OGH 7Ob695/89

OGH7Ob695/8921.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 23.Juni 1988 verstorbenen Johann G***, Geschäftsmann, Wien 6., Kaunitzgasse 1/3/15, vertreten durch Dr.Gerhard Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Norbert K***, öffentlicher Notar, Persenbeug, vertreten durch Dr.Werner Masser, Dr.Ernst Großmann und Dr.Eduard Klingsbigl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 968.964,25 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Juni 1989, GZ 11 R 56/89-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems/Donau vom 9. September 1988, GZ 4 Cg 191/86-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.583,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.097,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 19.November 1980 verkaufte Johann G***

seine Liegenschaft EZ 206 KG Jedlesee mit den Grundstücken

692 Baufläche Haus Nr. 123 und 693 Garten an Georg H*** um

S 2,2 Mill. Der Punkt III des vom Beklagten verfaßten Kaufvertrages

hat folgenden Wortlaut: "1.) Die Käuferseite übernimmt die

grundbücherlich sichergestellten Forderungen der B*** FÜR A*** UND

W*** Aktiengesellschaft mit dem zum 30.November 1980

aushaftenden Gesamtbetrag in der Höhe von S 1,605.220.... in

Anrechnung auf den Kaufpreis zur Selbst- und Alleinzahlung und

verpflichtet sich hiemit ausdrücklich, die Verkäuferseite in

Ansehung sämtlicher übernommenen Forderungen vollkommen schad- und

klaglos zu halten. Zur Besicherung dieser Schuldübernahme

verpflichtet sich die Käuferseite binnen 14 Tagen gegenüber der B***

FÜR A*** UND W*** Aktiengesellschaft eine

Schuldbeitrittserklärung .... abzugeben, eine Bürge- und

Zahlerhaftung im Sinne §§ 1346 ff ABGB .... abzugeben und einen

Wechsel zu unterfertigen. 2.) Der restliche Kaufschilling in Höhe

von S 594.780 .... wurde bei Unterfertigung dieses Kaufvertrages zur

Gänze bar ausbezahlt und bestätigt die Verkäuferseite hiemit unter einem den richtigen Eingang des Betrages." Der Käufer hielt seine Verpflichtung gemäß Punkt III 1.) des Kaufvertrages nicht ein. Johann G*** behauptet, dadurch einen Schaden von S 968.964,25 erlitten zu haben, dessen Ersatz er vom Beklagten begehrt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab. Nach seinen Feststellungen einigten sich Johann G*** und Georg H*** nach Besichtigung des Hauses auf einen Kaufpreis von S 2,2 Mill. Johann G*** setzte Georg H*** davon in Kenntnis, daß die Liegenschaft mit Pfandrechten von rund S 1,6 Mill. zugunsten der B*** FÜR A*** UND W*** Aktiengesellschaft (im folgenden nur B***) belastet ist. Johann G*** und Georg H*** vereinbarten, daß letzterer "die Sache mit der Bank regelt" und Johann G*** die Differenz auf den vereinbarten Kaufpreis bar erhält. Am 21.Oktober 1980 unterschrieb Gerhard H*** auf Briefpapier des Johann G***

folgende Bestätigung: "Herr Georg H*** .... bestätigt den Kauf der Liegenschaft .... von Johann G*** .... zum Preise von

