Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.Jänner 1988 einen Hilflosenzuschuß zu gewähren und wies das Mehrbegehren, ihr diesen bereits ab 25.August 1987 zu bezahlen - unbekämpft - ab.
Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 23.August 1911 geborene Klägerin in der Lage ist, sich allein an- und auszuziehen und die Notdurft zu verrichten. Die Körperpflege ist ihr möglich, wobei sie jedoch die Füße nur im Sitzen waschen kann. Die Klägerin kann nicht das Bett richten und das Leintuch spannen. Sie hat durch ihre Harnplastik einen erhöhten Wäschebedarf. Sie kann nicht staubsaugen und auch nicht die kleine Wäsche waschen. Sie muß eine Zuckerdiät einhalten, wozu sie jedoch in der Lage ist. Die Klägerin kann Arbeiten unter Tischhöhe nicht ausführen. Knien ist ihr nicht zuzumuten. Sie kann hinuntergefallene Gegenstände nicht aufheben und leichte häusliche Verrichtungen nur in Handniveau machen, nicht Stiegensteigen, die Straße betreten oder Einkaufen gehen. Sie kann den Arzt, den sie einmal in der Woche benötigt, selbst aufsuchen. Dieser Zustand besteht seit 1.Jänner 1988. Die Klägerin bewohnt eine Garconniere in einem Haus mit Lift und Zentralheizung. Rechtlich führte das Erstgericht aus, aus diesen Einschränkungen ergebe sich auch, daß die Klägerin nicht kochen könne, weil damit Arbeiten unter Tischhöhe verbunden seien und davon ausgegangen werden könne, daß beim Kochen gewisse Dinge auf den Boden fallen, welche die Klägerin nicht aufheben könne. Für die Verrichtungen, zu denen sie fremde Hilfe benötige, sei ein finanzieller Aufwand von zumindest 3.000 S monatlich (30 Tage a S 100 für eine angemeldete Bedienerin) erforderlich, die Höhe des der Klägerin zustehenden Hilflosenzuschusses werde damit etwa erreicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab. Beim Kochen und Geschirrabwaschen sei ein Arbeiten unter Tischhöhe nicht erforderlich, in Ausnahmefällen zu Boden gefallene Gegenstände könnten mit einer Stielschaufel aufgehoben werden, jedenfalls sei damit keine Gefahr der Verwahrlosung gegeben. Berücksichtige man alle Verrichtungen, zu denen die Klägerin fremde Hilfe benötige, so sei der zusätzliche Aufwand mit monatlich 32 Stunden anzusetzen. Unter Zugrundelegung eines realistischen Bedienerinnenentgeltes von derzeit 70 S pro Stunde, erreichten die erforderlichen Kosten jedenfalls nicht die Höhe des Hilflosenzuschusses. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt. Es trifft zwar zu, daß es den Denkgesetzen widerspricht, wenn das Erstgericht einerseits feststellt, daß die Klägerin nicht Stiegensteigen, die Straße betreten und Einkaufen gehen kann, dann aber die Feststellung trifft, die Klägerin könne den Arzt, den sie einmal wöchentlich benötige, selbst aufsuchen. Das Berufungsgericht hat zwar letztere Feststellung in seiner Zusammenfassung nicht angeführt, aber im übrigen auf die Feststellungen des Erstgerichtes verwiesen. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Klägerin für Arztbesuche eine Begleitung benötigt, vermag dies an der rechtlichen Beurteilung schon deshalb nichts zu ändern, weil die ärztliche Versorgung durch Hausbesuche sichergestellt ist, wenn dies der Gesundheitszustand des Patienten erfordert. Das Berufungsgericht hat den Aufwand für fremde Hilfe äußerst großzügig bemessen. Es ist davon ausgegangen, daß das Waschen der kleinen Wäsche deshalb nicht möglich sei, weil das Aufhängen über Kopfhöhe notwendig sei. Ein Arbeiten unter oder über Tischhöhe ist dabei aber keineswegs erforderlich, weil es im Handel eine Vielzahl von Wäschetrocknern gibt, die durchaus in Arbeitshöhe bedient werden können. Auch durch die erforderliche Begleitung zum Arzt, die überdies mit dem Einkaufen verbunden werden kann, ergibt sich kein solcher Mehraufwand, daß dadurch die Kosten für fremde Hilfe die Höhe des Hilflosenzuschusses erreichten. Daß die notwendigen Kosten aber nicht im einzelnen aufgelistet, sondern nur überschlagsmäßig (§ 273 ZPO) und nur soweit sie üblicherweise anfallen, zu ermitteln sind, hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Grundsatzentscheidung zum Hilflosenzuschuß SSV-NF 1/46 und in der Folge in ständiger Rechtsprechung dargelegt. Diese Grundsätze aber hat das Berufungsgericht in nachvollziehbarer Weise angewendet. Da auf die üblichen Kosten abzustellen ist, wird auch eine gleichmäßige Behandlung aller Anspruchswerber gewährleistet. In der Entscheidung SSV-NF 2/132 hat der erkennende Senat ausführlich dargelegt, daß nicht jede Hilflosigkeit, sondern nur ein besonderes Ausmaß derselben Anspruch auf Hilflosenzuschuß gibt. Nur dann, wenn die Hilflosigkeit dieses besondere Ausmaß erreicht hat, steht der Anspruch zu, auf den dann allerdings der allenfalls höhere Grad der Hilflosigkeit keinen Einfluß hat. Daß ein Hilfloser ungeachtet den Hilflosenzuschuß weit übersteigender Mehrkosten keinen höheren Pensionszuschuß erhält, erscheint nicht mehr gerecht als daß ein Pensionist, so lange sein leidensbedingter Mehraufwand noch unter dem Maß des Hilflosenzuschusses bleibt, auf diesen Pensionszuschuß verzichten muß. Im übrigen ist die Rechtsprechung nicht berufen, rechtspolitische Erwägungen in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen, die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision können sich daher nur an den Gesetzgeber richten.
Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Hilflosenzuschusses im Sinne des § 105 a ASVG nicht vorliegen, war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit.b ASGG.
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