OGH 4Ob596/89

OGH4Ob596/897.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Arch. Ing. Rupert H***, Ziviltechniker, Radstadt, Matthäus-Lang-Gasse 10, vertreten durch Dr. Bertram Maschke, Rechtsanwalt in Radstadt, wider die beklagte Partei T***-A*** Gesellschaft mbH, Wien 1., Rotenturmstraße 5-9, vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1989, GZ. 21 R 156/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Radstadt vom 22. Februar 1989, GZ. C 1752/88d-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 140 KG Untertauern mit dem Grundstück Nr. 513/6. Dieses Grundstück liegt im Zentrum von Obertauern und gleichzeitig unmittelbar an der durch das Ortszentrum führenden Katschberg-Bundesstraße. Mit "Pachtvertrag" vom 29. März/16. April 1963 gab der Kläger einen Streifen des Grundstücks neben der Bundesstraße sowie zwei Räume von rund 75 m2 im Erdgeschoß eines auf dem Grundstück zu errichtenden Gebäudes der prot. Firma Franz R*** zum Zweck der Errichtung und des Betriebes einer Tankstelle in Bestand. In diesem Vertrag wurde die Dauer des Bestandverhältnisses mit 25 Jahren - nämlich vom 1. April 1963 bis zum 1. April 1988 - festgelegt und vereinbart, daß nach Ablauf dieser Frist beide Teile berechtigt seien zu entscheiden, ob sie den Vertrag jeweils unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist zum Ablauf eines Kalenderjahres aufkündigen oder fortsetzen wollten. Um die bau- und gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung der Tankstelle suchte der Kläger an. Den gesamten Aufwand für die Errichtung, Erneuerung und Erhaltung der Tankstelle trug die Firma R***; die Errichtung des Gebäudes, in dem die in Bestand gegebenen Räume untergebracht sind, erfolgte zur Gänze auf Kosten des Klägers.

Zunächst waren die Zapfsäulen der Tankstelle neben der Wand des Gebäudes aufgestellt; der Firma R*** stand der unmittelbar anschließende Raum (Tankwartraum) und wahrscheinlich auch der links anschließende weitere Raum zur Verfügung. Vor 10 bis 15 Jahren wurde - auf Kosten der Firma R*** - die Tankstelle umgebaut; die Zapfsäulen wurden auf eine eigene Insel verlagert und die Tankstelle überdacht. Der Kläger baute zur gleichen Zeit das schon beim Abschluß des Bestandvertrages im Rohbau hergestellt gewesene Kellergeschoß aus und gestaltete die bereits vorhandene erste Raumzeile unmittelbar im Anschluß an die Tankstelle um. Einverständlich wurde damals die Überlassung der Räume an die Firma R*** dahin geändert, daß sie den mittleren und den - von vorne gesehen - linken Raum unmittelbar im Anschluß an das Tankstellengelände sowie den hinter dem Tankraum gelegenen und über diesen erreichbaren Magazinraum erhielt. Die Firma R*** und die Beklagte, die im Jahre 1982 die Firma R*** und damit auch die vorliegende Tankstelle übernahm, benützten den linken Raum nie selbst, sondern gaben ihn in Unterbestand.

Seit der Übernahme der Tankstelle durch die Beklagte war diese immer verpachtet. Seit etwa 2 Jahren ist Harald S***, der Eigentümer des unmittelbar neben dem Hotel des Klägers befindlichen Hotels S***, Pächter. Durch den Verkauf von Treibstoffen und Schmierölen erzielte Harald S*** im Jahre 1988 aus der Tankstelle einen Rohertrag von rund S 200.000, durch den Verkauf von Kraftfahrzeugzubehör aller Art und Serviceleistungen einen weiteren Rohertrag von rund S 100.000, durch den Verkauf von Lichtbildern im Tankstellengebäude rund S 25.000 und durch den Verleih von Videokassetten etwa S 20.000. Im Tankwartraum der Tankstelle ist während der Wintersaison der Stützpunkt des ÖAMTC-Pannenfahrers und des Roten Kreuzes untergebracht. Für die Unterbringung dieses Stützpunktes und die zu erbringenden Leistungen zahlt die Obertauern-Fremdenverkehrsanlagen AG jährlich Harald S*** S 20.000. Unter Hinweis auf den Ablauf der Frist von 25 Jahren kündigte der Kläger der Beklagten das Bestandverhältnis zum 31. Dezember 1989 auf.

Gegen die ihr am 13. Dezember 1988 zugestellte gerichtliche Aufkündigung vom 12. Dezember 1988 erhob die Beklagte Einwendungen. Auf den vorliegenden Mietvertrag seien die Kündigungsschutzbestimmungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden, weil (auch) Räumlichkeiten Gegenstand des Vertrages seien. Da der Kläger entgegen § 33 Abs. 1 MRG keine Kündigungsgründe angeführt habe, sei die Aufkündigung nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Der Erstrichter erkannte die Aufkündigung für wirksam und verurteilte die Beklagte, den Bestandgegenstand bis längstens 31. Dezember 1989 dem Kläger geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben. Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag sei als Mietvertrag zu werten. Da er bei seinem Abschluß den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterlegen sei, habe dieser Schutz nach § 49 MRG (nur) bis zum 31. Dezember 1986 weitergegolten. Der Bestandvertrag falle aber auch nicht unter das Mietrechtsgesetz, weil das wirtschaftliche Hauptgewicht auf dem Betrieb der Tankstelle und damit auf der Nutzung des Bodens liege. Die gegenteilige Auffassung F. Bydlinskis in JBl. 1984, 241 f. und des Obersten Gerichtshofes (SZ 57/194; MietSlg. 36.235/28) sei abzulehnen, weil es darauf ankomme, "ob die wirtschaftliche Hauptsache des Bestandvertrages auf der Nutzung des Bodens oder der darauf errichteten Superädifikate liege". Im übrigen wäre auch der - vom Kläger allerdings nicht geltend

