OGH 9ObA251/89

OGH9ObA251/8927.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Alfred Mayer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P*** DER B*** DER

M*** P***, vertreten durch den Obmann des Personalvertretungsausschusses Renate H***, diese vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** P***, vertreten durch den Bürgermeister Karl F***, Gemeindeamt, Pfaffstätten, dieser vertreten durch Dr. Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 1989, GZ 33 Ra 23/89-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Dezember 1988, GZ 4 Cga 562/88-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.087 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Seit dem Jahr 1945 wurde allen weiblichen Vertragsbediensteten der beklagten Partei monatlich ein "Wirtschaftstag" (Freizeit unter Aufrechterhaltung der vollen Bezüge) gewährt. Bei der beklagten Partei sind derzeit 4 weibliche Vertragsbedienstete beschäftigt. Renate H*** wurde 1972, Gertrude F*** 1977 und Beatrix E*** 1981 eingestellt. In allen Aufnahmegesprächen wurde vom damaligen Bürgermeister Johann H*** ausdrücklich auf den Wirtschaftstag hingewiesen. Allen genannten weiblichen Vertragsbediensteten, für die diese Vergünstigung ein wesentliches Motiv für den Eintritt in den Dienst der beklagten Partei war, wurde der Wirtschaftstag bis Ende 1987 regelmäßig monatlich gewährt. Nachdem Bürgermeister Franz F***, der am 10. Februar 1987 angelobt worden war, anfänglich den Wirtschaftstag in der gleichen Form wie seine Vorgänger gewährt hatte, erklärte er in einer Besprechung, an der auch der Obmann des Personalvertretungsausschusses teilnahm, im Dezember 1987, daß der Wirtschaftstag "gestrichen" werde. Bürgermeister F*** hatte bereits im Mai 1987 zum Ausdruck gebracht, daß er diese Einrichtung nicht zeitgemäß erachte und die Absicht habe, sie nicht weiter aufrecht zu erhalten. Ab Dezember 1987 wurden Wirtschaftstage von der beklagten Partei nicht mehr gewährt. Der Vertragsbediensteten R***, die mit 1. Oktober 1988 bei der beklagten Partei eingestellt wurde, erklärte der Bürgermeister vom Beginn ihres Dienstverhältnisses an, daß ein Wirtschaftstag nicht gewährt werde. Die Gewährung des Wirtschaftstages an die weiblichen Vertragsbediensteten wurde in einem Prüfungsbericht des Amtes der NÖ. Landesregierung vom 15. Dezember 1987 beanstandet.

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß den (vier) weiblichen Vertragsbediensteten im Verwaltungsdienst der beklagten Partei das Recht auf monatlich einen Wirtschaftstag (Freizeit an einem Arbeitstag) bei vollem monatlichen Entgelt zustehe. Der Wirtschaftstag sei seit 1945 automatisch gewährt und bei der Aufnahme ausdrücklich zugesagt worden. Dieses Recht könne nicht mehr einseitig zu Ungunsten der Bediensteten aberkannt werden. Im übrigen habe die beklagte Partei entgegen den Bestimmungen des NÖ. Personalvertretungsgesetzes weder versucht, das Einvernehmen mit der Personalvertretung herzustellen noch der Personalvertretung das Abgehen von der bisherigen Regelung fristgerecht mitgeteilt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Gewährung des Wirtschaftstages sei seinerzeit in der Nachkriegssituation begründet gewesen; diese Gründe seien nunmehr weggefallen. In keinem der Dienstverträge sei der Wirtschaftstag erwähnt; es habe sich bei der faktischen Gewährung um eine freiwillige jederzeit widerrufliche Sozialleistung gehandelt; ein Rechtsanspruch der weiblichen Vertragsbediensteten lasse sich hieraus nicht ableiten. Der jeweils amtierende Bürgermeister habe keine Zusagen betreffend die Gewährung des Wirtschaftstages gemacht; etwaige Zusagen wären auch nicht rechtsverbindlich, da die Aufnahme von ständigen Bediensteten ausschließlich dem Gemeinderat zukomme. Dieser sei aber mit der Frage des Wirtschaftstages nie befaßt worden. Die Gewährung des Wirtschaftstages sei überdies gesetz- und gleichheitswidrig.

