OGH 9ObS17/89

OGH9ObS17/8918.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Pipin Henzl und Leo Samwald als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann H***, Baupolier, Munderfing, Abern 29, vertreten durch Dr.Josef Bleierer und Dr.Sylvia Bleierer, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagte Partei A*** S***, Salzburg,

Schießstattstraße 67, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 123.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.Mai 1989, GZ 13 Rs 95/89-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.April 1989, GZ 19 Cgs 6/88-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers folgendes zu entgegnen:

Die IESG-Nov BGBl 1986/395 hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der viermonatigen Antragsfrist durch ein zwingend vorgeschriebenes amtswegiges Verfahren zur Ermittlung von berücksichtigungswürdigenden Gründen ersetzt (Holler, Neuerungen im Bereich der Entgeltsicherung bei Insolvenz, ZAS 1987, 147 ff !152 f). § 6 Abs 1 IESG bestimmt jetzt, daß die Rechtsfolgen der Fristversäumung bei Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Gründen nach Anhörung des Vermittlungsausschusses (§ 44 a AMFG) von Amts wegen nachzusehen sind, wenn der Antrag auf Insolvenzausfallgeld nach Ablauf der Frist gestellt worden ist. Berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn dem Arbeitnehmer billigerweise die Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 IESG nicht zugemutet werden konnte oder ihm die betragsmäßige Angabe seiner Ansprüche nicht rechtzeitig möglich war. Geht man davon aus, daß der Gesetzgeber mit der Novelle die sich bei Anwendung des § 71 AVG ergebenden Härtefälle vermeiden wollte, dann muß - wie der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob S 2/89 bereits ausgesprochen hat - wohl ebenso wie die im Gesetz demonstrativ angeführte unverschuldete Unkenntnis von der Konkurseröffnung auch die unverschuldete Unkenntnis von der Antragsfrist (und ihrer Handhabung) als berücksichtigungswürdiger Grund angesehen werden. Aus dem demonstrativ angeführten Fall "wenn dem Arbeitnehmer billigerweise die Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zugemutet werden konnte" ist zu erschließen, daß dann, wenn die Einhaltung der Frist billigerweise (dh bei Anlegung eines nicht allzu strengen Maßstabes an die Sorgfalt des Arbeitnehmers) zumutbar war, berücksichtigungswürdige Gründe nicht vorliegen. Die Nachsicht der Rechtsfolgen ist daher ausgeschlossen, wenn die Fristversäumung vom Arbeitnehmer durch auffallende Sorglosigkeit verschuldet wurde. Derselbe Maßstab muß auch für die Fristversäumung durch einen Bevollmächtigten des Arbeitnehmers gelten, will man eine weder sachlich gerechtfertigte noch vom Gesetzgeber gewollte Schlechterstellung der unvertretenen Arbeitnehmer vermeiden.

Auf der Grundlage der für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen aus - mit den Ausführungen, der Kanzleikraft sei der Unterschied zwischen Anmeldefrist im Konkursverfahren und Antragstellung auf Insolvenzausfallgeld bekannt gewesen, sie sei von Dr.Sylvia B*** darauf hingewiesen worden, daß die Frist für den Antrag auf Insolvenzausfallgeld mit vier Monaten ab dem Konkurseröffnungstermin zu berechnen sei, setzt sich der Revisionswerber in Widerspruch zu diesen Feststellungen - hat die Vertreterin des Klägers die Fristversäumnis grob fahrlässig verschuldet. Am 21.Juli 1987 sprach der Kläger in der Kanzlei der Klagevertreter vor und beauftragte sie, die Lohnforderung von 123.000 S im Konkurs der Firma W***-B***-Straßwalchen Gesellschaft mbH anzumelden und alle Schritte zu unternehmen, damit er zu seiner Lohnforderung komme. Gleichzeitig legte er ein Schreiben des Kreditschutzverbandes vom 14.Juli 1987 vor, in dem es unter anderem heißt:

"Wir bringen den Gläubigern zur Kenntnis, daß das Landesgericht Salzburg mit Beschluß vom 9.7.1987 zur GZ S 49/87 über das Vermögen der rubrizierten Schuldnerfirma das Konkursverfahren eröffnet hat.

Aus dem Konkursedikt gehen folgende Daten hervor:

Anmeldefrist: 4.9.1987

Gläubigerversammlung: 29.7.1987,

12.00 Uhr, LG Salzburg

Prüfungstagsatzung: 14.9.1987,

9.45 Uhr, LG Salzburg.."

Die Klagvertreterin überreichte dieses Schreiben der Kanzleiangestellten Helga B*** mit dem Auftrag, alle Termine in den Terminkalender einzutragen, inklusive der Frist für die Anmeldung beim Insolvenzausgleichsfonds. Die Angestellte berechnete die Frist ab dem 4.September 1987 und trug im Terminkalender den 29. Dezember 1987 ein. Am 17.November 1987 langte der Antrag des Klägers auf Insolvenzausfallgeld bei der beklagten Partei ein. Der damals 19-jährigen und erst zwei Jahre in der Rechtsanwaltskanzlei tätigen Kanzleiangestellten war der Unterschied zwischen Anmeldefrist im Konkursverfahren und der Frist für die Geltendmachung von Insolvenzausfallgeld nicht bekannt. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der Vertreterin des Klägers bei dieser Sachlage nicht nur vorzuwerfen, daß sie die Eintragung der Frist durch die Kanzleikraft nicht kontrollierte, sondern vor allem, daß sie - ungeachtet des Umstandes, daß im Schreiben des Kreditschutzverbandes insgesamt vier Daten genannt wurden - es der dadurch überforderten Kanzleikraft überließ, ab welchem dieser Termine sie die viermonatige Frist berechnete. Dieses Verhalten, insbesondere die Unterlassung der erforderlichen Anleitung der mit der Eintragung der Frist betrauten Angestellten, mußte geradezu zur Versäumung der Frist führen und wurde daher vom Berufungsgericht zu Recht als grob fahrlässig qualifiziert. Gründe, die einen Kostenersatzanspruch des Klägers gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG trotz Unterliegens rechtfertigen würden, liegen nicht vor.

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