Spruch:
1. Die Revisionsrekursbeantwortung der verpflichteten Partei und der Maria P*** (Zweitbeklagte im Prozeß), wird zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der betreibende Gläubiger war Angestellter der verpflichteten Partei. Er wurde am 15. Jänner 1986 zum 1. Februar 1986 gekündigt und mit 18. Jänner 1986 überdies fristlos entlassen. Er bekämpfte die Entlassung als ungerechtfertigt und die Kündigung als nicht zeitgerecht und begehrte ausgehend vom vereinbarten Bruttomonatsgehalt von 35.314,80 S den für die Zeit vom 1. Dezember 1985 bis 31. März 1986 zustehenden Lohn in Höhe von vier Monatsgehältern nebst anteiligen Sonderzahlungen, ferner das Entgelt für im Dezember 1985 und Jänner 1986 geleistete Überstunden nebst anteiligen Sonderzahlungen und eine Urlaubsabfindung. Das Erstgericht sprach der betreibenden Partei folgende Bruttobeträge zu:
- a) "Lohn 1. 12. 1985 bis 15. 1. 1986 bzw.
Kündigungsentschädigung 16. 1. bis
28. 2. 1986" 105.944,40 S
b) anteilige Sonderzahlungen hieraus 17.657,40 S
c) Überstunden Dezember 1985 40.222,80 S
d) Überstunden Jänner 1986 8.879,73 S
e) anteilige Sonderzahlungen für
Überstunden 24.551,26 S
f) Urlaubsabfindung 6.399.48 S
das sind zusammen 203.655,07 S,
wobei hievon eine von der verpflichteten Partei zugunsten der betreibenden Partei geleistete Zahlung von 4.200 S netto abzuziehen ist.
Die betreibende Partei beantragte vor Eintritt der Rechtskraft des Ersturteils zur Hereinbringung aller zugesprochenen Beträge und der Prozeßkosten erster Instanz die Pfändung und Überweisung einer Forderung.
Das Erstgericht bewilligte die Pfändung.
Die verpflichtete Partei bekämpfte den Exekutionsbewilligungsbeschluß hinsichtlich des 105.944,40 S brutto abzüglich 4.200 S netto übersteigenden Betrages sowie hinsichtlich des 55.776,75 S übersteigenden Betrages an Prozeßkosten. Das Gericht zweiter Instanz änderte den Exekutionsbewilligungsbeschluß des Erstgerichtes dahin ab. daß der Antrag auf Forderungspfändung zur Hereinbringung eines 105.944,40 S sA brutto abzüglich 4.200 S netto und 55.776,75 S an Prozeßkosten übersteigenden Betrages abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß die Vollstreckbarkeit gemäß § 61 Abs 1 ASGG nur für den am 15. Jänner 1986 rückständigen Arbeitslohn, nicht aber für die Kündigungsentschädigung und die Urlaubsabfindung gegeben sei. Bei den Positionen a), b) und e) seien rückständiges Arbeitsentgelt und Kündigungsentschädigung ununterscheidbar vermengt, so daß auch diese Beträge von der vorzeitigen Vollstreckbarkeit ausgenommen werden müßten. Die Vollstreckbarkeit bestehe daher nur für die Positionen
c) und d), nämlich die offenen Überstunden von zusammen 49.102,53 S, also für weniger als den in Rechtskraft erwachsenen Teilbetrag, sowie (hier wurde dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht stattgegeben) für die hinaus zugesprochenen Zinsen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt. Gemäß § 61 Abs 1 Z 2 ASGG ist das erste Urteil des Gerichtes erster Instanz unter anderem in Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückständige laufende Arbeitsentgelt noch vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar.
Als rückständiges laufendes Arbeitsentgelt im Sinne dieser Bestimmung kann nur das Entgelt für diejenige Zeit verstanden werden, in der der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeit schon erbracht hat und daher einen Lohnanspruch unabhängig von der Frage der Berechtigung der ausgesprochenen Entlassung oder Kündigung hat. Die sogenannte Kündigungsentschädigung (mag sie auch rechnerisch auf der Basis des Lohnes berechnet werden, der zu bezahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer Arbeitsleistungen noch für eine längere Zeit erbracht hätte) und auch die Urlaubsabfindung fallen nicht unter diesen Begriff.
Der erkennende Senat schließt sich hier der Auffassung von Kuderna (ASGG-Kommentar Rz 11 zu § 61 und DRdA 1988, 89 Ä104Ü) und Schrank (RdW 1985, 154 Ä155 Anm 4Ü) an.
Dem Vorschlag von Konecny (ZAS 1985, 155 Ä160Ü), die Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 2 ASGG analog auch für die Kündigungsentschädigung anzuwenden, wird hingegen nicht beigetreten. Abgesehen vom klaren Wortlaut des Gesetzes ("bei Beendigung .... rückständig") ist nicht erkennbar, daß der Anspruch auf Kündigungsentschädigung im gleichen Maße schutzwürdig wie ein rückständiger Lohn sei. Immerhin muß der Arbeitnehmer während des Zeitraumes, für den die Kündigungsentschädigung gebührt, keine Arbeitsleistung erbringen und er kann einem anderen Erwerb nachgehen oder sich zumindest erholen, sodaß es nicht erforderlich ist, für die Kündigungsentschädigung denselben Maßstab anzulegen wie für den rückständigen Lohn. Gleiche Erwägungen gelten für die Urlaubsabfindung.
