OGH 3Ob89/89

OGH3Ob89/8918.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Huber, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A*** S***, Promenade 11-13,

4020 Linz, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, und der beigetretenen betreibenden Partei V*** Aktiengesellschaft, Domgasse 12, 4010 Linz, vertreten durch Dr. Georg Pammesberger, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die verpflichtete Partei Dipl.Ing. Volker F***, Kaufmann, Am Schloßwald 13, 4813 Altmünster, vertreten durch Dr. Michael Schneditz-Bolfras, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 4,270.753,94 sA und wegen S 350.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 10. Mai 1989, GZ R 380/89-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmunden vom 31. März 1989, GZ E 45/88-33, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Exekutionssache wird an das Erstgericht zur neuen Festsetzung des endgültigen Schätzwertes der zu versteigernden Liegenschaften zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz sind weitere Kosten des Verfahrens im Zwischenstreit um die Schätzwertfestsetzung.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte der erstbetreibenden Sparkasse zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Geldforderung gegen den Verpflichteten von S 4,270.753,94 sA die Zwangsversteigerung der Liegenschaften EZ 264, 305 und 543 je KG 42108 Ebenzweier. Während auf der Liegenschaft EZ 305 als Nebeneinlage simultan in CLNR 1 und CLNR 2 ihre Höchstbetragspfandrechte von S 1,300.000,-- und S 1,500.000,-- einverleibt sind, die auch auf der Liegenschaft EZ 543 in CLNR 4 und CLNR 5 nach Dienstbarkeiten und einem Höchstbetragspfandrecht einer Bank lasten, ist auf der Liegenschaft Ez 264 als Haupteinlage im Rang vor diesen Simultan-Höchstbetragspfandrechten der erstbetreibenden Sparkasse (CLNR 8 und CLNR 9) in CLNR 7 auf Grund einer am 17. September 1984 geschlossenen Vereinbarung die Dienstbarkeit der Wohnung für Margarete F*** einverleibt, der Pfandrechtseinverleibungen für die Bausparkasse Gemeinschaft der F*** W*** gemeinnützige registrierte Genossenschaft mbH und den Oberösterreichischen Landes-, Wohnungs- und Siedlungsfonds vorgehen (CLNR 1 bis CLNR 6). Der zweitbetreibenden Bank, deren Pfandrechte für vollstreckbare Forderungen auf den drei Liegenschaften einverleibt sind (Haupteinlage EZ 467; Nebeneinlage EZ 264 CLNR 12 und CLNR 13; Nebeneinlage EZ 305 CLNR 5 und CLNR 6; Nebeneinlage EZ 543 CLNR 8 und CLNR 9) einverleibt sind, wurde am 12. Juli 1989 die Zwangsversteigerung der drei Liegenschaften bewilligt. Sie trat dem Versteigerungsverfahren damit bei.

Das Erstgericht bewertete die zu versteigernden Liegenschaften am 31. März 1989 endgültig und setzte den Schätzwert der Liegenschaft EZ 264 mit S 4,200.000,--, der Liegenschaft EZ 305 mit S 140.000,-- und der Liegenschaft EZ 543 mit S 60.620,--, den Schätzwert aller drei Liegenschaften als wirtschaftlicher Einheit mit S 4,753.620,-- und den Wert der Dienstbarkeit der Wohnung CLNR 7 in der EZ 264 mit S 1,284.000,-- fest und sprach aus, daß dieser Kapitalwert bei Festsetzung des Schätzwertes der Liegenschaften noch nicht abgezogen sei. Dabei folgte das Erstgericht dem Gutachten der beiden Sachverständigen, die die Erinnerungen der (erst-) betreibenden Partei und des Verpflichteten berücksichtigten, und meinte abschließend, der Wert des Wohnungsrechtes sei weder zu hoch noch zu niedrig angesetzt.