Das Erstgericht wies das Begehren der klagenden Partei ab. Den Vertragsbediensteten E***, F*** und H*** stehe wohl aufgrund der bei der Einstellung vom Bürgermeister abgegebenen Zusage und der jahrelangen durchgehenden Übung der geltend gemachte Anspruch zu. Die Voraussetzungen für eine besondere Feststellungsklage seien jedoch nicht gegeben, weil die aus den Einzelzusagen abgeleiteten Rechte keine Rechtswirkungen für sämtliche Dienstnehmer begründen könnten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge; es stellte fest, daß den bis 30. September 1988 aufgenommenen weiblichen Bediensteten im Verwaltungsdienst der beklagten Partei das Recht auf monatlich einen Wirtschaftstag (Freizeit an einem Arbeitstag) bei vollem Monatsentgelt zustehe und wies das Mehrbegehren hinsichtlich der ab 1. Oktober 1988 aufgenommenen weiblichen Bediensteten ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes sowohl hinsichtlich des stattgebenden als auch des abweisenden Teiles 30.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Es bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Abs 1 ASGG und führte aus, daß eine Erklärung des Bürgermeisters der Gemeinde dann zuzurechnen sei, wenn dieser nach den Organisationsvorschriften auch zur Besorgung dieser Angelegenheit berufen sei. Gemäß § 49 NÖVBG sei der Bürgermeister für alle Urlaubsfragen und daher auch für die Erteilung von Sonderurlauben nach § 49 leg cit zuständig. Die Gewährung eines Wirtschaftstages oder von 12 Wirtschaftstagen jährlich sei aber nichts anderes als die Gewährung eines bezahlten Sonderurlaubes für einzelne Tage. Durch die laufende Gewährung dieser Dienstfreistellung sei eine betriebliche Übung geschaffen worden. Wenn auch die bei Arbeitsbeginn gemachten Zusagen an die weiblichen Vertragsbediensteten nicht der Zielsetzung des § 49 NÖVBG entsprächen, sei die Vorgangsweise der Bürgermeister dennoch im Gesetz gedeckt. Die Vertragsbediensteten H***, F*** und E*** hätten daher einen Rechtsanspruch auf die Gewährung des Wirtschaftstages erworben. Der Vertragsbediensteten R***, die nach dem 30. September 1988 aufgenommen worden sei, sei ausdrücklich erklärt worden, daß ein Wirtschaftstag nicht zustehe, sodaß sie keinen Anspruch hierauf habe.

Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in klageabweisendem Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Voraussetzungen des § 54 Abs 1 ASGG liegen hier vor. Das geltend gemachte Feststellungsbegehren berührt Rechtsansprüche von 4 Arbeitnehmerinnen der beklagten Partei. Die betroffenen Personen sind als Vertragsbedienstete der beklagten Partei Arbeitnehmer iS des § 51 Abs 1 ASGG (so Hauptgruppen 4 und 9 der Anlage 1 zum ASGG). Gemäß § 53 Abs 1 ASGG sind die Organe der Arbeitnehmerschaft mit Ausnahme der Betriebs-, Betriebshaupt-, Betriebsräte-, Betriebsgruppen- und der Jugendversammlung parteifähig und damit zur Erhebung der Klage gemäß § 54 Abs 1 ASGG legitimiert. Wenn auch die Bestimmung des § 53 Abs 1 ASGG, wie die Aufzählung der Ausnahmen zeigt, primär die Organe der Arbeitnehmerschaft iS des Arbeitsverfassungsgesetzes vor Augen hat, kann dem Gesetz eine Beschränkung auf diese Organe nicht entnommen werden. Der Personalvertretung kommt vielmehr nach den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen (hier NÖ. Gemeinde-Personalvertretungsgesetz) für den Bereich des öffentlichen Dienstes eine den Organen der Arbeitnehmerschaft nach dem ArbVG entsprechende Stellung zu. Sie sind daher Organe der Arbeitnehmerschaft iS § 53 Abs 1 ASGG und zur Erhebung der Klage nach § 54 Abs 1 ASGG daher legitimiert. Abgesehen davon, daß der Umstand, daß die betreffenden Arbeitnehmer in derselben Angelegenheit Individualklagen erhoben haben, in erster Instanz nicht aktenkundig wurde, ist die Einleitung und Führung eines besonderen Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Abs 1 ASGG ungeachtet eines zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar anhängigen, noch nicht abgeschlossenen Prozesses zulässig (527 BlgNR 16. GP, 8; Kuderna, ASGG, 298).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Bestimmung des § 32 NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz (NÖ GVBG, der dem § 49 des vom Berufungsgericht irrtümlich herangezogenen NÖ VBG entspricht), bietet jedoch keine Rechtsgrundlage für den erhobenen Anspruch. Gemäß § 93 Abs 1 NÖ Gemeinde-Beamtendienstordnung 1976 (GBDO), auf den diese Norm verweist, ist der Bürgermeister (Magistratsdirektior, Leitender Gemeindebeamte) ermächtigt, über begründetes Ersuchen einem Gemeindebeamten einen bezahlten Sonderurlaub in der Höchstdauer von 8 Tagen im Jahr zu erteilen. Einen längeren Sonderurlaub kann der Gemeinderat über begründetes Ersuchen nur nach Beratung mit der Personalvertretung bewilligen; entsprechende Bestimmungen waren im NÖ GVBG 1960 bzw in der GBDO 1960 enthalten. Aus dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstellen ergibt sich, daß sich die im § 93 Abs 1 GBDO vorgesehene Ermächtigung nur auf die Bewilligung von Sonderurlaub in einem bestimmten Einzelfall aufgrund eines begründeten Ersuchens erstreckt. Diese Ermächtigung des Bürgermeisters umfaßt jedoch nicht die bindende Zusage eines über die Bestimmungen des NÖ GVBG hinausgehenden Jahresurlaubes für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses. Eine solche Regelung könnte nur Gegenstand des Dienstvertrages sein. Da ein solcher Vertrag zugunsten des Vertragsbediensteten von den Bestimmungen des NÖ GVBG abweichen würde, bedürfte er als Sondervertrag (§ 41 NÖ GBVG) der Zustimmung des Gemeinderates. Dafür, daß der Gemeinderat der beklagten Partei den Dienstverträgen, in denen die Gewährung eines monatlichen Wirtschaftstages für die weiblichen Vertragsbediensteten vorgesehen gewesen ist, zugestimmt hätte, bestehen keine Anhaltspunkte. Feststeht lediglich, daß anläßlich des Abschlusses des Dienstvertrages der Bürgermeister eine entsprechende Zusage machte, der allerdings nach den Organisationsvorschriften zum Abschluß einer derartigen Vereinbarung nicht ermächtigt war.

