OGH 6Ob696/89

OGH6Ob696/8912.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Ing. Erwin W***-K***, Baumeister, Clematisweg 16, 2353 Guntramsdorf, vertreten durch Dr. Hanns Hügel, Dr. Hanns F. Hügel, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte und widerklagende Partei Günther A***, Werbefachmann, Eibesbrunnergasse 1/16/14, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 55.037,22 s.A. und S 61.498,66 s.A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1989, GZ 12 R 264/88-29, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20.April 1988, GZ 1 Cg 353/84, 274/85-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Begehrens der Widerklage richtet (1 Cg 274/85 des Landesgerichtes für ZRS Wien), Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichtes werden in diesem Umfang und in den Kostenaussprüchen aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über das Begehren der Widerklage an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Beklagte und Widerkläger (in der Folge Beklagter) beauftragte den Kläger und Widerbeklagten (in der Folge Kläger) mit der Planung und Bauaufsicht für den Ausbau einer Wohnung. Der Kläger begehrte im Verfahren 1 Cg 353/84 des Erstgerichtes für seine Tätigkeit ein restliches Entgelt von S 55.037,22 samt Zinsen. Er brachte vor, es sei ein Honorar in der Höhe von 10 % der Bruttoauftragssumme vereinbart worden.

Der Beklagte wendete ein, er habe dem Kläger bereits Zahlungen von zusammen insgesamt S 92.066 geleistet, dem Kläger stehe aber nur ein auf der Basis der Nettoauftragssumme errechnetes Honorar von insgesamt S 38.254,93 zu, sodaß der Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung von mehr als S 50.000 habe. Überdies habe der Kläger seine Pflichten gegenüber dem Beklagten verletzt, was eine Minderung des Entgeltanspruches rechtfertige. Hinsichtlich des Leopold S***, der Baumeisterarbeiten durchgeführt habe, sei der Beklagte vom Kläger in Irrtum geführt worden. Leopold S*** sei nicht Baumeister. Hätte der Beklagte dies gewußt, hätte er den Vertrag mit diesem nicht abgeschlossen.

Mit Widerklage (1 Cg 274/85 des Erstgerichtes) begehrte der Beklagte die Rückzahlung zuviel geleisteten Honorars von S 53.811,07 samt Zinsen. Im Laufe des Verfahrens dehnte er dieses Begehren auf S 61.498,66 aus.

Der Kläger hielt der Widerklage entgegen, der Beklagte habe auf das Honorar Akontozahlungen von S 30.800 geleistet, Beträge von insgesamt S 56.600 habe der Beklagte dem Kläger zur Weiterleitung an Leopold S*** übergeben.

Das Erstgericht verband Klage und Widerklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, gab dem Begehren des Klägers mit einem Betrag von S 34.181,05 samt Zinsen statt und wies das Mehrbegehren des Klägers von S 20.856,17 samt Zinsen sowie das in der Widerklage gestellte Begehren ab. Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Die Parteien vereinbarten ein Honorar des Klägers in der Höhe von 10 % der Bruttoauftragssumme. Grundlage für die Honorarforderung des Klägers bilden 16 Schlußrechnungen (vom Erstgericht im einzelnen angeführt) mit einer Bruttoauftragssumme von S 550.686,85, darunter auch Schlußrechnungen des Baupoliers Leopold S*** in der Höhe von S 50.912,03 und S 6.600. Dem Beklagten war nicht bekannt, daß Leopold S*** nicht Baumeister ist. Dies war für den Beklagten aber ohne Bedeutung. Er hätte Leopold S*** den Auftrag auch erteilt, wenn er gewußt hätte, daß dieser nicht Baumeister ist. Zur Begleichung des Honoraranspruches des Klägers, der nicht Architekt, sondern Baumeister ist, bezahlte der Beklagte bisher S 30.800. Weiters hat der Beklagte dem Kläger einen Betrag von S 56.600 bezahlt, der jedoch vereinbarungsgemäß zur Bezahlung der Arbeiten des Leopold S*** verwendet werden sollte und auch so verwendet worden ist.

Aufgrund dieses Sachverhaltes errechnete das Erstgericht einen restlichen Honoraranspruch des Klägers von S 34.181,05 (10 % der Auftragssumme von S 550.686,85 zuzüglich 18 % USt. von S 9.912,36, abzüglich der geleisteten Zahlungen von S 30.800).

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das in seinem die Forderung des Klägers abweisenden Teil unangefochten gebliebene Ersturteil dahin ab, daß der Beklagte schuldig ist, dem Kläger S 27.185,75 samt Zinsen zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 27.851,47 samt Zinsen wurde abgewiesen. Die Abweisung des Begehrens der Widerklage bestätigte das Berufungsgericht. Es erklärte die Revision im Widerklageverfahren für nicht zulässig.