Diese endgültige Bewertung hatte nur der Verpflichtete und nur insoweit angefochten, als der Wert der Dienstbarkeit der Wohnung mit S 1,284.000,-- statt mit einem wesentlich höheren Betrag (S 1,860.000,--) festgesetzt und dieser Wert der ohne Anrechnung auf das Meistbot vom Ersteher zu übernehmenden Last nicht vom Liegenschaftsschätzwert in Abzug gebracht wurde.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs teilweise Folge. Es änderte den erstgerichtlichen Beschluß nur dahin ab, daß es unter Abzug des Wertes der Dienstbarkeit der Wohnung von S 1,284.000,-- den Schätzwert der damit belasteten Liegenschaft EZ 264 auf S 2,916.000,-- und daher auch den Schätzwert aller drei Liegenschaften als wirtschaftlicher Einheit auf S 3,469.620,-- verminderte und sonst den angefochtenen erstrichterlichen Beschluß bestätigte. Das Rekursgericht meinte, es sei nach § 144 Abs 2 EO und § 21 RSchO im Falle einer Belastung der Liegenschaft mit einer Dienstbarkeit zunächst der Wert der Liegenschaft bei Aufrechterhaltung, dann der Wert der Liegenschaft ohne die Last und schließlich der Kapitalisierungswert der Last anzugeben. Zu versteigern seien hier drei Liegenschaften, die in der Natur einen einheitlichen zusammenhängenden Komplex bilden, wobei die EZ 305 mit dem Grundstück 163/4 (1.000 m2) den Gemüsegarten und die EZ 543 mit dem Grundstück 163/5 (433 m2) den Zufahrtsweg zur Liegenschaft EZ 264 mit dem Grundstück 163/3 darstellen, auf dem das Einfamilienhaus und das Nebengebäude stehen. Das lebenslange Wohnungsrecht der Margarethe F*** sei nach dem Ergebnis der Wertermittlung nicht zu gering bewertet. Diese Last sei aber vom Schätzwert abzuziehen, weil sie der Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen habe (§ 146 Z 3 und § 150 EO). Vom Ersteher seien Dienstbarkeiten und Reallasten, denen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht des in bester Priorität stehenden betreibenden Gläubigers zukomme, nach den Normativbedingungen ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen, wenn sie zugleich allen anderen Pfandrechten vorgehen oder zwar anderen Pfandrechten nachstehen, aber die Überweisung derartiger Lasten an den Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot nach Lage des Falles keine Benachteiligung der vorangehenden Gläubiger bewirke (Gutachten JMVBl 1902, 155 f; SZ 57/178). Die Summe der der verbücherten Dienstbarkeit der Wohnung CLNR 7 in der EZ 264 vorgehenden Betragspfandrechte belaufe sich mit den Nebengebührensicherungsbeträgen auf S 1,012.760,--, die selbst mit dreijährigen Zinsenrückständen von S 211.411,50 im geringsten Gebot der Liegenschaft EZ 264 von S 1.458.000,-- (Schätzwert ohne Last S 4,200.000,--, Schätzwert mit Last S 2,916.000,--) Deckung fänden. Der Schätzwert der Liegenschaft sei daher um den Wert der Last zu vermindern, soferne nicht noch abweichende Versteigerungsbedingungen genehmigt würden.