Auch wenn eine Handlung von einem hiezu nicht ermächtigten Organ der Gebietskörperschaft vorgenommen wurde und dieser daher gemäß § 867 ABGB nicht zuzurechnen ist, ist aber der Dritte in seinem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand insbesondere dann zu schützen, wenn das kompetente Organ - im Wege einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht - den Anschein erweckt hat, die Handlung sei durch seine Beschlußfassung gedeckt (JBl 1962, 197; Eccher-Purtscheller,

Zur Gültigkeit privatrechtlicher Verträge juristischer Personen des öffentlichen Rechtes JBl 1977, 561 ff insbesonders 570, wonach auch eine Vernachlässigung der Kontrollpflichten durch das zuständige Organ zur Begründung einer Duldungsvollmacht führen kann; ferner Wilhelm, Die Vertretung Gebietskörperschaften im Privatrecht, 125; derselbe, Vertretung von Gebietskörperschaften und organschaftliche Vertretungsmacht und deren Übertragung, ÖJZ 1983, 181; Rummel in Rummel ABGB § 867 Rz 9; vgl. auch W. Schwarz, RdW 1989, 40). Die vor dem Jahr 1988 aufgenommenen Vertragsbediensteten erhielten nach den Feststellungen entsprechend einer vom Bürgermeister bei der Aufnahme gegebenen Zusicherung mehrere Jahre hindurch monatlich einen Tag Dienstfreistellung gewährt und durften davon ausgehen, daß dies nicht ohne Zustimmung des Gemeinderates erfolgte. Da das zur Entscheidung über diese Sonderregelung des Dienstvertrages berufene Organ der Gemeinde, der Gemeinderat, dem der Bürgermeister für seine Amtsführung verantworltich ist (§ 41 NÖ Gemeindeordnung) hierauf nicht reagierte, obwohl besonders im Hinblick auf die überschaubare Organisationsgröße der beklagten Partei die regelmäßige Gewährung des Wirtschaftstages den Mitgliedern des Gemeinderates nicht verborgen bleiben konnte, ist auch der zur Verpflichtung der beklagten Partei erforderliche Beitrag des dafür handlungsberechtigten Organs zum äußeren Tatbestand gegeben. Eine durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung derartiger Leistungen des Arbeitgebers an bestimmte Arbeitnehmer begründete Übung wird, soweit sie den Willen des Arbeitgebers, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, infolge der gleichfalls schlüssigen (§ 863 ABGB) Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der Einzelarbeitsverträge (siehe Spielbüchler in Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 189, mit abweichender Auffassung zu der die Verbindlichkeit begründenden Verpflichtungsform DRdA 1980, 318 !Kerschner ; DRdA 1981, 42 !Spielbüchler = Arb 9812 = ZAS 1980, 178 !Mayer-Maly ; JBl 1985, 632; Arb 10.434; DRdA 1987, 298 !Schwarz ; JBl 1988, 333 !Schima ; DRdA 1989, 33 !Schwarz ; 9 Ob A 78/89).

Infolge der durch viele Jahre geübten Praxis, den weiblichen Vertragsbediensteten einen Tag Freizeit im Monat bei vollen Bezügen ohne Anrechnung auf den Urlaubsanspruch zu gewähren, wurde diese Maßnahme Gegenstand des Dienstvertrages, und die weiblichen Vertragsbediensteten, die vor 1988 eingetreten sind, haben somit einen einzelvertraglichen Anspruch auf die Gewährung des Wirtschaftstages für die Dauer des Dienstverhältnisses erworben. Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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