OGH 4Ob1010/89

OGH4Ob1010/8917.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***,

Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Yves R*** Vertriebsgesellschaft mbH, Salzburg, Bergerbräuhofstraße 35, vertreten durch Dr.Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 220.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. August 1989, GZ 3 R 88/88-22, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Auffassung des Klägers, wonach die Entscheidung des Berufungsgerichtes den von der Judikatur entwickelten Grundsätzen zum psychischen Kaufzwang widerspreche und im übrigen auch noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über einen gleichartigen Sachverhalt vorliege, trifft nicht zu:

Wenngleich jede Art von Wertreklame mit den Grundsätzen eines an Güte und Preiswürdigkeit orientierten Leistungswettbewerbs nur schwer zu vereinbaren ist, kann sie doch, wenn sie nicht unter ein gesetzliches Verbot, insbesondere das Zugabengesetz, fällt, nur dann untersagt werden, wenn sie gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung ua dann der Fall, wenn der Werbende den Kunden in eine solche psychische Zwangslage bringt, daß sich dieser einem Geschäftsabschluß nach der Lebenserfahrung nur schwer entziehen kann (ÖBl 1978, 69; ÖBl 1983, 89 ua), der Druck des Werbenden also so stark ist, daß ein aus sachlichen Gründen nicht gewollter Geschäftsabschluß nur noch schwer vermeidbar erscheint (ÖBl 1979, 66; ÖBl 1981, 12).

Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, kann die Gratisgabe von Warenproben geringen Wertes beim Warenkauf nicht die Wirkung haben, daß dadurch die Entschließungsfreiheit des Kunden in sittenwidriger Weise beeinträchtigt würde; der Kunde wird durch eine solche Werbegabe auch nicht in eine Situation gebracht, in der er die Inanspruchnahme des eingeräumten Rechtes, die Hauptware innerhalb einer bestimmten Frist ohne weitere Kaufverpflichtung zurückzusenden, das Werbegeschenk aber in jedem Fall behalten zu dürfen, als peinlich empfinden würde. In einem gleichartigen Fall (ein Zeitungsverlag hatte zur Gewinnung neuer Abonnenten sogenannte "Abo-Gutscheine" versandt; Einsender eines solchen Gutscheins konnten die Tageszeitung einen Monat lang gratis beziehen; wer nicht innerhalb einer bestimmten Frist dem Zeitungsverlag mitteilte, daß er die Zeitung nicht mehr zugesandt haben möchte, bezog die Tageszeitung im Abbonnement weiter; in jedem Fall durfte er aber eine kostenlos als Präsent angekündigte Pocket-Kamera behalten), hat der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 27.6.1989, 4 Ob 79/89, folgendes ausgeführt:

"Wer am Erwerb der von der Beklagten als Geschenk angebotenen Pocket-Kamera Interesse hatte, mußte zwar den 'Abo-Gutschein' einsenden, auf Grund dessen er die 'Kleine Zeitung' einen Monat lang gratis zur Probe erhielt. Daß er gezwungen gewesen wäre, zwecks Erlangung des Geschenkes eine Bezugsverpflichtung zu übernehmen, trifft aber insofern nicht zu, als der Kunde für die Zeitung nichts zu zahlen und auch sonst keine Leistungen zu erbringen hatte. Wollte ein Einsender nach dem Kennenlernen der ihm zugemittelten Zeitung diese nicht weiter beziehen, so konnte er das der Beklagten schriftliche mitteilen; er mußte zu diesem Zweck nicht in persönlichen Kontakt mit Leuten der Beklagten treten. Der normal empfindende Durchschnittskunde - auf den abzustellen ist (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 550 Rz 74 zu § 1 dUWG) - wird es nicht als peinlich empfinden, einem Unternehmer, der ihm angeboten hat, Waren gratis probeweise zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig einen Gegenstand zu schenken, nach Ablauf der Probezeit schriftlich, ohne jede persönliche Kontaktaufnahme, mitzuteilen, daß er kein Interesse an der Ware habe. Gerade bei der beanstandeten Werbeankündigung konnten - von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen - die Einsender des 'Abo-Gutscheins' davon ausgehen, daß ihre allfällige Abbestellung vom Büro der Beklagten völlig unpersönlich behandelt werde; das Gefühl, von irgendjemandem deshalb als Schmarotzer angesehen zu werden, konnte dabei nicht aufkommen.

Selbst wenn man aber annehmen wollte, daß die Pocket-Kamera angesichts ihres Wertes von rund 300 S geeignet war, das Interesse des Kunden auf das Angebot der Beklagten zu lenken, folgt daraus nicht, daß der in Aussicht gestellte Vorteil geeignet gewesen wäre, die Entschließungsfreiheit des Kunden in einem derartigen Maße unsachlich zu beeinflussen, daß er seine Entscheidung nicht mehr nach dem Leitbild des Leistungswettbewerbes, sondern nur im Hinblick auf den Vorteil getroffen hätte (Baumbach-Hefermehl aaO 551 Rz 75 zu § 1 dUWG). Zwischen dem - zu nichts verpflichtenden - Entschluß, der Beklagten den 'Abo-Gutschein' zu übermitteln, und dem Entschluß, die Zeitung auch nach Ablauf der Probezeit entgeltlich weiterzubeziehen und daher eine gegenteilige Verständigung der Beklagten zu unterlassen, war eine geraume Zeit verstrichen, in der jeder Kunde in Ruhe und unbeeinflußt von der Beklagte seine Entscheidung frei treffen konnte; das gilt auch dann, wenn man nur den Zeitraum zwischen der Zusendung der Kamera und dem Ablauf der Frist bis zur Abbestellung des Abonnements berücksichtigen wollte. Sofern aber das Abbestellen des Abonnements wegen der mittlerweile eingetretenen Gewöhnung an die Zeitung unterblieben ist, hat die Beklagte einen Werbeerfolg auf Grund ihrer Leistung erzielt; Sittenwidrigkeit kann ihr in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen werden.". Diese Grundsätze gelten auch für den hier zu beurteilenden, völlig gleichartigen Sachverhalt. Auch hier konnten die Kunden der Beklagten die ihnen auf Grund ihrer Bestellung zugesandte Hauptware binnen 14 Tagen zurücksenden, wenn sie nicht ihren Wünschen entsprach, ohne durch das Behalten der "Geschenke" in eine peinliche Situation zu geraten. Im übrigen hatten die in Rede stehenden "Gratis-Proben" (Warenproben) im vorliegenden Fall im Verhältnis zur Hauptware keinen besonders hohen Wert.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes, daß wegen der fehlenden Akzessorietät von Hauptware und "Zugabe" auch kein Verstoß gegen § 1 ZugG vorliegt, entspricht ständiger Rechtsprechung (ÖBl 1979, 12 mit Glosse von Schönherr; ÖBl 1985, 49; MR 1986, 22). Die gegenteilige, vom Obersten Gerichtshof bereits im Provisorialverfahren verworfene - Ansicht Gladts (ÖBl 1987, 33 ff) ist weiterhin abzulehnen.

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