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes haben beide betreibende Gläubiger Revisionsrekurs erhoben. Die erstbetreibende Partei strebt die Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses an, weil sie meint, vor Rechtskraft der Entscheidung über die Genehmigung der Versteigerungsbedingungen könne der Schätzwert nicht festgestellt werden, bleibe doch bis dahin unklar, ob der Ersteher die Last ohne oder mit Anrechnung auf das Meistbot übernehmen müsse. Die zweitbetreibende Partei bekämpft die der Festsetzung des Schätzwertes für die zu versteigernden Liegenschaften bei Aufrechterhaltung der sie belastenden Dienstbarkeiten zugrunde liegende Erwägung, daß vom Schätzwert der unbelasteten Liegenschaften der Wert der Wohnungsdienstbarkeit abzuziehen sei. Sie vertritt demgegenüber die Ansicht, der Wert der mit der Wohnungsdienstbarkeit belasteten Liegenschaft sinke weit tiefer bis zur Wertlosigkeit ab, wenn ein Ersteher das lebenslange Wohnungsrecht hinnehmen müsse. Ihrem Rechtsmittel ist zumindest zu entnehmen, daß sie eine Herabsetzung des der Versteigerung zugrunde zu legenden Schätzwertes verlangt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind im Ergebnis berechtigt. Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, ist nach § 144 Abs 2 EO bei der Schätzung von Liegenschaften anzugeben, welchen Wert die Liegenschaft bei Aufrechterhaltung der sie belastenden Dienstbarkeiten, sowie welchen Wert sie ohne diese Belastung hat; außerdem sind die auf der Liegenschaft lastenden Dienstbarkeiten für sich zu schätzen und die ihnen entsprechenden Kapitalsbeträge im Schätzungsprotokoll anzugeben (vgl auch § 21 Abs 1 RSchO). Nach § 30 Abs 1 RSchO sind die nach § 21 RSchO ermittelten, auf den Ersteher nicht von Rechts wegen übergehenden Lasten bei der Feststellung des Schätzwertes in Abzug zu bringen, wenn sie der Ersteher nach § 146 Abs 3 und § 150 EO ohne Anrechnung auf das Meistbot übernehmen muß. Zum Zwecke der Ermittlung des Wertes der Liegenschaft bei Aufrechterhaltung der Last ist der Wert der Jahresleistung oder des jährlichen Nutzens des Berechtigten bei lebenslanger Dauer mit dem zehnfachen Betrag in Anschlag zu bringen und von dem ohne Bedacht auf die Belastung ermittelten Liegenschaftswert in Abzug zu bringen (§ 21 Abs 5 RSchO; Heller-Berger-Stix 1146).

Das Erstgericht hat nur den Schätzwert der mit dem Wohnungsrecht belasteten Liegenschaft und aller drei Liegenschaften als wirtschaftlicher Einheit ohne die Last mit S 4,200.000,-- und S 4,753.620,-- festgestellt. Das Rekursgericht hat von den Wert der Liegenschaften bei Aufrechterhaltung der sie belastenden Dienstbarkeit, und zwar durch Abzug des als unbedenklich befundenen Wertes des Wohnungsrechtes, mit S 2,916.000,-- bzw S 3,469.620,-- bestimmt. Es ist dabei richtig von den in SZ 57/178 aufrecht gehaltenen Grundsätzen des Gutachtens JMVBI 1902, 155 (zust. Hoyer, JBl 1986, 122) und daher davon ausgegangen, daß Dienstbarkeiten, denen der Vorrang vor dem Befriedigungspfandrecht des in bester Priorität stehenden betreibenden Gläubigers zukommt, vom Ersteher nur dann ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind, - falls nicht eine Abweichung von den Normativbedingungen beantragt und bewilligt wird -, wenn sie zwar anderen Pfandrechten nachstehen, durch diesen Vorgang aber nach der Lage des Falles eine Benachteiligung der vorangehenden Gläubiger nicht eintritt. Das Rekursgericht ist unter der Annahme, daß die einverleibten Pfandrechte voll forderungsbekleidet sind, zu dem Ergebnis gelangt, daß die vorgehenden Gläubiger jedenfalls Deckung finden, wenn der Schätzwert mit dem um den bisher angenommenen Wert des Wohnungsrechtes verminderten Betrag des Wertes der unbelasteten Liegenschaft bestimmt wird.