Das Gericht zweiter Instanz erachtete das Verfahren erster Instanz für mängelfrei, übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - aus:

Das Honorar des Klägers sei nach den berechtigten Forderungen der einzelnen Unternehmer zu berechnen, die richtige Rechnungssumme des Leopold S*** betrage S 49.996,03 und S 6.600. Zwar habe der Beklagte die Richtigkeit der Rechnungen bestritten, jedoch ergebe sich die Richtigkeit dieser Rechnungssumme nicht nur aus der Zeugenaussage des Leopold S***, sondern auch aus der vom Beklagten vorbehaltslos unterfertigten Aufstellung Beilage 19. Insgesamt errechne sich eine berechtigte Rechnungssumme von S 491.404,71. Der Honoraranspruch des Klägers betrage daher S 49.140,47 zuzüglich 18 % USt. (S 8.845,28), abzüglich der Zahlungen von S 30.800. Ein restlicher Honoraranspruch von S 27.185,75 sei daher berechtigt. Zu der in der Berufung angeschnittenen Frage der mangelnden Verdienstlichkeit des Klägers habe der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren lediglich vorgebracht, der Kläger habe pflichtwidrig Rechnungen ohne Überprüfung akzeptiert und auch mangelhafte Arbeiten für fachgerecht und in Ordnung befunden erklärt. Dies mindere den Entgeltanspruch des Klägers. Die Höhe der Minderung des Entgeltanspruches sei nicht vorgebracht worden. Desgleichen sei nicht behauptet worden, daß dem Kläger überhaupt kein Entgeltanspruch zustehe. Vorhandenen Mängeln sei dadurch Rechnung getragen worden, daß dem Honoraranspruch des Klägers lediglich die jeweils berechtigten Rechnungsbeträge der Professionisten und Subunternehmer zugrunde gelegt worden seien. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision. Soweit sich diese gegen die Bestätigung des klagsstattgebenden Teiles betreffend das Verfahren 1 Cg 353/84 des Landesgerichtes für ZRS Wien (Bestätigung des Zuspruches eines Betrages von S 27.185,75) richtet, wurde sie vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 15.6.1989, 6 Ob 626,1526/89, zurückgewiesen. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher nur mehr die Entscheidung über die Widerklage. Der Beklagte macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß dem Begehren der Widerklage stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes über das Vorbringen des Beklagten zur mangelnden Verdienstlichkeit des Klägers sind aktenwidrig. Der Beklagte brachte in dem im Widerklageverfahren erstatteten Schriftsatz vom 15.4.1986, ON 4, vorgetragen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.4.1986, vor, er habe den Kläger beauftragt, die Interessen des Beklagten wahrzunehmen. Der Kläger habe jedoch, anstelle im Interesse des Beklagten die günstigsten Preise auszuhandeln, die teuersten Professionisten herangezogen, damit er hiedurch einen möglichst hohen Honoraranspruch erreiche. Der Kläger habe demgemäß nicht im Interesse des Beklagten gehandelt, es stehe ihm, da er in keiner Weise verdienstlich gewesen sei, überhaupt kein Honoraranspruch zu. Eine offensichtlich unrichtige Wiedergabe der Parteienerklärung in einem wesentlichen Punkt ist ein Verfahrensverstoß, der auch aufgrund einer außerordentlichen Revision wahrzunehmen ist (vgl SZ 59/101, ÖAV 1988, 53).

Die gerügte Aktenwidrigkeit ist auch relevant. Den behaupteten Anspruch auf Schadenersatz machte der Beklagte in der Widerklage zwar nicht geltend, dem Kläger steht aber jedenfalls insoweit, als seine Tätigkeit nicht im Interesse des Beklagten verrichtet wurde, kein Honoraranspruch zu. Das Berufungsgericht hätte sich daher unter Berücksichtigung des angeführten Vorbringens des Beklagten im Widerklageverfahren mit den Berufungsausführungen, die Frage der Verdienstlichkeit der Tätigkeit des Klägers sei nicht geprüft worden, auseinandersetzen müssen.

Da eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz erforderlich sein wird, waren das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit damit die Abweisung des Widerklagebegehrens bestätigt wurde, und gleichzeitig auch das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang aufzuheben. Die Rechtssache war an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über das Widerklagebegehren zurückzuverweisen.

Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht stünde die Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung über das Begehren des Klägers auf Bezahlung eines restlichen Honorars einer Stattgebung der Widerklage nicht entgegen. Die materielle Rechtskraft wirkt nur bei Identität des Anspruches (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1513; SZ 48/142; 3 Ob 11/89). Gegenstand der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über das Begehren des Klägers waren nicht die vom Beklagten dem Kläger bereits geleisteten Beträge, sondern nur der darüber hinaus noch vom Kläger geforderte Betrag in der Höhe von S 55.037,22. Als Vorfrage für die Beurteilung eines dem Kläger zustehenden weiteren Anspruches war zwar zu prüfen, ob der Kläger Anspruch auf die bereits erhaltenen Beträge hatte. Vorfragenentscheidungen innerhalb eines Urteiles sind der Rechtskraft aber nicht fähig (Fasching, aaO, Rz 1520; SZ 41/103, SZ 48/142; 3 Ob 11/89 ua). Ein "Sinnzusammenhang" zwischen der rechtskräftigen Entscheidung und dem neuen Prozeß reicht nicht aus, um eine Bindungswirkung zu begründen (Fasching, aaO, Rz 1519; 3 Ob 11/89).

Da die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden mußten und eine Ergänzung des Verfahrens zu erfolgen hat, war es nicht erforderlich, auf die weiteren Ausführungen der Revision einzugehen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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