OGH 10ObS361/89

OGH10ObS361/897.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Norbert Bartholomay in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann R***, 7535 Güttenbach 118, vertreten durch Dr.Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr.Erich Proksch, Dr.Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Juli 1989, GZ 32 Rs 159/89-56, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Februar 1989, GZ 16 Cgs 1344/87-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beim Kläger besteht eine schwere körperliche Mißbildung seit Geburt. Seine Daumen sind nicht vorhanden, die übrigen Finger sind nicht frei beweglich, die Endglieder des fünften Fingers fehlen. Die Griffähigkeit ist erheblich beeinträchtigt, es besteht eine rechtwinkelige Abwinkelung der Hände gegenüber den Unterarmen, in den Unterarmen fehlen die Speichen. Daher ist auch die Drehbewegung der Arme aufgehoben. Handarbeit ist dem Kläger nicht möglich. Er leidet an Klumpfüßen beiderseits, an einer Behinderung am unteren Sprunggelenk rechts mehr als links sowie an einer Bandlockerung. Es besteht eine Seitenverbiegung der Wirbelsäule. Außerhalb seines erlernten Berufes (Einzelhandelskaufmann) kann der Kläger Arbeiten leichter Natur mit wechselnder Körperhaltung durchführen, sofern sie nicht mit Fingerfertigkeit zu tun haben. Der Kläger weist eine gute praktische Intelligenz auf, sodaß er von seiner geistigen Kapazität her durchaus eine Lehre schaffen könnte. Er hat bei seinem Onkel Gottfried R*** die Lehre als Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. Die Lehrausbildung war ausschließlich durch Entgegenkommen des Gottfried R*** möglich, der beabsichtigte, den Kläger nach Lehre jedenfalls zu kündigen. Im dritten Lehrjahr hat sich der Gesundheitszustand des Klägers verschlechtert. Auf Grund seiner Behinderung wurde er offenbar von den Kunden nicht ernst genommen und es entstand bei ihm ein psychischer Druck. Seit dem Jahreswechsel 1987/88 liegt beim Kläger ein depressives Bild mit Krankheitswert vor. Er ist gehemmt, antriebs- und kontaktvermindert und depressiv verstimmt. Er ist gereizt und abwehrend. Es finden sich auch Zeichen einer latenten Suizidalität. Seit 1.1.1988 kann der Kläger keine geregelten Arbeiten mehr durchführen. Eine Besserung wäre zwar grundsätzlich möglich, läßt sich jedoch nicht vorhersagen. Auf Grund seines äußeren Erscheinungsbildes, seiner eingeschränkten Bewegungsfähigkeit, der eingeschränkten Belastungsfähigkeit und seiner eingeschränkten geistigen und intelligenzmäßigen Leistung war der Kläger auch vor dem 1.1.1988 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht arbeitsfähig. Eine Arbeitsfähigkeit war nie vorhanden.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Begehren des Klägers auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab 1.1.1988 (Einschränkung im zweiten Rechtsgang) ab. Folgend der dem Obersten Gerichtshof im ersten Rechtsgang überbundenen Rechtsansicht führte es aus, daß die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht vorliegen, weil der Kläger nie in der Lage gewesen sei, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Er habe wohl die Lehre als Einzelhandelskaufmann abgeschlossen, dies jedoch nur auf Grund des besonderen Entgegenkommens seines Lehrherrn, eines Verwandten. Tatsächlich sei er jedoch nie arbeitsfähig gewesen. Seine Arbeitsfähigkeit sei daher nicht herabgesunken, sodaß die Voraussetzungen des § 273 ASVG nicht erfüllt seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und trat der Beweiswürdigung des Erstgerichtes bei. Da die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, habe eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes nicht zu erfolgen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die in der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel waren bereits Gegenstand der Berufungsausführungen. Wie der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, kann auch in Sozialrechtssachen ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, mit Revision nicht geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32, 2/19, 24).

Der Berufungswerber macht geltend, die Vorinstanzen seien zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger während der Lehre zu körperlichen Tätigkeiten nicht verwendet worden sei, sowie daß ihm die Tätigkeit eines Portiers oder Aufsichtsorganes nicht möglich gewesen sei und vertritt den Standpunkt, daß am allgemeinen Arbeitsmarkt eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung gestanden wäre, deren Anforderungen der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Behinderung bis zum 1.1.1988 zu entsprechen in der Lage gewesen sei. Erst durch die zu diesem Zeitpunkt eingetretene Verschlechterung im psychischen Bereich sei der Kläger außerstande gesetzt worden, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Damit seien die Voraussetzungen für die begehrte Leistung ab diesem Zeitpunkt erfüllt, weil der Kläger ursprünglich arbeitsfähig gewesen sei, seine Arbeitsfähigkeit jedoch durch eine nach Eintritt in das Berufsleben eingetretene Verschlechterung herabgesunken sei. Alle diese Ausführungen der Berufung stellen sich als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar. Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Vorinstanzen, daß er bezogen auf die Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nie arbeitsfähig war. Eine Überprüfung dieser Feststellung ist dem Revisionsgericht jedoch verwehrt.

Abgesehen davon, daß bereits die Rechtsrüge der Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt war und schon aus diesem Grund der Rechtsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht geltend gemacht werden kann (SSV-NF 1/28), wird auch in der Revision der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nur benannt, jedoch in keinem Punkt ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen ausgeführt. Eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung ist daher ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte