OGH 13Os114/89

OGH13Os114/8912.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Toth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Horst Josef T*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 6.Juli 1989, GZ. 35 Vr 1102/89-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Plattner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 23.September 1960 geborene Heilmasseur Horst Josef T*** wurde zu Punkt I des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und zu Punkt II des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG schuldig erkannt. Nach dem allein angefochtenen Schuldspruch I hat er im Dezember 1988 in Innsbruck eine große Menge des Suchtgifts Kokain in Verkehr gesetzt, und zwar

1. durch Überlassen von ca. 15 Gramm Kokain, welches er zuvor von Nikolaus W*** erhalten hatte, an Kassian S*** und Christian C*** gegen Bezahlung von 21.000 S,

2. durch Überlassen von ca. 20 Gramm Kokain, welches er von Kassian S*** erhalten hatte, an Toni T*** zum Zweck des kommissionsweisen Weiterverkaufs,

3. durch Überlassen von ca. 20 Gramm Kokain, welches er von Toni T*** zurückerhalten hatte, an Josef S*** zum kommissionsweisen Weiterverkauf,

4. durch Überlassen von ca. 38 Gramm Kokain, welches er von Nikolaus W*** erhalten hatte, an Kassian S*** und Christian C*** gegen Bezahlung von 40.000 S.

In seiner auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Rechtsrüge wendet der Beschwerdeführer gegen die Schuldsprüche I 2 und 3 ein, daß insoweit - zumal es sich in beiden Fällen um dieselben 20 Gramm Kokain gehandelt habe - nur ein Verstoß gegen das Suchtgiftgesetz vorliege, weil das Suchtgift letztendlich nur an eine einzige Person weitergegeben worden sei. Der Einwand ist nicht berechtigt.

Gemäß § 12 Abs. 1 SuchtgiftG ist unter anderem zu bestrafen, wer Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr setzt. Inverkehrsetzen bedeutet jede Tätigkeit, durch die die Verfügungsgewalt über ein Suchtgift mittels eines tatsächlichen oder rechtlichen Vorgangs von einem Verfügungsberechtigten auf einen anderen übertragen wird, wobei Vollendung eintritt, sobald diese Verfügungsgewalt eingeräumt ist (Foregger-Litzka2 Erl. V zu § 12 SuchtgiftG m.w.N.). Nach den Urteilsannahmen hat der Angeklagte von Kassian S*** ca. 20 Gramm Kokain in Kommission übernommen und seinerseits "zum Zwecke des kommissionsweisen Weiterverkaufes" (I 2 des Urteilssatzes) dem Toni T*** übergeben. Weil T*** mit der Qualität des Rauschgifts "nicht zufrieden war", gab er das Kokain dem Angeklagten wieder zurück, der es in der Folge dem Josef S*** "zum kommissionsweisen Weiterverkauf" überließ (I 3 des Urteilsspruchs; S. 121, 123).

Damit hat aber der Angeklagte - wenn auch eine und dieselbe Menge - Suchtgift zweimal in Verkehr gesetzt, weil er die Verfügungsgewalt über das Rauschgift jeweils an einen anderen, nämlich im ersten Fall an T***, im zweiten Fall an S*** übertrug. Rechtsrichtig beurteilte daher der Schöffensenat dieses Verhalten als zwei Verstöße gegen § 12 Abs. 1 SuchtgiftG in Realkonkurrenz. Bei der Bestimmung der zur Tatbestandsverwirklichung nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG darüber hinaus erforderlichen großen Menge hingegen lastete der Schöffensenat diese 20 Gramm Kokain dem Angeklagten zutreffend nur einmal an, weil es insoweit auf die tatsächlich in Verkehr gesetzte Suchtgiftmenge ankommt. Mit der Subsumtionsrüge (Z. 10) wendet sich der Angeklagte gegen die Zusammenfassung der vier Einzelakte als Handlungseinheit in Beziehung auf die "große Menge" (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG) und verlangt deren getrennte Beurteilung jeweils als Vergehen nach § 16 Abs. 1 leg.cit. Mit diesem Vorbringen stellt der Beschwerdeführer nicht auf den Urteilsinhalt ab. Er übergeht nämlich die - schon wegen der Kürze des Tatzeitraums (Dezember 1988)

indizierte - Feststellung, derzufolge sein zumindest bedingter Vorsatz auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften "Additionseffekt" umfaßte (S. 121; SSt. 50/38 u.a.). Sonach liegt objektiv und subjektiv jene tatbestandliche Handlungseinheit vor, die in den Vorschriften über die Summierung der einzelnen Rauschgiftmengen zu einer großen Menge (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG) und zu einer übergroßen Menge (§ 12 Abs. 3 Z. 3 SuchtgiftG) ihre rechtliche Entsprechung hat (Pallin, WK, Vorbemerkungen zu § 28 StGB RN 34).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28 StGB und § 12 Abs. 1 SuchtgiftG zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe. Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Gericht wertete als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Wiederholung und die Verübung des Vergehenstatbestands über einen längeren Zeitraum sowie die Tatsache, daß der Angeklagte als Nichtsüchtiger eine große Menge Kokain in Verkehr setzte. Als mildernd fielen das volle und reumütige Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug, und die Unbescholtenheit ins Gewicht. Von der Verhängung einer kumulativen Geldstrafe (§ 12 Abs. 5 SuchtgiftG) nahm der Schöffensenat Abstand, weil der Angeklagte nicht der eigentliche Nutznießer der Rauschgiftgeschäfte war und weil eine solche Geldstrafe nur fakultativ ist. Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Berufung die Ausscheidung des § 43 a StGB und die Verhängung einer schuldangemessenen (höheren) Freiheitsstrafe sowie einer Geldstrafe nach § 12 Abs. 5 SuchtgiftG. Der Angeklagte begehrt hingegen die bedingte Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe.

Keine der Berufungen kann für ihren Standpunkt hinreichende Gründe nennen.

Es trifft zwar grundsätzlich zu, daß - wie die Anklagebehörde in ihrem Rechtsmittel ausführt - die besondere Gefährlichkeit und Verwerflichkeit des Handels mit Suchtgift in großen Mengen die Verhängung strenger Strafen erfordert. Im vorliegenden Fall kommt jedoch dem auf Schuldeinsicht hinweisenden Geständnis des Angeklagten, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen und die Aufdeckung anderer Täter ermöglicht hat, ganz erhebliche Bedeutung zu. Im zusätzlichen Hinblick auf die Unbescholtenheit T*** und die Tatsache seiner sozialen Integration erscheint die vom Erstgericht verhängte Strafe diesfalls noch angemessen. Auch die Annahme, die bedingte Aussetzung eines Teils der Freiheitsstrafe in dem vom Erstgericht bestimmten Ausmaß werde den spezialpräventiven Erfordernissen genügen, ist nach den Umständen dieses Einzelfalls noch vertretbar. Entgegen der in der Berufung der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung fällt die Bedeutung der Tat im Gesamterscheinungsbild der einschlägigen Kriminalität nicht so sehr ins Gewicht, daß - zur Aufrechterhaltung der Motivationskraft der Rechtsnormen überhaupt und insbesondere der in Betracht kommenden Bestimmung - es des Vollzugs der gesamten Strafe allein aus generalpräventiven Erwägungen bedürfte.

Der im angefochtenen Urteil für die Nichtanwendung der fakultativen Bestimmung des § 12 Abs. 5 SuchtgiftG erstangeführte Grund, daß nämlich der Angeklagte nicht der eigentliche Nutznießer war, ist einleuchtend, sodaß der Berufung der Staatsanwaltschaft auch in diesem Umfang ein Erfolg versagt werden mußte. Im Hinblick auf den hohen Tatunwert ist die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe nicht angebracht. Es bedarf vielmehr der Vollstreckung eines Teils der Freiheitsstrafe, um den Rechtsbrecher nachhaltig zu beeindrucken. Es war daher auch der Berufung des Angeklagten nicht Folge zu geben.

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