerberin bemängelt, die Vorinstanzen hätten keinen Vergleich ihrer Leidenszustände mit den Verhältnissen, die im Jahr 1975 zur ersten Gewährung der Versehrtenrente führten, vorgenommen, führt sie inhaltlich eine Rechtsrüge aus, zu der noch Stellung genommen werden wird.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO). Die Revisionswerberin unternimmt hier den Versuch einer vor dem Obersten Gerichtshof unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht (§ 503 Z 4 ZPO) erblickt die Revisionswerberin - wie schon in ihrer Mängelrüge - darin, daß im vorliegenden Fall der Änderung einer Versehrtenrente (§ 183 Abs.1 ASVG) kein Vergleich der derzeitigen Verhältnisse mit den Verhältnissen, die bei Gewährung der Rente (also am 9.12.1975) maßgebend waren, erfolgt sei. Zu Unrecht hätten die Vorinstanzen den Vergleich mit den Verhältnissen im Jahr 1987 vorgenommen. Diese Rechtsansicht könnte vom Obersten Gerichtshof nur dann geprüft werden, wenn die Klägerin in ihrer Berufung eine Rechtsrüge gesetzmäßig ausgeführt hätte. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich eine in der Berufung nicht ausgeführte Rechtsrüge auch in Sozialrechtssachen nicht in der Revision nachgetragen werden (SSV-NF 1/28 mwH ua).

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, war aber in der Berufung eine ordnungsgemäße Rechtsrüge nicht enthalten: dort hatte die Klägerin lediglich geltend gemacht, das Erstgericht habe eine Äußerung des ärztlichen Sachverständigen über die während des Krankenstandes der Klägerin gegebene Minderung der Erwerbsfähigkeit kritiklos übernommen, der Sachverständige habe für seine Äußerung keinen Grund angegeben, sodaß sein Gutachten auch diesbezüglich weder schlüssig noch nachvollziehbar sei. Mit diesen Ausführungen wurde nicht dargetan, daß das Sachverständigengutachten gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoße; die Berufungsausführungen beschränkten sich vielmehr auf eine Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, weshalb dem Obersten Gerichtshof eine rechtliche Überprüfung des berufungsgerichtlichen Urteils verwehrt bleibt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 2/26, 27 ua).

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