Als Ausnahmebestimmung ist § 61 ASGG eng auszulegen. Es geht daher nicht an, unter diese Bestimmung alles einzuordnen, was im Sinne der Rechtsmittelausführungen der betreibenden Partei "im weitesten Sinn" noch als Arbeitsentgelt verstanden werden könnte. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung ist eben noch nicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückständig, sondern er entsteht erst durch die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aus der Ablehnung einer Analogie ergibt sich auch schon, daß kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegt, weil sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebührenden Lohnansprüche und der für die darüber hinausgehende Zeit gebührenden Ansprüche bestehen. Der Unterschied liegt vor allem darin, daß der Arbeitnehmer im Falle einer rechtmäßig herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Regel bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Arbeitsleistungen zu erbringen hat, während eine solche Arbeitsleistung in dem Zeitraum, für den zB die Kündigungsentschädigung gebührt, fehlt, mag dies auch nur aus dem Verschulden des Arbeitgebers geschehen. Was den Umfang der Geltung des § 61 ASGG anlangt, ist damit die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz zutreffend. Richtig ist aber auch der weitere Ansatz der zweiten Instanz, daß sich der Umfang der vorzeitigen Vollstreckbarkeit nach § 61 ASGG aus dem Exekutionstitel ergeben muß. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 7 Abs 1 EO, wonach die Exekution nur bewilligt werden darf, wenn aus dem Exekutionstitel ua der Umfang der geschuldeten Leistung zu entnehmen ist. Alle sich aus dem Exekutionstitel ergebenden Unklarheiten bezüglich des Umfanges der geschuldeten Leistung gehen zu Lasten der betreibenden Partei (JBl 1958, 98 uva).
Wenn ein Urteil, das ausnahmsweise nicht erst nach dem Eintritt der Rechtskraft, sondern iSd § 61 ASGG sofort vollstreckbar sein soll, über Ansprüche ergeht, die nur zum Teil unter die Begünstigung des § 61 ASGG fallen, muß daher aus dem Urteil auch hervorgehen, welcher Teil der zugesprochenen Beträge "rückständiges laufendes Arbeitsentgelt" ist. Schon im Spruch muß daher angeführt werden, welcher Teil des zugesprochenen Betrages nach § 61 ASGG vorzeitig vollstreckbar ist. Wenn der Spruch hier keine Auskunft gibt, mag es ausreichen, wenn der sofort vollstreckbare Betrag in den Entscheidungsgründen dargestellt wird. Nur so läßt sich aber die neue Bestimmung in der Praxis handhaben.
Der Einwand der betreibenden Partei, dies sei nicht praktikabel, weil dann schon in der Klage aufgeschlüsselt werden müsse, bis zu welchem Zeitpunkt rückständiger Lohn gebühre, ist nicht berechtigt. Eine solche Aufschlüsselung ist im Gegenteil das einzig Sinnvolle, weil dann keine Unklarheit darüber entstehen kann, was sofort vollstreckbar sein soll. Es trifft nicht zu, daß ein Urteil ohne eine solche Aufschlüsselung nicht exequierbar wäre; denn nach dem Eintritt der Rechtskraft kann ohnedies der gesamte dann als berechtigt festgestellte Betrag betrieben werden. Wer aber in den Genuß der Begünstigung einer vorzeitigen Exekution kommen will, muß dafür Sorge tragen, daß im Exekutionstitel die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Weshalb die Bestimmung des § 61 ASGG ins Leere gehen würde, wenn der dargelegte exekutionsrechtliche Grundsatz angewendet wird, ist nicht erkennbar. Einerseits gibt es Fälle, in denen kein Zweifel darüber bestehen kann, daß der gesamte zugesprochene Betrag unter die Bestimmung des § 61 ASGG fällt. Andererseits ist es für einen Kläger nicht unzumutbar, schon bei der Formulierung seines Klagebegehrens die erwähnte Aufschlüsselung vorzunehmen.
Von einer übertriebenen Formstrenge kann hier nicht die Rede sein. Es darf vielmehr auch der Rechtsschutz für die verpflichtete Partei nicht außer acht gelassen werden. Sie soll schon aus dem Urteilsspruch entnehmen können, was sie sofort bezahlen muß, um sich die Kosten einer Exekutionsführung nach § 61 ASGG zu ersparen. Desgleichen ist an den Fall der Bewilligung der Exekution durch das Exekutionsgericht oder den Rechtspfleger des Titelgerichts zu denken, denen die schwierige Problematik der Einordnung einzelner nicht schon im Exekutionstitel klar zugeordneter Teilbeträge unter die Bestimmung des § 61 ASGG nicht aufgebürdet werden darf. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78 EO und 40 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung der verpflichteten Partei und deren am Exekutionsverfahren gar nicht beteiligten Komplementärin ist nicht zulässig, weil mangels Vorliegens eines Falles nach § 521 a ZPO oder § 402 Abs 1 EO kein zweiseitiges Rekursverfahren vorliegt. Bei der Komplementärin fehlt es überdies an der Parteistellung im Exekutionsverfahren.
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