S 2,200.000. Der Kauf ist perfekt und wird bis spätestens 31. Oktober 1980 durch Kaufvertrag erledigt." Der Beklagte wurde von Georg H*** als Vertragsverfasser vorgeschlagen. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt erkundigte sich der Beklagte bei der Zweigstelle Rennweg der B*** telefonisch, welche Unterlagen die Bank verlange, um einer Schuldübernahme durch Georg H*** zuzustimmen. Die Leiterin der Zweigstelle verlangte unter anderem Bilanzen, Einheitswertbescheide, Bescheinigungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der letzten 2 bis 3 Jahre. Mit Schreiben vom 4. November 1980 teilte die B*** dem Beklagten mit, daß der aushaftende Kreditsaldo S 1,605.220 beträgt. Der Punkt III des ersten Vertragsentwurfes des Beklagten lautete: "Der vereinbarte Kaufpreis wird mittels Schuldübernahme und allenfalls Barzahlung berichtigt." Diesen Vertragsentwurf besprach Johann G*** mit dem ihm bekannten Rechtsanwalt Dr.Hermann M***, der eine Änderung des Vertragspunktes III dahin vorschlug, daß der Käufer beim Beklagten als gemeinsam bestellten Treuhänder jenen Betrag erlegt, der zum Stichtag 30.November 1980 für den Pfandgläubiger aushaftet und den Differenzbetrag der Verkäufer bar bei Vertragsunterfertigung erhält. Anläßlich einer Besprechung, deren Datum nicht mehr festgestellt werden konnte, an der der Beklagte, Johann G*** und Georg H*** teilnahmen, erklärte letzterer, es sei nicht nötig, daß er

S 1,6 Mill. beim Beklagten erlege, er verfüge über einen Bausparvertrag von insgesamt S 1,8 Mill., das sei Sicherheit genug. Dieser Äußerung widersprach der Beklagte nicht. Tatsächlich hatte Georg H*** bei der B*** W*** am 10.März 1981 einen Antrag auf Abschluß eines Bausparvertrages über S 1,8 Mill. gestellt. Damit sollte der Liegenschaftskauf finanziert werden. Eine bereits erteilte Finanzierungszusage wurde jedoch von der B*** W*** widerrufen, weil Georg H*** keine

