OGH 3Ob147/89

OGH3Ob147/8910.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*** S***

registrierte Genossenschaft m.b.H., Josef Wopfner-Straße 8, 6130 Schwaz, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach und Dr. Eckhart Söllner, Rechtsanwälte in Innsbruck, und mehrerer weiterer betreibender Gläubiger, wider die verpflichtete Partei Anton S***, Gastwirt und Landwirt, Egge 26, 6130 Fritzens, wegen S 1,216.070,-sA und weiterer Geldforderungen, infolge Revisionsrekurses der ersten Ersteherin B*** W***-H*** Tonwerk Fritzens

Gesellschaft m.b.H., Ampfererstraße 60, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 24. Oktober 1989, GZ 1 a R 466/89-159, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 22. August 1989, GZ E 32/86-145, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die zu versteigernde Liegenschaft wurde bei der Versteigerung am 15. Dezember 1988 der Revisionsrekurswerberin um das Meistbot von S 20,550.000,- zugeschlagen. Nach § 10 Abs 1 TirGVG holte das Erstgericht vor Ausfertigung dieses Beschlusses über die Erteilung des Zuschlags die bescheidmäßige Entscheidung der Grundverkehrsbehörde ein, ob die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden den Vorschriften des Tiroler Grundverkehrsgesetzes entspricht.

Die Grundverkehrsbehörde Fritzens entschied am 13. Feber 1989, daß die Übertragung des Eigentums an der versteigerten Liegenschaft an die Meistbietende den Vorschriften des Tiroler Grundverkehrsgesetzes widerspricht. Die Landesgrundverkehrsbehörde wies die Berufung der Meistbietenden gegen diesen Bescheid als unbegründet ab und bestätigte die Versagung der Zustimmung zur exekutiven Eigentumsübertragung am 22. Juni 1989. Gegen diesen Bescheid war kein Rechtsmittel zulässig.

Das Erstgericht hat daher gemäß dem § 10 Abs 2 TirGVG unverzüglich den neuerlichen Versteigerungstermin für den 19. Oktober 1989 bestimmt.

