OGH 10ObS188/89

OGH10ObS188/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Johann Herbst (Arbeitgeber) und Mag.Walter Holub (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ludwig B***, ohne Beschäftigung,

5163 Palting, Mundenham 14, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P***

DER A***, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.März 1989, GZ 12 Rs 41/89-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7.Dezember 1988, GZ 5 Cgs 1175/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 17.September 1987 wies die beklagte Partei den Antrag des am 26.August 1937 geborenen Klägers vom 25.Juni 1987 auf Berufsunfähigkeitspension mangels Berufsunfähigkeit ab. Die rechtzeitige Klage stützt sich darauf, daß der Kläger keiner geregelten Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne und richtet sich auf die von der beklagten Partei abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1.Juli 1987.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil der als Baupolier tätig gewesene Kläger diese oder eine ähnliche Beschäftigung ausüben könne.

Das Erstgericht gab der Klage statt und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von 5.000 S monatlich auf.

Es ging von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Beim Kläger bestehen intern ein chronisch rezidivierendes Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür) mit einer gleichzeitigen hypersekretorischen Gastroduodenitis, eine Hyperurikämie (Vermehrung der Harnsäure im Blut) mit Gichtanfällen, eine Depression und ein Alkoholabusus (Mißbrauch von Alkohol), neurologisch ein durch die chronische Alkoholkrankheit bedingtes Zittern der oberen Extremitäten, eine durch eine beginnende Polyneuropathie bei längerer Belastung verursachte Schwäche im Bereich der unteren Extremitäten ohne objektivierbare sensible Ausfälle bzw Reflexanomalie, psychiatrisch eine chronische Depression im Rahmen einer schweren psychosomatischen Störung, deren Ursache in der frühen Kindheit zu suchen ist. Durch den längeren Alkoholmißbrauch hat sich auch eine Störung der cerebralen Leistungsfähigkeit ergeben, die durch Verlangsamung, Schwerfälligkeit, Umständlichkeit, Konzentrationsschwäche und erschwerte Merkfähigkeit gekennzeichnet ist, doch besteht keine Beeinträchtigung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und keine wesentlich reduzierte Zahlenmerkfähigkeit. Die Zwölffingerdarmgeschwüre treten seit Jahren auf und stellen zum Großteil eine psychosomatische Begleiterscheinung dar. Die Ausheilung dieser Geschwüre hängt zum Teil von einer ausreichenden Behandlung der Depression ab. Intern ist eine erfolgreiche Behandlung der akuten Geschwüre möglich, deren Wiederauftreten jedoch nicht zu verhindern. Die für die Gichtanfälle verantwortliche stark erhöhte Harnsäure wäre durch Diät und Medikamente gut einstellbar.

Aus interner Sicht sind dem Kläger leichte und mittelschwere Arbeiten, die nicht mit erhöhtem Streß einhergehen (zB Akkord-, Fließband- und Schichtarbeiten), ohne weitere Einschränkungen zumutbar, doch muß er während der üblichen Arbeitspausen kleine Zwischenmahlzeiten einnehmen können.

Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht kann der Kläger leichte und fallweise mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen bei Einhalten der üblichen Arbeitspausen verrichten. Geistige Arbeiten, die eine ungestörte Konzentrations- und Merkfähigkeit voraussetzen, sind ihm nicht zumutbar.

Aus arbeitspsychologischer Sicht ist die Konzentration bei schriftlichen Arbeiten geringgradig, vorwiegend durch mangelndes Training beeinträchtigt. Die Sorgfaltsleistungen sind gut ausgeprägt. Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, häufige Überstunden, Arbeiten, die Eigeninitiative verlangen oder mit erhöhter Verantwortung einhergehen, sind nicht zumutbar. Der Kläger kann jedoch eingeordnet werden.