Einzahlungen leistete. Ob der Beklagte wußte, daß Georg H*** über keinen Bausparvertrag verfügte, konnte nicht festgestellt werden. Anläßlich der Unterfertigung des Kaufvertrages am 19.November 1980 kam der Bausparvertrag neuerlich ins Gespräch. Dr.Hermann M*** erklärte dem Johann G***, daß die Unterfertigung des Kaufvertrages riskant ist. Die Bedenken des Dr.M*** wurden durch die Behauptung des Georg H***, über einen Bausparvertrag verfügen zu können, zerstreut. Georg H*** drängte auf einen raschen Vertragsabschluß. Hätte Johann G*** gewußt, daß seine Haftung der Bank gegenüber aufrecht bleibt, hätte er den Vertrag nicht unterfertigt. Die S*** S***, die dem Georg H*** einen Kredit gewährte, überwies dem Beklagten S 594.780 als Treuhänder, die Differenz des Kredites auf S 1 Mill. wurde auf ein Treuhandkonto des Beklagten hinterlegt. Mit dem dem Beklagten überwiesenen Teilbetrag wurde der bar zu entrichtende Kaufpreisteil bezahlt. Mit dem auf dem Treuhandkonto hinterlegten Betrag sollten die Grunderwerbssteuern und Eintragungsgebühren für die gekaufte Liegenschaft und für eine weitere von Roswitha H***-D***, der Ehefrau des Georg H***, gekaufte Liegenschaft bezahlt und die Kosten des Beklagten berichtigt werden. Johann G*** wußte von dieser Kreditaufnahme nichts; auch die Treuhandabwicklung wurde ihm nicht erklärt. Hätte er gewußt, daß Georg H*** den bar zu bezahlenden Kaufpreisteil mittels eines Kredites finanziert, hätte er den Vertragsabschluß hinausgezögert. Mit Schreiben vom 25.Jänner 1981 teilte der Beklagte der B*** unter anderem mit, daß sich die ursprünglich vorgesehene Schuldübernahme verzögert, Johann G*** auf einen Verkauf der Liegenschaft und auf Auszahlung des die Forderung der Bank übersteigenden Kaufpreises gedrängt habe, sodaß schließlich unter den Vertragsparteien eine interne Schuldübernahme vereinbart worden sei. Diese Version sei von sämtlichen Vertragspartnern genehmigt und im Beisein des Anwaltes des Johann G*** auch unterfertigt worden. Georg H*** leistete keine Zahlungen an die B***, sodaß sich diese an Johann G*** hielt, der dann Rückzahlungsraten von monatlich S 44.000 zu leisten hatte. Mit Beschluß vom 18.März 1982 des Kreisgerichtes Korneuburg wurde über das Vermögen des Georg H*** der Konkurs eröffnet. Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von der im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes vom 3.Juni 1986 (ON 16) geäußerten Rechtsansicht aus, wonach Notare, wenn und insoweit sie bei Errichtung und Abwicklung von Verträgen für beide Vertragspartner tätig würden, die Interessen beider Teile wahrzunehmen hätten, selbst wenn sie im übrigen nur Bevollmächtigte eines Teiles seien. Wegen der spezifischen Eigenschaft der Notare als typische Repräsentanten der Kautelarjurisprudenz dürfe jede Partei davon ausgehen, daß Notare solange nicht als Interessenvertreter bloß einer Partei auftreten, als sie dies nicht unzweifelhaft zu erkennen gegeben hätten. Letzteres habe der Beklagte nicht getan. Johann G*** habe daher darauf vertrauen dürfen, der Beklagte werde auch seine Interessen wahren. Das Ausmaß der Belehrung richte sich nach dem gegebenen Bildungs- und Intelligenzgrad, den offenbaren Kenntnissen der Partei und dem Umstand, ob sie bereits durch einen Rechtskundigen vertreten oder beraten sei. Die Belehrung über die rechtliche Tragweite des Rechtsgeschäftes gehöre jedenfalls zu den Amtspflichten des Notars. Der Notar als Vertragserrichter habe nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen und die Vertragspartner darüber entsprechend aufzuklären. Er habe für die rechtlichen und tatsächlichen Sicherheiten zu sorgen und über die Risken der gewählten Vertragsgestaltung aufzuklären. Es sei aber nicht Sache des Notars, sich über die Angemessenheit der Gegenleistung, die Zuverlässigkeit des Vertragspartners, die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile des beabsichtigten Rechtsgeschäftes zu äußern oder Fragen der ausreichenden Sicherheit für die Hypothek zu erörtern. Die Vertretung einer Partei durch einen Rechtsanwalt enthebe den Notar nicht von vornherein von der Belehrungspflicht, doch sei deren Ausmaß, insbesondere in rechtlicher Hinsicht, geringer. Im vorliegenden Fall sei Johann G*** auf die juristischen Risken der Vertragsgestaltung hingewiesen worden. Der Beklagte würde daher für den Schaden des Johann G*** nur dann haften, wenn er die Unwahrheit der Behauptung des Georg H***, er verfüge über einen Bausparvertrag, gekannt und den Verkäufer darauf nicht aufmerksam gemacht hätte. Daß der Beklagte die Unwahrheit der Behauptung des Georg H*** gekannt habe, habe aber nicht festgestellt werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil aus dessen Gründen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Der Beschluß des Erstgerichtes über die Beigebung eines Rechtsanwaltes an die Verlassenschaft zur Erhebung der Berufung (ON 37) ist in Rechtskraft erwachsen, sodaß die Frage, ob der erblasserische Sohn des nach Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz, dem 15.Dezember 1987, verstorbenen Klägers zum Einschreiten namens der Verlassenschaft berechtigt war, nicht mehr zu prüfen ist.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß ein Notar auch bei

der Errichtung von Privaturkunden, wie Kaufverträgen, selbst wenn er

nur vom Käufer zur Errichtung und Durchführung des Kaufvertrages

beauftragt wurde, grundsätzlich die Interessen beider Parteien

wahrzunehmen hat, und den Notar daher eine Belehrungs- und

Aufklärungspflicht beiden Parteien gegenüber trifft, entspricht der

herrschenden Ansicht (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 18 zu

§ 1299 mwN) und wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

Festzuhalten ist hiezu, daß der Notar als Vertragserrichter auf

Willensentschlüsse der Parteien nicht einzuwirken und eine

Willensänderung nicht herbeizuführen hat (Reischauer aaO S. 2219).

