Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.087 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 514,50 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der am 17.Juni 1986 erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der unehelichen Vaterschaft des Beklagten ihr gegenüber und dessen Verurteilung zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 900 S ab Klagetag. Der Beklagte habe ihrer Mutter in der kritischen Zeit, das sei vom 29.Juni 1985 bis 29. Oktober 1985, geschlechtlich beigewohnt. Er sei Busfahrer, verheiratet und habe für eine Gattin und drei Kinder zu sorgen. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Feststellungs- und Leistungsbegehrens, weil er mit der Mutter der Klägerin keine sexuelle Beziehungen gepflogen, mit ihr also auch nicht am 16.Juli 1985 geschlechtlich verkehrt habe. Zu dieser Zeit sei er vielmehr in seinem Heimatort in Jugoslawien auf Urlaub gewesen. Das Erstgericht gab den beiden Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es traf zu dem im Revisionsverfahren im wesentlichen allein strittig gebliebenen Feststellungsbegehren unter anderem folgende vom Berufungsgericht auch übernommene Feststellungen:
Irene H***, die Mutter der am 27.April 1986 geborenen Klägerin, verkehrte im Juli 1985 geschlechtlich mit dem Beklagten. Auf Grund der vorliegenden Konstellation der Blutmuster von Mutter und Kind sind bei einer Stichprobe von 100 beliebig gewählten Männern 97 auf Grund der Blutmuster von der leiblichen Vaterschaft zu der Klägerin auszuschließen. Beim Beklagten besteht eine Verteilung der vererbbaren Blutkörperchenmerkmale und Serumeigenschaften in der Weise, daß er aber nicht als Zeuger des Kindes ausgeschlossen ist. Die biostatistisch ermittelte Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten beträgt nach Essen-Müller 91 %, was dem Kalkül "Vaterschaft wahrscheinlich" entspricht. Beim Weglassen des Pe-Systems und des Systems der Transferine ergäbe sich eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von sogar 96 %.
Bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß der festgestellte Zeitraum der Beiwohnung im Juli 1985 innerhalb der Vermutungsfrist des § 163 ABGB liege. Auf Grund des vorliegenden Sachverständigengutachtens sei der Gegenbeweis des Beklagten hinsichtlich der Vaterschaftsfrage als mißlungen zu betrachten. Unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse des klagenden Kindes und die festgestellten Einkommensverhältnisse des Beklagten erachtete das Erstgericht einen Unterhaltsbetrag von 900 S monatlich als angemessen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es trug wohl der in dessen Berufung erhobenen Mängel- und Tatsachenrüge Rechnung und wiederholte gemäß § 488 Abs 1 ZPO die in erster Instanz aufgenommenen Beweise. Auf Grund der Ergebnisse dieser Beweiswiederholung traf es zusätzlich zu dem übernommenen Sachverhalt noch folgende ergänzende Feststellungen:
Zwischen der Mutter des klagenden Kindes und dem Beklagten kam es einmal zu einem Geschlechtsverkehr, und zwar am Nachmittag des 16. Juni 1985 in einem Wald in Thalheim bei Wels. Die beiden hatten sich etwa eine Woche vorher kennengelernt, wobei sich der Beklagte fälschlich als Halbgrieche/Halbitaliener ausgab und seinen Namen mit "Michael D***" bezeichnete. Auch sprach er davon, Eigentümer eines grünen PKW der Marke Volvo zu sein, welches Fahrzeug zu dieser Zeit aber gerade in Reparatur gewesen sei. Nachdem Irene H*** von ihrem Frauenarzt erfahren hatte, daß sie schwanger sei, versuchte sie, ihren damaligen Sexualpartner zu treffen bzw. dessen Wohnsitz und Arbeitgeber ausfindig zu machen. Dies gelang ihr vorerst nicht, weil nach einer Meldeauskunft der Bundespolizeidirektion Wels eine Person mit dem Namen "Michael D***" in Wels nicht polizeilich gemeldet war und sie ihren damaligen Partner auch nicht zufällig wieder traf. Schließlich nahm ihre Schwester, Brigitte H***, der sie von der Schwangerschaft erzählt und ihren damaligen Partner beschrieben hatte, dessen Ausforschung in die Hand. Dabei erfuhr sie von einer namentlich nicht bekannten Person, daß die Beschreibung auf einen Buschauffeuer der Fa.S*** passe, der den Vornamen "Michael" trage und häufig im "Cafe-Zentral" in Wels verkehre. Von der Fa.S*** wurde Brigitte H*** dann der richtige Name des Beklagten bekanntgegeben. Aus