Der Kläger besuchte acht Jahre die Volksschule und war von 1951 bis 1955 Landarbeiter, anschließend bis 1960 Milchkontrollassistent, dann bis 1974 Hilfsarbeiter, Hilfsschaler und Maschinist im Straßenbau, vom März bis September 1974 Vorarbeiter im Bauwesen, dann bis März 1977 weiter im Bauwesen und sodann vom März bis April 1978 Vizepolier im Arbeitsverhältnis und vom Mai 1978 bis August 1986 Polier bei der S*** Baugesellschaft mbH. Während dieser Zeit wurde er nach dem Kollektivvertrag für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie entlohnt, und zwar zuletzt ab 1. Mai 1986 in P 1 nach dem 12. Jahr. Dabei war er durchschnittlich für sechs bis sieben Leute, bei größeren Baustellen für bis zu zehn Arbeiter, und zwar nicht nur Hilfsarbeiter, sondern auch Maschinisten, verantwortlich. Als "Chef" der ihm übertragenen Baustellen hatte er ua die einzelnen Maschinen einzuteilen und dafür zu sorgen, daß die Lkw und sonstigen Baumaschinen zur vorgegebenen Zeit auf den Baustellen waren. Er hatte die ihm zugeteilten Arbeiter nach ihrer Eignung und ihrem Können einzuteilen und zur und von der Arbeits- oder Baustelle zu transportieren. Anhand der Baupläne und Leistungsverzeichnisse und des Arbeitsfortganges hatte er den Materialbedarf für den nächsten Arbeitstag auszurechnen und bis 16 Uhr an die Firma weiterzuleiten. Die Anlieferung dieses Materials hatte er hinsichtlich der Qualität und Quantität zu überwachen. So hatte er zB das Bitumenmischgut anhand der Körnung für die einzelnen Asphaltbahnen zu prüfen. Bei besonderen Arbeitsspitzen arbeitete er allerdings freiwillig hin und wieder manuell mit. Er war vorwiegend auf Baustellen für Belagsarbeiten und Sportplatzbauten eingesetzt und führte selbst Vermessungsarbeiten, ua mit Meßbändern und Nivelliergeräten, durch, wobei es um große Genauigkeit ging. "Aufgrund des medizinischen Leistungskalküls und des arbeitspsychologischen Befundes ist ihm diese Tätigkeit als Polier nicht mehr zumutbar". Poliere sind im genannten Kollektivvertrag als Angestellte in der Gruppe P eingestuft. Ihr Berufsbild wurde vom Erstgericht eingehend dargestellt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre der Kläger zB auf die Tätigkeiten eines innerbetrieblichen Transportarbeiters, Sortierers, Lagerarbeiters, Etikettierers und Nummerierers und Finisharbeiters in verschiedenen Branchen verweisbar, wofür es zahlreiche Arbeitsplätze gibt. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht im wesentlichen aus, ein Baupolier verrichte nur dann eine Angestelltentätigkeit, wenn noch ganz besondere, üblicherweise mit dieser Tätigkeit nicht verbundene Dienstleistungen hinzukämen. Dies treffe beim Kläger, dessen Poliertätigkeit im einfacheren Bereich angesiedelt gewesen sei, nicht zu, weshalb er auch als Polier Arbeiter gewesen und die Frage seiner geminderten Arbeitsfähigkeit (materiell) nach § 255 ASVG, und zwar nach den Abs 1 und 2 zu beurteilen sei, weil er als Polier überwiegend einen angelernten Beruf ausgeübt habe. Weil er diesen Beruf nicht mehr ausüben könne, sei er invalid.

Das Berufungsgericht gab der inhaltlich nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß die vorläufige Leistung (richtig: Zahlung) ab dem 24. Oktober 1988 (Schluß der Verhandlung erster Instanz) zu erbringen ist. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß einem Baupolier Berufsschutz zukomme und bejahte die von der Berufungswerberin verneinte Frage, ob die vom Kläger bei der Fa S*** ausgeübten Tätigkeiten die eines Poliers gewesen seien, weshalb ihm Berufsschutz zukomme. Da er den Beruf eines Poliers nicht mehr ausüben könne und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verwiesen werden könne, sei er invalid.

