OGH 10ObS198/89

OGH10ObS198/8926.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und Dr.Günther Schön (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinrich Z***, 2033 Kammersdorf 42, vertreten durch Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagte Partei S*** DER

B***, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Jänner 1989, GZ 32 Rs 278/88-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14.September 1988, GZ 17 Cgs 60/88-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 11.Oktober 1930 geborene Kläger bewirtschaftete bis 31. Mai 1987 eine Landwirtschaft im Ausmaß von rund 42 ha, davon etwa 33 ha Eigenfläche und 9 ha Pachtfläche. Der Einheitswert des Betriebes beträgt S 610.000, jener der Eigenfläche S 510.000. Es wird Viehhaltung mit 350 Mast- und Zuchtschweinen, deren Fütterung und Ausmistung von Hand erfolgt, sowie auf den leicht zu bewirtschaftenden Flächen der Anbau von Getreide, Mais und Sojabohnen betrieben. Der erforderliche Maschinenpark ist vorhanden. Das landwirtschaftliche Einkommen des Klägers beträgt jährlich rund S 400.000 und dient in erster Linie zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten und dem Privatverbrauch der Familie. Der Kläger übergab zum 1.Juni 1987 die Landwirtschaft seinem Sohn, der seit 1987 in der väterlichen Landwirtschaft tätig ist, zuvor besuchte er Schulen. Die Ehefrau des Klägers konnte in den letzten fünf Jahren auf Grund ihres Gesundheitszustandes keine schweren Arbeiten durchführen. Der Kläger verrichte sämtliche in der Landwirtschaft anfallenden Arbeiten und seit dem Eintritt seines Sohnes in die Landwirtschaft 1987 gemeinsam mit diesem ohne fixe Arbeitsaufteilung. Die im Betrieb anfallenden Arbeiten teilen sich zu 25 % in schwere, zu 65 % in mittelschwere und zu 10 % in leichte Arbeiten.

Dem Kläger sind leichte, mittelschwere und fallweise schwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen in normaler Arbeitszeit, bei Einhaltung der üblichen Pausen zumutbar. Der Kläger kann schwere Arbeiten, bezogen auf einen Arbeitstag von etwa 20 % durchführen, damit ist auch Bücken und eine Gewichtsgrenze von 30 kg verbunden. Ab 1.September 1988 wurden 28 ha des Besitzes verpachtet, weil der Sohn nicht in der Lage ist, den landwirtschaftlichen Betrieb in dieser Größe allein zu führen. Aus den Erträgnissen der Landwirtschaft kann eine Fremdarbeitskraft nicht bezahlt werden, für den Betrieb sind zwei ständige Arbeitskräfte unbedingt erforderlich, mit einer stundenweisen Aushilfskraft kann nicht das Auslangen gefunden werden. Eine Umstellung des Betriebes ist nicht möglich, weil dies eine Einkommensverringerung mit sich brächte. Betriebe in der Größenordnung wie jener des Klägers, die einen Disponenten beschäftigen, gibt es nicht, hiezu fehlte es dem Kläger auch an der entsprechenden Ausbildung.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Juni 1987 zu gewähren und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung auf.

Der Kläger sei erwerbsunfähig im Sinne des § 124 Abs 2 BSVG, weil die im Betrieb erforderlichen Schwerarbeiten das Leistungskalkül des Klägers überstiegen und die persönliche Arbeitsleistung des Klägers für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich sei. Eine Fremdarbeitskraft könne aus den Erträgnissen nicht bezahlt werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß der Versicherungsfall dann nicht eingetreten sei, wenn das dem Antragsteller verbleibende Leistungskalkül dazu ausreiche, eine zwar eingeschränkte aber jedenfalls noch existenzsichernde selbständige Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft auszuüben. Unter gänzlicher Mithilfe seines Sohnes, wie dies bereits seit 1987 erfolgte, könne der Betrieb wie bisher weitergeführt werden. Auf Grund seines Einkommens sei der Kläger auch in der Lage, dem Sohn einen angemessenen Lohn zu bezahlen, es sei daher möglich, daß die Schwerarbeiten so weit der Kläger sie nicht selbst verrichten könne, durch seinen Sohn entgeltlich verrichtet würden, der Kläger könne der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit auch weiterhin nachgehen, weil er die gesundheitlichen Einschränkungen durch Fremdhilfe ausgleichen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der gerügte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor. An der Berufungsentscheidung haben zwei fachkundige Laienrichter mitgewirkt, die beide zwar nicht der Berufsgruppe der Bauern, wohl aber dem Kreis der Arbeitgeber angehören. Nach § 12 Abs 3 erster Halbsatz ASGG sollen in Sozialrechtssachen die fachkundigen Laienrichter den Berufsgruppen der Versicherten und ihrer Arbeitgeber angehören, wenn im Einzelfall besondere Kenntnisse bezüglich der Berufsausbildung des Versicherten von Bedeutung sein können. Gemäß § 37 Abs 2 ASGG kann ein Verstoß unter anderem gegen § 12 Abs 3 erster Halbsatz nicht geltend gemacht werden. Da somit nicht einmal ein relevanter Verfahrensmangel vorliegt, kann von einer Nichtigkeit keine Rede sein.

Nach § 124 Abs 2 BSVG gilt ein Versicherter, der das 55. Lebensjahr vollendet hat und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war als erwerbsunfähig, wenn er infolge Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mehr als 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Unter der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes ist die ausführende Mitarbeit zu verstehen, die notwendig sein muß, um wirtschaftlich gesehen, den vom Versicherten zuletzt geführten Betrieb rentabel aufrechtzuerhalten. Der Betrieb des Klägers wurde als Familienbetrieb geführt, in welchem die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung unbestritten erforderlich war und in welchem zunächst der Kläger die Schwerarbeiten verrichtete, da seine Ehefrau keine schweren Arbeiten verrichten konnte und in welchem sich die schweren Arbeiten in der Folge mehr auf den seit 1987 mitarbeitenden Sohn verlagerten. Für einen Betrieb dieser Größe sind nach den Feststellungen zwei ständige Arbeitskräfte erforderlich. Daß die zweite Arbeitskraft nun nicht mehr aus dem Kreis der Familie zur Verfügung steht, eine Fremdarbeitskraft aber aus den Erträgnissen nicht bezahlt werden kann, kann dem Sozialversicherungsträger nicht zur Last fallen; sonst läge nämlich auch bei völliger Arbeitsfähigkeit des Klägers Erwerbsunfähigkeit vor. Es kommt daher nicht darauf an, ob aus den Erträgnissen eine Fremdarbeitskraft bezahlt werden kann. Bei zwei Arbeitskräften aber können die Arbeiten so verteilt werden, daß von den 25 % Schwerarbeiten auf den Kläger nur die ihm noch möglichen 20 % der Schwerarbeiten fallen.

Die noch vorhandene Arbeitskraft des Klägers reicht zu einer rentablen Aufrechterhaltung des Betriebes bei entsprechender Organisation aus. Der Kläger ist daher nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 124 Abs 2 BSVG.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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