einer neuerlichen Anfrage beim Meldeamt wußten die Schwestern H*** auch, daß der Beklagte verheiratet ist und drei eheliche Kinder hat. Etwa im Februar 1986 wandte sich Irene H*** an die Leiterin des Frauenhauses in Wels, wobei sie erklärte, daß sie von einem Mann, der wahrscheinlich Italiener sei und den sie in Wels schon öfters gesehen habe, dessen Namen sie aber nicht kenne, ein Kind erwarte. Da zwischenzeitig der Name und der Wohnsitz des Beklagten ausgeforscht werden konnten, wurde dieser schließlich aufgefordert, am 14.April 1986 in das Frauenhaus zu kommen. Bei einer Gegenüberstellung mit Irene H*** behauptete der Beklagte, Irene H*** nicht zu kennen und sie zum ersten Mal zu sehen. Irene H*** hingegen identifizierte den Beklagten eindeutig als jenen Mann, mit dem sie am 16.Juli 1985 geschlechtlich verkehrt hatte. Auf die Frage der Leiterin des Frauenhauses gab der Beklagte an, er könne schon deshalb nicht der Gesuchte sein, weil er nicht Italiener sei. Nach dem erwähnten Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten hatte Irene H*** in der kritischen Zeit, und zwar im Herbst und Winter 1985 noch sexuelle Kontakte mit einem Italiener, von dem sie nur den Vornamen "Fabrizio" kannte, und mit einem weiteren Mann, mit dem sie bis Ende 1985 auch näher befreundet war. Im November oder Dezember 1987 trafen einander der Beklagte und Irene H*** zufällig in der Innenstadt von Wels. Bei einer anschließenden Aussprache in einem Cafe entschuldigte sich der Beklagte dafür, daß er bei der Begegnung im Frauenhaus "so gemein" zu ihr gewesen sei. In der Folge besuchte er die Mutter des klagenden Kindes mehrmals in deren Wohnung in Wels, Ingeborg-Bachmann-Straße 16. Er lud sie auch einige Male zum gemeinsamen Essen ein und wollte sie schließlich sogar überreden, mit ihm zusammenzuziehen. Über deren Veranlassung kaufte er für die nunmehrige Klägerin auch einige kleinere Geschenke. Da Irene H*** aber an näheren Kontakten mit dem Beklagten nicht mehr interessiert war, kam es in der Folge zu keinen derartigen Besuchskontakten mehr. Auch bei einem zufälligen Zusammentreffen zwischen Brigitte H*** und dem Beklagten im November 1987 gab letzterer zu verstehen, daß er einen guten Kontakt mit der ganzen Familie haben möchte, zumal er nach dem eingeholten Blutgruppengutachten zu einem hohen Prozentsatz als der Vater des klagenden Kindes anzusehen sei und er Irene H*** bei der Begegnung im Frauenhaus nicht wieder erkannt habe. Zu dieser Zeit fuhr der Beklagte einen weinroten PKW der Marke Opel Commodore. Am 23.Juli 1985 kaufte der Beklagte bei der Hans G*** KG in Wels einen PKW Volvo 244 L, grün, welches Fahrzeug am 26.Juli 1985 bei der Bundespolizeidirektion Wels zum Verkehr zugelassen wurde. Die mj. Nina Victoria wächst im Haushalt ihrer Mutter auf und wird von dieser betreut und versorgt. Der Beklagte lebt seit etwa 20 Jahren in Österreich. Er ist verheiratet. Dieser Ehe entstammen drei minderjährige in der Zeit von 1972 bis 1979 geborene Kinder. Das Berufungsgericht traf darüber hinaus auch noch im einzelnen Feststellungen über die Einkommensverhältnisse des Beklagten, seiner Frau und des ältesten Kindes.
Von dieser derart erweiterten Sachverhaltsgrundlage ausgehend gelangte das Berufungsgericht zu der Annahme, daß der Beklagte der Mutter der Klägerin in der kritischen Zeit beigewohnt habe und diesem unter Zugrundelegung der Ergebnisse des eingeholten Blutgruppengutachtens auch der Entkräftungsbeweis im Sinne des § 163 Abs 2 ABGB nicht gelungen sei. Er habe daher gemäß §§ 140, 166 ABGB zum Unterhalt der Klägerin, die sich in Pflege und Erziehung ihrer Mutter befinde, nach seiner Leistungsfähigkeit in Form einer monatlichen Geldrente beizutragen, deren Ausmessung mit 900 S monatlich durch das Erstgericht es angemessen erachtete. Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, sie aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Sachverhaltsergänzung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung "des Klagebegehrens zur Gänze" beantragt.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als verspätet zurückzuverweisen und hilfsweise, ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist rechtzeitig erhoben worden (§ 125 Abs 2 ZPO), zulässig (§ 502 Abs 5 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983), aber nicht berechtigt.