Die von der zweitbetreibenden Partei dagegen geäußerten Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Schon daraus, daß § 21 RSchO in Ausführung des § 144 Abs 2 EO die dreifache Bewertung vorsieht, welchen Wert die Liegenschaft bei Aufrechterhaltung der Dienstbarkeiten hat, welchen Wert sie ohne diese Lasten hat und welchen Wert die einzelnen Lasten haben, weil nämlich noch nicht feststeht, ob und welche Lasten vom Ersteher zu übernehmen sind, folgt, daß der Wert der Lasten nicht immer gleich dem Unterschiedsbetrag zwischen der unbelasteten und der belasteten Liegenschaft ist. Wenn das Wohnungsrecht vom Ersteher ohne Anrechung auf das Meistbot zu übernehmen ist, kommt es nach § 30 RSchO, der dem richterlichen Ermessen einen gewissen Spielraum bietet (RPflSlgE 1986/81), darauf an, welchen Wert die Liegenschaft hat, wenn die Belastung aufrecht bleibt. Die Regel des § 21 Abs 5 RSchO kommt, wenn wie hier bei der Bewertung der lastenfreien Liegenschaft das Ertragswertverfahren wegen Verfehlung der dem Marktwert entsprechenden Werte ausgeschaltet wurde (Gutachten ON 12), nicht ohne jede Einschränkung zur Anwendung. Entscheidend ist vielmehr, welchen Verkehrswert die Liegenschaft hat, wenn das Wohnungsrecht vom Erwerber übernommen werden muß. Der durch die Übernahme der Last entstehende Preisdruck (vgl. dazu Paupie, Lastenübernahme und Schätzungswert !1901 , bes. S. 60, 61) kann je nach konkreten Umständen (zB Umfang des Wohnungsrechtes, Gepflogenheiten in der betreffenden Gegend, Lebenserwartung der Berechtigten) sehr unterschiedlich sein und muß keineswegs immer dem zehnjährigen Mietwert entsprechen, den die Vorinstanzen bisher als Wert des Wohnungsrechtes zugrundelegten. Der zB durch Vernehmung eines Sachverständigen aus dem Immobilienmaklerfache feststellbare wirkliche Nettoschätzwert ist dann als Schätzwert festzusetzen, wenn das Wohnungsrecht vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen ist. Sinkt dieser Wert erheblich unter den vom Rekursgericht angenommenen Betrag, genügt es nicht, die Prüfung der möglichen Beeinträchtigung der vorgehenden Pfandgläubiger allein nach dem Buchstand vorzunehmen, weil ihre durch die Betragspfandrechte besicherten unberichtigten Forderungen auch geringer sein können. Erst dann ergibt sich, ob es bei der Anwendbarkeit des § 150 Abs 1 EO bleibt, also nach den Normativbedingungen das Wohnungsrecht ohne Anrechnung auf das Meistbot vom Ersteher zu übernehmen ist oder ob die von der erstbetreibenden Partei vorgeschlagene Bedingung der Übernahme in Anrechnung auf das Meistbot ohnedies dem Gesetz entspricht und daher der Schätzwert mit dem unbekämpft gebliebenen Wert der lastenfreien Liegenschaft festzusetzen ist.

Sollte nach der Beschlußfassung über den Betrag des Schätzungswertes (§ 31 Abs 2 RSchO) rechtskräftig eine Abweichung von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen bewilligt werden, so muß zugleich der diesen Bedingungen entsprechende Schätzwert angepaßt werden, so daß die Sorge der erstbetreibenden Partei unbegründet ist.

Infolge der gegen die Höhe des Schätzwertes im Bereich der Abänderung durch die zweite Instanz erhobenen Revisionsrekurse der betreibenden Parteien ist es unvermeidlich, daß in erster Instanz der Wert der belasteten Liegenschaft ausgemittelt wird, denn zunächst ist davon auszugehen, daß die beiden betreibenden Gläubiger im Rang vorgehende Dienstbarkeit der Wohnung vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden muß, falls nicht die im besseren Rang stehenden Hypothekargläubiger dabei um ihren Befriedigungsfonds gebracht würden (SZ 57/178).

Der Kostenvorbehalt ergibt sich aus § 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO.

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