Am 21. August 1989 beantragte die Meistbietende des ersten Versteigerungstermines unter Hinweis auf die inzwischen gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde, das Exekutionsverfahren bis zur Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof aufzuschieben und den Versteigerungstermin vom 19. Oktober 1989 auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Das Erstgericht schob die Exekution bis zur Entscheidung über die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde vom 22. Juni 1989 auf und setzte den Versteigerungstermin ab. Der Aufschiebungswerberin drohe sonst die Gefahr eines unersetzlichen Vermögensnachteiles, weil sie das Eigentum nicht mehr erlangen könne, wenn beim zweiten Versteigerungstermin der Zuschlag an einen anderen Ersteher erteilt (und daher nach § 10 Abs 5 TirGVG der Zuschlag an die Meistbietende des ersten Versteigerungstermines aufgehoben) wird. Die Verfassungsbeschwerde sei nicht von vorneherein als aussichtslos zu beurteilen, und die Befriedigung der Gläubiger werde durch die Aufschiebung nicht gefährdet. Trotz erschöpfender Aufzählung der Aufschiebungsgründe sei die analoge Anwendung auf gleichartig gelagerte Fälle zulässig. Die Beeinträchtigung des Rechtes zum Erwerb des Eigentums komme dem Eingriff in das Eigentum nahe, gegen das mit Klage nach § 37 EO Abwehr gesucht werde. Ohne Aufschiebung würde die Verfassungsgerichtshofbeschwerde sinnlos. Das Rekursgericht wies infolge des Rekurses zweier betreibender Gläubiger den Antrag der Meistbietenden des ersten Versteigerungstermines ab. Sie sei zwar Beteiligte in diesem Exekutionsverfahren, denn es könne immer noch zur Ausfertigung des Beschlusses kommen, womit ihr der Zuschlag erteilt wurde (§ 10 Abs 5 TirGVG). Der Bescheid der als Kollegialorgan eingerichteten Grundverkehrslandesbehörde sei nur durch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof anfechtbar und habe das Erstgericht mit dem Eintritt der Rechtskraft gebunden. Es sei daher die neuerliche Versteigerung durchzuführen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof habe grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs 1 VerfGG). Die Aufschiebung des Vollzugs des angefochtenen Verwaltungsaktes trete erst ein, wenn der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuerkenne. Dann habe auch das Gericht die Exekution aufzuschieben, ohne daß sonst die Voraussetzungen für die Aufschiebung der Exekution nach § 44 EO zu fordern seien, weil der angefochtene Bescheid im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vorläufig nicht rechtswirksam sei. Vor Abschluß des Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof komme dann ein Vorgehen nach § 10 Abs 2 TirGVG nicht in Betracht. Der erstgerichtliche Beschluß sei aber nach der Sachlage zur Zeit seiner Erlassung zu überprüfen. Zu dieser Zeit sei das Erstgericht an den rechtskräftigen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde gebunden gewesen und habe die Exekution deshalb nicht aufschieben dürfen. Nach der Beschlußfassung eingetretene Umstände könnten nicht beachtet werden. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands S 300.000,- übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der nach § 78 EO iVm § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 2 ZPO idF in der anzuwendenden Fassung (Art XLI Z 5 WGN 1989) zulässige Revisionsrekurs der Meistbietenden nicht berechtigt. Ihre Parteistellung ist zwar nicht in Zweifel zu ziehen, weil ihre rechtliche Position durch die Anordnung und Durchführung der neuerlichen Versteigerung und die Ablehnung ihres Aufschiebungsantrages berührt wird, doch hat das Rekursgericht zutreffend erkannt, daß der angefochtene Aufschiebungsbeschluß nach der Sachlage zur Zeit seiner Erlassung zu überprüfen ist und daß Umstände unberücksichtigt bleiben müssen, die erst nach Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung eingetreten sind (vgl Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1732; Heller-Berger-Stix 649; SZ 28/176; EvBl 1976/112; EFSlg. 34.609 ua). Ob die Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen die zur neuerlichen Versteigerung der Liegenschaft führende Entscheidung der Grundverkehrsbehörde, daß die Eigentumsübertragung an die Meistbietende den Vorschriften des TirGVG widerspricht, einen Aufschub des Verfahrens rechtfertigt, hängt davon ab, ob der Bescheid der Grundverkehrsbehörde am 22. August 1989 rechtskräftig und voll wirksam war. Dies ist der Fall, weil die am 7. August 1989 zur Post gegebene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof keine aufschiebende Wirkung hatte (§ 85 Abs 1 VerfGG) und der bestätigende Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde sonst keinem Rechtszug unterlag. Der Umstand allein, daß die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde noch mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpft werden konnte und bekämpft wurde, kann daher die Aufschiebung des durch das Verfahren nach dem TirGVG ohnedies zum Nachteil der Gläubiger verzögerten Zwangsversteigerungsverfahrens nicht rechtfertigen. Da die Exekutionsaufschiebung selbst dann, wenn gegen den Exekutionstitel Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben wurde, nur unter der Voraussetzung stattzufinden hat, daß der Verfassungsgerichtshofbeschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (SZ 55/120), kann auch hier vor Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine Exekutionsaufschiebung nicht erfolgen.

Erst am 12. September 1989 hat der Verfassungsgerichtshof zu B 886/89-4 dem Antrag der Meistbietenden, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nach § 85 Abs 2 VerfGG Folge gegeben, weil dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die durch diesen Beschluß geschaffene Rechtslage kann jedoch ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot bei der Überprüfung des am 22. August 1989 ergangenen erstgerichtlichen Beschlusses im Rechtsmittelverfahren nicht zugrunde gelegt werden. Zur Zeit der Beschlußfassung des Erstrichters über den Aufschiebungsantrag entfaltete die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde volle Rechtswirkungen, und die damit verbundenen Folgen im Sinne des § 10 Abs 2 bis 5 TirGVG unterlagen keinem Aufschub. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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