OGH 5Ob621/89

OGH5Ob621/8921.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö*** (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei V*** K*** AG, Bregenz, Waidachstraße 6, vertreten durch

Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 1,000.000,-- S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9. Juni 1989, GZ. 3 R 145/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. Juni 1988, GZ. 4 Cg 152/88-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 18.667,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 3.111,30 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Enteignungsbescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 4. August 1976 wurden aus einer im Eigentum der beklagten Partei stehenden Liegenschaft für Zwecke des Ausbaues der Rheintalautobahn A 14 verschiedene Grundstücke in das Eigentum der klagenden Partei übertragen bzw. durch Dienstbarkeiten zugunsten der klagenden Partei belastet. Dieser Bescheid wurde der klagenden Partei am 16. August 1976 und der beklagten Partei am 17. August 1976 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. In diesem Bescheid wurde die von der klagenden Partei an die beklagte Partei zu leistende Entschädigung mit insgesamt 37,655.699,50 S festgesetzt (Spruchteil B) und der klagenden Partei aufgetragen, diesen Betrag binnen 2 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides und vor Inanspruchnahme der enteigneten Grundflächen an die beklagte Partei zu zahlen (Spruchteil C). Die Auszahlung des festgesetzten Entschädigungsbetrages erfolgte in drei Teilbeträgen fristgemäß im Oktober 1976. Die enteigneten Liegenschaften wurden der klagenden Partei übergeben und im Zuge des Autobahnbaues verbaut bzw. im Sinne der eingeräumten Dienstbarkeiten belastet.

Am 18. August 1977 langte beim Bezirksgericht Bregenz zu 1 Nc 101/77 ein Antrag der hier klagenden Partei auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung ein. Das Bezirksgericht Bregenz wies diesen Antrag mit Beschluß vom 9. Juni 1981 zurück, weil die aufgrund des Enteignungsbescheides erfolgte Zahlung der Entschädigung in Verbindung mit der Übergabe der enteigneten Liegenschaften als vertragliche Vereinbarung zu qualifizieren sei, die einen Antrag nach § 20 Abs. 3 und 5 BStG ausschließe. Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht gab mit Beschluß vom 15. September 1981 dem Rekurs der dortigen Antragstellerin (der hier klagenden Partei) Folge, hob den bekämpften Beschluß auf und trug dem Bezirksgericht Bregenz eine meritorische Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Mit Entscheidung vom 25. November 1981 gab der Oberste Gerichtshof dem Revisionsrekurs der dortigen Antragsgegnerin (der hier beklagten Partei) keine Folge (veröffentlicht in JBl. 1983, 93). Mit ihrer am 16. Mai 1988 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei primär die Verpflichtung der beklagten Partei, einen Betrag von 1 Mill. S samt Anhang bei Gericht zu hinterlegen. Eventualanträge gehen auf Zahlung eines Betrages in dieser Höhe an die klagende Partei bzw. auf Zahlung Zug um Zug gegen gerichtlichen Erlag. Ein nach dem Enteignungsbescheid eingeholtes Privatgutachten habe den Gesamtentschädigungsbetrag mit 2,164.879,37 S beziffert. Durch den Neufestsetzungsantrag gemäß § 20 Abs. 3 BStG, über den bisher noch nicht entschieden worden sei, sei die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft getreten und damit der Rechtstitel für die Zahlung der klagenden Partei in Wegfall gekommen. Gemäß § 20 Abs. 4 BStG hätte die klagende Partei die Enteignungsentschädigung gerichtlich erlegen müssen. Somit habe die klagende Partei gegenüber der beklagten Partei einen Anspruch auf gerichtlichen Erlag dieses Betrages. Aus Gründen der advokatorischen Vorsicht werde unter ausdrücklichem Vorbehalt der späteren Ausdehnung vorerst nur der gerichtliche Erlag eines Teilbetrages von 1 Mill. S gefordert. Der Anspruch werde auf die Bestimmungen der §§ 1431 ff. ABGB i.V.m. § 20 Abs. 3 und 4 BStG sowie auf jeden anderen erdenklichen Rechtsgrund gestützt.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei im Sinne des Hauptbegehrens zur gerichtlichen Hinterlegung eines Betrages von 1 Mill. S samt Zinsen.

Das Berufungsgericht wies sowohl das Hauptbegehren als auch die Eventualbegehren der klagenden Partei ab.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision mangels Beschwer zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus nachstehenden Erwägungen mangels Beschwer zurückzuweisen:

Durch Einsichtnahme in den Akt 1 Nc 101/77 des Bezirksgerichtes Bregenz wurde festgestellt, daß die Parteien dieses Verfahrens sowie des gegenständlichen Verfahrens am 22. November 1988 einen bis 20. Dezember 1988 widerrufbaren, jedoch nach der Aktenlage nicht widerrufenen Vergleich geschlossen haben, wonach sich die beklagte Partei (die Antragsgegnerin des Neufestsetzungsverfahrens) bei sonstiger Exekution verpflichtete, der klagenden Partei (der Antragstellerin des Neufestsetzungsverfahrens) bis spätestens 31. Dezember 1988 einen Betrag von 14,400.000 S zu zahlen; dieser Betrag gilt als Rückzahlung einer Entschädigungssumme von 11,400.000 S im Enteignungsverfahren und als Vergütung für Zinsen in der Höhe von 3 Mill. S (Punkt 1 des Vergleiches). Damit sind alle zwischen den Parteien bestehenden Ansprüche betreffend das Enteignungsverfahren ausgeglichen (Punkt 2 des Vergleiches). In Punkt 5 des Vergleiches wird festgestellt, daß beim Landesgericht Feldkirch zu 4 Cg 152/88 noch ein Verfahren zwischen den Parteien, nämlich das gegenständliche, anhängig ist; gleichgültig, wie dieses Verfahren ausgeht, werden die Parteien wechselseitig keine Ansprüche gegeneinander geltend machen.

Mit Rücksicht auf diesen Vergleich, insbesondere auf dessen Punkt 5, ist die klagende Partei durch die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht beschwert. Es ist nicht ersichtlich und wird auch von der klagenden Partei nicht dargetan, inwiefern sich die Rechtslage der klagenden Partei durch eine meritorische Erledigung der Revision zu ihren Gunsten ändern würde. Nach ständiger Rechtsprechung (EvBl. 1988/100 mwN ua.) setzt aber jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus, die zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen muß; es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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