Dem Berufungsgericht ist aber auch darin beizupflichten, daß die Vertretung einer Partei durch einen Rechtsanwalt den Notar zwar nicht von vornherein von seiner Belehrungspflicht enthebt, daß aber das Ausmaß in einem solchen Fall geringer ist (Wagner, NO 135). Betraut eine Partei einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen, obliegt es diesem, die Partei über die rechtliche Bedeutung und die wirtschaftlichen Auswirkungen der in Aussicht genommenen Vertragsbestimmungen sowie die allenfalls dagegen bestehenden Bedenken aufzuklären und sie vor allfälligen Nachteilen zu bewahren. Bei Vertretung einer Vertragspartei durch einen Rechtsanwalt treffen den vertragserrichtenden Notar daher Belehrungs- und Aufklärungspflichten nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Im vorliegenden Fall hat Johann G*** nach Errichtung des ersten Vertragsentwurfes durch den Beklagten den Rechtsanwalt Dr.Hermann M*** beigezogen, der auch eine andere Fassung des Punktes III des Entwurfes betreffend die Zahlung des Kaufpreises

vorschlug. Der danach vorgesehene Erlag des zur Tilgung der Pfandschuld erforderlichen Betrages beim Beklagten als Treuhänder wurde vom Käufer schon bei einer der Unterfertigung des Kaufvertrages vorausgehenden Besprechung unter Hinweis auf seinen Bausparvertrag abgelehnt. Vor Unterfertigung des Kaufvertrages wies Dr.Hermann M*** seinen Mandanten darauf hin, daß die Unterfertigung des Vertrages riskant sei, ließ jedoch seine Bedenken durch die Behauptung des Käufers, er verfüge über einen Bausparvertrag, zerstreuen. Bei dieser Sachlage konnte der Beklagte davon ausgehen, daß Johann G*** von seinem Anwalt über die rechtliche Bedeutung der ohne Zustimmung des Gläubigers und damit nicht befreienden Schuldübernahme belehrt und über das damit verbundene Risiko aufgeklärt worden war. Es bestand dann aber kein Anlaß für den Beklagten, Johann G*** darüber aufzuklären. Ebensowenig hatte der Beklagte auf eine weitere Sicherstellung zu dringen und auf die Willensbildung des Johann G*** einzuwirken, wenn sich dessen rechtsfreundlicher Vertreter mit der Behauptung des Käufers über das Vorliegen eines Bausparvertrages begnügte. Richtig hat das Berufungsgericht aber auch erkannt, daß der Beklagte sorgfaltswidrig gehandelt hätte, wenn er in Kenntnis der Unrichtigkeit der Behauptung des Käufers über die Existenz eines Bausparvertrages den Verkäufer bzw. dessen Vertreter darüber nicht aufgeklärt hätte. Daß der Beklagte die Unrichtigkeit der Behauptung kannte, konnte aber nicht festgestellt werden. Unberechtigt ist der Vorwurf, das Berufungsgericht habe die Frage der Beweislastverteilung unrichtig gelöst. Die Beweislast für das Vorliegen einer Sorgfaltswidrigkeit eines Rechtsanwalts oder Notars trifft denjenigen, der daraus Ansprüche ableitet (Reischauer aaO Rz 25 zu § 1298). Die klagende Partei hätte daher beweisen müssen, daß der Beklagte die Unrichtigkeit der Behauptung des Käufers kannte. Die negative Feststellung geht somit zu ihren Lasten. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZP0.

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