Spruch:
Im Verfahren 10 U 794/88 des Bezirksgerichts Innsbruck verletzt der Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Beschwerdegerichts vom 17. Jänner 1989, Bl 555/88, die §§ 46 Abs. 1, 451 Abs. 2 und 481 StPO.
Text
Gründe:
I.
Am 25.November 1988 beantragte Georg S*** beim Bezirksgericht Innsbruck (10 U 794/88) als Privatankläger gegen insgesamt vierzehn namentlich angeführte Personen die Einleitung der Voruntersuchung gemäß § 46 Abs. 1 StPO wegen "§ 111 StGB, allenfalls §§ 115, 152 StGB": Er erachtete sich durch den Inhalt einer von den Beschuldigten am 30.September 1988 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten und ihm am 25.Oktober 1988 zur Kenntnis gelangten Strafanzeige, in welcher gegen ihn der Vorwurf der Untreue erhoben worden war, in seiner Ehre verletzt (§ 111 StGB, eventuell § 115 StGB) und allenfalls auch in seinem Kredit, Erwerb oder beruflichen Fortkommen geschädigt (§ 152 StGB). Der Privatankläger strebte mit dem formell verfehlten Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung (siehe § 451 Abs. 1, erster Satz, StPO) die gerichtliche Einvernahme sämtlicher in der Privatanklage angeführten Personen und somit der Sache nach deren verantwortliche Abhörung gemäß § 38 Abs. 3 StPO an (S. 7, 8, 9, 10). Dadurch sollte vor allem geklärt werden, ob der gleichfalls beschuldigte Rechtsanwalt Dr. Hermann G*** die vorerwähnte Strafanzeige und die darin enthaltenen Vorwürfe über Auftrag der übrigen, als Anzeiger aufscheinenden Personen und auf Grund einer entsprechenden Information erstattet hatte. Mittels der gerichtlichen Abhörung der Beschuldigten (zu dieser Bezeichnung siehe § 451 Abs. 3 StPO) strebte der Privatankläger eine Klarstellung an, ob und in welchem Umfang den Anzeigern die mehrfachen, in der Strafanzeige enthaltenen ehrenrührigen (und kreditschädigenden) Angriffe zum Vorwurf gemacht werden könnten.
Das Bezirksgericht Innsbruck verfügte am 12.Dezember 1988 antragsgemäß die Vorladung sämtlicher Beschuldigten. Dagegen haben Dr. Hermann G*** und elf weitere Geladene eine Beschwerde mit dem Antrag auf Verfahrenseinstellung eingebracht.
Mit dem Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Beschwerdegerichts vom 17.Jänner 1989, Bl 555/88, wurde diesen Beschwerden (mit Ausnahme einer verspätet eingebrachten) Folge gegeben und das Strafverfahren 10 U 794/88 des Bezirksgerichts Innsbruck hinsichtlich sämtlicher Beschuldigten unter gleichzeitiger Aufhebung der verfügten Vorladung dieser Personen gemäß § 451 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Landesgericht schloß sich hiebei im wesentlichen der Argumentation der einzelnen Beschwerdeführer an und führte aus, daß im bezirksgerichtlichen Verfahren die vom Privatankläger begehrte Einleitung der Voruntersuchung unzulässig (und demnach unwirksam) sei und daß zur Wahrung der sechswöchigen Frist des § 46 Abs. 1 StPO nur ein innerhalb dieser Frist beim Bezirksgericht gestellter Antrag auf Bestrafung der Beschuldigten in Betracht käme. Ein Privatankläger könne zwar im bezirksgerichtlichen Verfahren die Durchführung von Vorerhebungen verlangen (siehe § 46 Abs. 2 Anfang StPO), ein solches, innerhalb der sechswöchigen Frist gestelltes Begehren sei aber zur Wahrung des Privatanklagerechts nicht ausreichend.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluß des Landesgerichts Innsbruck steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
II.
Das gemäß § 481 StPO im bezirksgerichtlichen Verfahren eingeräumte Beschwerderecht an den Gerichtshof erster Instanz erstreckt sich nur auf Entscheidungen des Bezirksgerichts, insofern sie der Berufung nicht unterliegen, nicht aber auf bloß prozeßleitende Verfügungen (Foregger-Serini-Kodek MKK4 Anm. I zu § 481 StPO; Lohsing-Serini S. 532), wozu auch gerichtliche Vorladungen gehören. Die gegen die vom Bezirksgericht verfügten Beschuldigtenladungen gerichteten Beschwerden waren sonach unzulässig und wären vom Beschwerdegericht zurückzuweisen gewesen.
III.
Aber auch die Verfahrenseinstellung (§ 451 Abs. 2 StPO) aus dem Grund, das Privatanklagerecht sei mangels eines innerhalb der sechswöchigen Frist des § 46 Abs. 1 StPO, also bis zum 6. Dezember 1988 gestellten Bestrafungsantrags erloschen, erweist sich als gesetzwidrig.
