OGH 15Os136/89 (15Os137/89)

OGH15Os136/89 (15Os137/89)5.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lassmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf M*** wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 vierter, fünfter und sechster Fall SGG, AZ 15 Vr 67/88 des Landesgerichtes Klagenfurt, 1. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und 2. über die Beschwerde des Angeklagten (zu 1.) gegen das Urteil sowie (zu 2.) gegen den Beschluß dieses Gerichtes als Schöffengericht, jeweils vom 5. Juni 1989, ON 35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und der Verteidigerin Dr. Prokopp, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (im vollen Umfang) und des Angeklagten (teilweise) werden

1. das angefochtene Urteil, welches im (in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebrachten) Freispruch vom Anklagevorwurf der Überlassung von Cannabisharz an Engelbert E***, Johann W***, Helmut R*** und Christian J*** (in Pkt 1.b des Anklagetenors) unberührt bleibt, im (gleichfalls in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebrachten) Freispruch von der Anklage laut Pkt 1.c des Anklagetenors, im gesamten Schuldspruch (laut den Pkten 1.a, b, 2.) und im Strafausspruch sowie demzufolge auch

2. der angefochtene Beschluß

aufgehoben; insoweit wird

A. zu Pkt 1.b des Urteilssatzes nach § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

"Rudolf M*** wird vom Vorwurf, er habe in der Zeit von November/Dezember 1986 bis August 1987 im Bezirk Völkermarkt außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider dem Felix K*** wiederholt Suchtgift, und zwar eine unbekannte Menge Cannabisharz und Cannabiskraut, überlassen und er habe hiedurch das Vergehen nach § 16 Abs. 1 sechster Fall SGG begangen, mangels Anklage freigesprochen." sowie

B. die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im übrigen Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes Klagenfurt zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie gegen den Schuldspruch laut Pkt 1.b des Urteilssatzes gerichtet ist, und ferner, soweit er damit einen formellen Freispruch vom Anklagevorwurf laut Pkt 1.c des Anklagetenors anstrebt, sowie mit seiner Berufung und mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen; soweit er mit der Nichtigkeitsbeschwerde einen formellen Freispruch vom Anklagevorwurf laut Pkt 1.b des Anklagetenors im eingangs bezeichneten Umfang anstrebt, wird dieses Rechtsmittel verworfen.

Text

Gründe:

Von der Staatsanwaltschaft wurde dem Angeklagten Rudolf M*** als Vergehen nach § 16 Abs. 1 vierter, fünfter und sechster Fall SGG zur Last gelegt, er habe in Völkermarkt und anderen Orten außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

1. anderen überlassen, und zwar (a) in der Zeit von 1985 bis etwa September 1987 dem Johann S*** wiederholt insgesamt ca. 80 Gramm Cannabisharz, (b) im selben Zeitraum wiederholt dem Johann S***, dem Engelbert E***, dem Johann W*** sowie (unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Z 1 SGG) dem Helmut R*** und dem Christian J*** jeweils geringe Mengen Cannabisharz und (c) in der Zeit von November/Dezember 1986 bis August 1987 gemeinsam mit den abgesondert Verfolgten Johann W*** und Felix K*** dem Engelbert E*** wiederholt eine unbekannte Menge Cannabisharz und Cannabiskraut, sowie

2. in der Zeit von 1985 bis etwa September 1987 mindestens ca. 100 Gramm Cannabisharz und eine unbekannte Menge Cannabiskraut erworben und jeweils bis zum Eigenkonsum oder bis zur Weitergabe besessen.

Mit dem angefochtenen Urteil wurde er entsprechend den Pkten 1.a und 2. der Anklageschrift schuldig erkannt (Pkte 1.a und 2. des Urteilssatzes), wobei in den zuerst relevierten Schuldspruch auch das unter Pkt 1.b der Anklageschrift gesondert inkriminiert gewesene Überlassen von Cannabisharz an S*** zum sofortigen Konsum einbezogen wurde (US 4); das ihm unter Pkt 1.b der Anklageschrift zudem angelastete Überlassen von Cannabisharz an E***, W***, R*** und J*** zum sofortigen Verbrauch hingegen sowie das ihm unter Pkt 1.c der Anklageschrift vorgeworfene Überlassen von Cannabisharz und Cannabiskraut an E*** vermochte das Erstgericht im Zweifel zu seinen Gunsten nicht als erwiesen anzunehmen (US 4/5). Wohl aber verurteilte es ihn, ohne daß in jene Richtung hin eine Anklage vorlag, auch wegen des wiederholten Überlassens einer unbekannten Menge Cannabisharz und Cannabiskraut in der Zeit von November/Dezember 1986 bis August 1987 an K*** (Pkt 1.b des Urteilssatzes).