gemachte - Kündigungstatbestand des § 30 Abs. 1 MRG zu bejahen. Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung als unwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Entscheidungswesentlich sei allein, ob der Bestandgegenstand den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliege. Das Mietverhältnis sei nämlich einerseits erst zu einem Termin nach dem 31. Dezember 1988 aufgekündigt worden, so daß es nicht mehr unter die Übergangsbestimmung des § 49 Abs. 1 MRG idF der MRG-Novelle 1985 falle; andererseits berufe sich der Kläger auf keinen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 MRG. Da das Mietrechtsgesetz im Gegensatz zum Mietengesetz nur noch die Raummiete erfasse, komme es darauf an, ob im vorliegenden Fall eine bloße Flächenmiete oder eine Raummiete vorliege. Bei der Beurteilung dieser Frage komme es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darauf an, ob die gemieteten Räume für die Benützung des gesamten Objektes eine selbständige Bedeutung hätten oder in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber der geschäftlichen Verwendung der unbebauten Flächen gänzlich in den Hintergrund träten. Berücksichtige man, daß die Räume dem Aufenthalt des Tankstellenpersonals, dem Verkauf von Kfz-Zubehör und der Lagerung von Schmierölen dienten, so zeige sich, daß diesen Räumen für die im Vertrag vorgesehene Benützung der Grundfläche und der Räume, also dem Tankstellenbetrieb, entscheidende Bedeutung zukomme. Da das Bestandverhältnis somit als eine den Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 36 MRG unterworfene Geschäftsraummiete zu beurteilen sei und der Kläger in seiner Aufkündigung keinen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 MRG geltend gemacht habe, sei die Aufkündigung als rechtsunwirksam aufzuheben und das Räumungsbegehren abzuweisen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger meint, daß im vorliegenden Fall deshalb eine reine Grundstücksmiete vorliege, weil der "reinen" Tankstelle die wesentliche wirtschaftliche Bedeutung zukomme und die ebenfalls vermieteten Räumlichkeiten - vor allem im Hinblick auf die Tendenz, Selbstbedienungstankstellen einzurichten - in den Hintergrund träten. Auf diese Frage ist aber ebensowenig einzugehen wie auf die Kritik des Erstrichters an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach auf die Miete von Grundstücken mit darauf zu Geschäfts- oder Wohnzwecken errichteten Superädifikaten § 1 MRG und die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes analog anzuwenden seien (SZ 57/194; SZ 58/25; MietSlg. 36.235/28 uva.), sind doch schon aus einem anderen Grund die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes hier jedenfalls anzuwenden:

Nach § 49 Abs. 1 Satz 2 MRG idF BGBl. 1985/559 galten die §§ 19 bis 23 MG für Mietverträge, die dem Geltungsbereich des MRG nicht unterliegen, auf die jedoch vor dessen Inkrafttreten die Kündigungsbeschränkungen des § 19 MG anzuwenden waren, bis zum 31. Dezember 1988 weiter. Das bedeutet, daß bis zu diesem Stichtag eine Kündigung nur aus wichtigen Gründen (§ 19 MG) gerichtlich (§ 21 MG) erfolgen konnte. Die vom Gericht zweiter Instanz - letztlich unter Hinweis auf MietSlg. 36.573/38, da sich Würth-Zingher an der zitierten Stelle (Miet- und Wohnrecht, Rz 3 zu § 49 MRG), nur auf diese Entscheidung berufen - vertretene Meinung, daß es dabei nur auf den Kündigungstermin, nicht aber auf den Zeitpunkt des Zugehens der Kündigung ankomme, hat der erkennende Senat schon in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1989, 4 Ob 551/89 ausdrücklich abgelehnt. Im Kündigungsstreit sind nämlich die Zulässigkeit und die Wirksamkeit einer Aufkündigung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt ihrer Zustellung zu beurteilen (MietSlg. 35.388 ua.). Zu diesem Zeitpunkt (13. Dezember 1988) galt aber für den in Rede stehenden Mietvertrag noch der Schutz der §§ 19 bis 23 MG. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß nur ein Kündigungstermin vor dem Stichtag bei Fehlen der Voraussetzungen dieser Bestimmungen unzulässig sein sollte; durch die Anordnung, daß die §§ 19 bis 23 MG weiterhin zu gelten hätten, wurde vielmehr festgelegt, daß die Kündigungserklärung bis zu diesem Stichtag den im Mietengesetz normierten Voraussetzungen entsprechen müsse. Daß der Gesetzgeber die Absicht gehabt hätte, die Auflösung der früher geschützten Mietverhältnisse schon mit dem Ablauf des Stichtages zu ermöglichen, ist nicht zu erkennen. § 49 Abs. 1 Satz 2 MRG will nach seinem eindeutigen Wortlaut die Mieter nicht nur vor dem Wirksamwerden einer willkürlichen, einseitigen Vertragsaufhebung vor dem Stichtag schützen, sondern auch vor einer unbegründeten Kündigungserklärung. Ist aber die Kündigung der Klägerin mangels Geltendmachung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 19 MG unzulässig, so hat das Gericht zweiter Instanz jedenfalls im Ergebnis zu Recht diese Kündigung aufgehoben und das Klagebegehren abgewiesen. Die Revision mußte sohin erfolglos bleiben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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