Die in der Revision geltend gemachte, in der Unterlassung der amtswegigen Ausforschung und Vernehmung von zwei Männern, mit welchen die Mutter der Klägerin in der kritischen Zeit auch noch "geschlechtlich verkehrt" habe, erblickte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) ist nicht gegeben. Wenngleich das Gericht im Verfahren über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind von Amts wegen dafür zu sorgen hat, daß alle für die Entscheidung wichtigen Umstände aufgeklärt werden (Art. V Z 5 UeKindG), so geht der Untersuchungsgrundsatz doch nicht so weit, daß sämtliche erdenklichen Beweise aufgenommen werden müßten; seine Handhabung steht vielmehr im richterlichen, wenn auch pflichtgemäßen Ermessen (EFSlg 33.589, 43.308, 51.252 ua). Aus der Aussage der Mutter der Klägerin als Zeugin vor dem Berufungsgericht ergibt sich wohl, daß sie mit dem Italiener, von dem sie lediglich den Vornamen kennt, "Geschlechtsverkehr" hatte und auch von Oktober bis Silvester 1985 mit einem anderen Mann "intim" geworden war. Den Angaben dieser Zeugin vor dem Berufungsgericht ist aber auch zu entnehmen, daß bei ihr schon vor dem Geschlechtsverkehr mit dem Italiener namens Fabrizio im Ultraschall ihre Schwangerschaft festgestellt worden sei und sie von Oktober bis Silvester 1985 bereits schwanger war. Im Rahmen der Einrede des Mehrverkehrs muß die Behauptung, für einen anderen Mann spräche ein größeres Maß von Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft, konkretisiert werden. Amtswegige Nachforschungen in dieser Richtung sind nicht erforderlich (vgl. Schwind in Ehrenzweig3, Familienrecht 179 samt Rechtsprechungshinweis). Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen es unterließ, die Identität der beiden Männer zu erheben und diese in serologische Untersuchungen einzubeziehen, so kann darin kein Verfahrensmangel erblickt werden, zumal bei dem vorliegenden Sachverhalt von einem größeren Maß von Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft dieser Personen keine Rede sein kann. Im übrigen kann der Oberste Gerichtshof auch im Abstammungsverfahren nicht überprüfen, ob die vorliegenden Beweisergebnisse ausreichen oder ob Kontrollbeweise notwenig sind.
In seiner Rechtsrüge vertritt der Revisionswerber die Ansicht, seine Vaterschaft könne auch auf der Grundlage der ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht als erwiesen angenommen werden. Insoweit der Beklagte dabei den Umstand mitberücksichtigt wissen will, daß er die Feststellung der Vorinstanzen über die Beiwohnung nach wie vor bestreite, bringt er seine Rechtsrüge ebensowenig zur gesetzlichen Darstellung wie bei der Annahme, daß durch die Beiwohnung unbekannter Dritter in der kritischen Zeit der Beweis erbracht sei, daß die Vermutung der Zeugung mit gleicher Wahrscheinlichkeit auch auf andere Männer zutreffe. Die Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB kann nach Abs 2 leg.cit. durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft entkräftet werden, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spricht, daß er das Kind gezeugt habe; weiters auch durch den Beweis, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher als die eines anderen Mannes ist, für den die Vermutung gleichfalls gilt. Der Beweis der "absoluten Unwahrscheinlichkeit" der Zeugung (Abs 2 erster Halbsatz) wurde im Hinblick auf die Ergebnisse des Sachverständigenbeweises, nach dem die "Vaterschaft wahrscheinlich" ist, nicht erbracht. Da nach der Aktenlage im vorliegenden Fall aber auch nicht gesagt werden kann, daß die Vermutung der Vaterschaft auf mindestens einen anderen Mann auch zutrifft und die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft dieses Mannes größer ist, erscheint die den Beklagten treffende gesetzliche Vermutung auch nicht durch den Nachweis "relativen Unwahrscheinlichkeit der Zeugung" (Abs 2 zweiter Halbsatz leg.cit.) widerlegt. Die Stattgebung des auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin gerichteten Klagebegehrens durch das Berufungsgericht entspricht somit der Sach- und Rechtslage, wobei es sich erübrigt, auf die in der Revision schließlich noch angestellten theoretischen Erörterungen verschiedener Fallkonstellationen einzugehen.
Da in der Revision Gründe gegen die aufrechte Erledigung des Unterhaltsbegehrens dem Grunde nach nicht geltend gemacht wurden und solche auch nicht ersichtlich sind, konnte der Revision kein Erfolg beschieden sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)