Gemäß § 46 Abs. 1 StPO muß eine zur Privatanklage berechtigte Person bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechts binnen sechs Wochen ab Kenntnis der Tat und des Verdächtigen einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen. Dieser Antrag kann auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein, er ist beim Strafgericht mündlich oder schriftlich zu stellen. § 46 Abs. 2 Anfang StPO berechtigt den Privatankläger indessen, während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung dem Gericht alles an die Hand zu geben, was seine Anklage unterstützen kann, in die Akten Einsicht zu nehmen und zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte bei Gericht einzuleiten, zu denen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist.
Zur Wahrung der sechswöchigen Frist des § 46 Abs. 1 StPO ist demnach nur erforderlich, daß eine zur Privatanklage berechtigte Person, die auch erkennbar nach außen hin als Privatankläger (mit den damit verbundenen Rechtswirkungen) auftritt, innerhalb dieser Frist beim Strafgericht einen Verfolgungsantrag stellt. Schon aus der Formulierung im § 46 Abs. 1, zweiter Satz, StPO, daß der Antrag auf die Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein kann, geht hervor, daß ein zur Wahrung des Privatanklagerechts innerhalb der Frist von sechs Wochen gestellter Verfolgungsantrag keineswegs in einem Antrag auf Bestrafung des Täters bestehen muß. Dies folgt weiters aus dem einem Privatankläger im § 46 Abs. 2 Anfang StPO eingeräumten Recht, die Durchführung von Vorerhebungen zu verlangen, die - zumal das Gesetz insoweit keine Unterscheidung trifft - beim Gerichtshof und beim Bezirksgericht sowohl gegen unbekannte Täter als auch gegen bekannte Täter zulässig sind (SSt 27/26 und SSt 32/6). Müßte aber, wie das Landesgericht, Foregger-Serini-Kodek MKK.4 S. 83 und S. 137 und Bertel, Grundriß2 RN 208 und 532, meinen, der Privatankläger zur Wahrung seines Verfolgungsrechts vor dem Bezirksgericht, wo eine Voruntersuchung nicht stattfindet (§ 451 Abs. 1 StPO), innerhalb der sechswöchigen Frist jedenfalls einen Antrag auf Bestrafung des Täters stellen, so wäre das im § 46 Abs. 2 Anfang StPO verankerte Recht des Privatanklägers, die Durchführung von Vorerhebungen zu begehren, oftmals bedeutungslos: Binnen der Frist von sechs Wochen sind nämlich erfahrungsgemäß Vorerhebungen vielfach, etwa im vorliegenden Fall zur Klärung der Verantwortlichkeit einer Mehrzahl von zum Teil im Ausland wohnhaften Beschuldigten, gar nicht durchführbar. Gerichtliche Vorerhebungen in einem Privatanklageverfahren vor einem Bezirksgericht können aber, wie gerade die gegenständliche Sache augenfällig zeigt, durchaus zweckmäßig sein, um zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang mehrere der Tat verdächtige Personen wegen einer bestimmten, dem Privatanklagerecht unterliegenden strafbaren Handlung zur Verantwortung gezogen werden können. In einem solchen Fall kann für die Wahrung des Privatanklagerechts nur entscheidend sein, ob der Privatankläger innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 StPO beim Strafgericht gegen eine bestimmte Person einen Verfolgungsantrag stellt. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof bereits in seinen Entscheidungen vom 4. Mai 1956, SSt. 27/26, und vom 11.Jänner 1961, SSt. 32/6, einen fristgerecht gestellten Vorerhebungsantrag für die Wahrung des Verfolgungsrechts genügen lassen (obwohl damals § 530 StG 1945 noch davon sprach, daß durch sechs Wochen nicht "Klage geführt" worden ist). Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß der Antrag des Privatanklägers auf gerichtliche Vernehmung der vierzehn Tatverdächtigen (sachlich: auf deren verantwortliche Abhörung gemäß § 38 Abs. 3 StPO) einen gemäß § 46 Abs. 1 StPO ausreichenden Verfolgungsantrag darstellte. Nach dem Abschluß der Vorerhebungen wäre, dies sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt, dem Privatankläger unter der Sanktion des § 46 Abs. 3 StPO eine Frist zur Stellung eines Bestrafungsantrags zu setzen gewesen (siehe nochmals SSt. 27/26, 32/6).
IV.
Da die aufgezeigten, dem Landes- als Beschwerdegericht in Innsbruck unterlaufenen Gesetzesverletzungen den Beschuldigten (siehe § 451 Abs. 3 StPO) zum Vorteil gereichten, denn das Verfahren gegen sie wurde nach § 451 Abs. 2 StPO eingestellt, muß es zufolge § 292 StPO mit der spruchgemäßen Feststellung sein Bewenden haben.
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