Die dem Schöffengericht insoweit, also beim Schuldspruch-Faktum 1.b, unterlaufene Anklageüberschreitung (§ 281 Abs. 1 Z 8 StPO) war in Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft (zugunsten des Angeklagten) ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde im Weg einer sinngemäßen Anwendung der §§ 259, 349 Abs. 1 StPO mit Freispruch zu beheben (vgl. EvBl. 1979/217, 15 Os 39,40/89 ua); darauf war der Angeklagte mit seiner gegen diesen Schuldspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Durch die Ablehnung seiner Verurteilung laut den Pkten 1.b in bezug auf das Überlassen von Cannabisharz an E***, W***, R*** und J*** sowie 1.c der Anklageschrift in den Entscheidungsgründen mangels eines zweifelsfrei zu erbringenden Schuldnachweises hat das Erstgericht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß es ihn in jenem Umfang der Sache nach von der Anklage freisprach; die Nichtaufnahme dieses Freispruchs in den Urteilstenor bedeutet zwar einen formellen Verstoß gegen § 259 StPO, doch ist ein derartiger Formalfehler nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO2 § 259 ENr. 4, § 281 Z 7 ENr. 8, 9). Die dagegen remonstrierende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher, soweit sie den zuerst relevierten, von der Anklagebehörde nicht angefochtenen und demgemäß in Rechtskraft erwachsenen Teil des Freispruchs (zum Anklage-Faktum 1.b) betrifft, zu verwerfen. Mit Beziehung auf den Freispruch zum Anklage-Faktum 1.c hingegen war der Angeklagte auf die Erledigung der jene Entscheidung bekämpfenden Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verweisen. Diese rügt nämlich die hiefür maßgebend gewesene Urteilsannahme (US 4/5), daß die Zeugin B*** bei der Gendarmerie (S 25) nicht E***, sondern K*** als Empfänger des vom Angeklagten weitergegebenen Suchtgifts bezeichnet habe, mit Recht als aktenwidrig (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO), sodaß insoweit in Stattgebung ihres Rechtsmittels die Erneuerung des erstinstanzlichen Verfahrens, und zwar in sinngemäßer Anwendung des § 288 Abs. 2 Z 3 StPO beim funktionell zuständigen Einzelrichter (§ 8 Abs. 3 erster Satz StPO nF), anzuordnen war, ohne daß es einer Erörterung der darauf bezogenen weiteren Beschwerdegründe bedarf.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte hinwieder beschwert sich mit Fug über jene Aktenwidrigkeit (Z 5) der Urteilsbegründung, wonach auch vom Zeugen S*** vor Gericht (S 145/133) bestätigt worden sei, daß S*** seine den Beschwerdeführer belastenden Angaben bei der Gendarmerie - entgegen seiner Darstellung in der Hauptverhandlung, mit der er sie im Hinblick auf eine seinerzeit bei ihm vorgelegene "seelisch schlechte Verfassung" widerrief - "von sich aus und aus freien Stücken ohne Zwang getätigt" habe (US 5).

Dieser Begründungsmangel erstreckt sich auf die Schuldspruch-Fakten 1.a sowie 2. und erfordert deswegen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Schöffengericht gerade darum das hier inkriminierte Tatverhalten als erwiesen annahm (§ 281 Abs. 3 StPO), auch im davon betroffenen Umfang die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung, wobei sich ein Eingehen auf die übrigen hiezu erhobenen Beschwerdeeinwände gleichfalls erübrigt. Dahin war demnach der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten stattzugeben. Durch die Aufhebung des Schuldspruchs (sowie eines Teiles des Freispruchs) wurde nicht nur dem Strafausspruch, sondern auch dem bekämpften Widerrufsbeschluß (§ 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) der Boden entzogen; auch insoweit war daher kassatorisch zu erkennen und der Angeklagte mit seiner Berufung sowie mit seiner Beschwerde darauf zu verweisen.

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