Dagegen richtet sich die vom Kläger nicht beantwortete Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern oder es allenfalls, erforderlichenfalls auch das erstgerichtliche Urteil, aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist im Ergebnis berechtigt. (Die folgenden Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG).

Nach § 221 trifft die Pensionsversicherung ua Vorsorge für die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invalidität, Berufsunfähigkeit und Dienstunfähigkeit), aus denen nach § 222 Abs 1 Z 2 in der Pensionsversicherung der Arbeiter und in der Pensionsversicherung der Angestellten a) bei Invalidität die Invaliditätspension aus der Pensionsversicherung der Arbeiter (§ 254), b) bei Berufsunfähigkeit die Berufsunfähigkeitspension aus der Pensionsversicherung der Angestellten (§ 271) zu gewähren ist. Hat ein Versicherter - wie der Kläger - Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung erworben, so kommen für ihn nach § 245 Abs 1 die Leistungen des Zweiges in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Beim Kläger sind das die Leistungen der Pensionsversicherung der Angestellten.

Die Zugehörigkeit zur Pensionsversicherung der Angestellten wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur durch die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit iS des § 14, darunter einer Angestelltentätigkeit iS des Angestelltengesetzes (AngG), sondern auch dadurch begründet, daß die Anwendung des letztgenannten Gesetzes nur auf einer Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer beruht. "Vertragsangestellte", die zwar Arbeitertätigkeiten verrichten, für deren Dienstverhältnis aber nach dem Dienstvertrag das AngG gelten soll, werden also insoweit den echten Angestellten gleichgestellt.

Nach § 271 Abs 1 hat ein der Pensionsversicherung der Angestellten zugehöriger Versicherter, wenn die Wartezeit erfüllt ist, bei Berufsunfähigkeit gegen den Träger dieser Pensionsversicherung Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension. Dabei gilt der Versicherte nach § 273 Abs 1 als berufsunfähig, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Fähigkeiten herabgesunken ist.

Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist jedoch zu beachten, daß der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit ausschließlich nach der tatsächlichen Tätigkeit zu beurteilen ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Dienstnehmer als Arbeiter oder Angestellter eingeordnet war, sondern ob er Arbeiter- oder Angestelltentätigkeiten verrichtet hat. Hätte der Kläger also auch als Polier nur Arbeitertätigkeiten verrichtet, so bliebe er zwar der Pensionsversicherung der Angestellten leistungszugehörig und die beklagte

P*** DER A*** leistungszuständig,

doch wäre der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten

Arbeitsfähigkeit inhaltlich nach § 255 zu prüfen

(SSV-NF 2/71 mwN ua).

Die Bestimmungen des AngG gelten nach desen § 1 Abs 1 auch für das Dienstverhältnis von Personen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes vorwiegend zur Leistung höherer, nicht kaufmännischer Dienste angestellt sind, und nach § 2 Abs 1 Z 1 leg cit auch auf das Dienstverhältnis von Personen, die vorwiegend zur Leistung höherer, nicht kaufmännischer Dienste im Geschäftsbetrieb ua von Unternehmungen jeder Art, auf welche die Gewerbeordnung Anwendung findet, angestellt sind.

Während Hilfspoliere (Hauptgerüster, Hauptpartieführer im Straßenbau und Vizepoliere) ebenso wie die Vorarbeiter zu den Arbeitern zählen, handelt es sich bei den Polieren im Baugewerbe und in der Bauindustrie um Arbeitnehmer, deren Stellung über die der vorgenannten Bauarbeiter hinausgeht, weil sie mit einer gewissen Selbständigkeit sowie Anordnungs- und Aufsichtsbefugnis verbunden ist.

Für die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer vorwiegend zur Leistung höherer, nicht kaufmännischer Dienste angestellt wurde, bilden die Kollektivverträge wesentliche Hinweise. Wurde ein Arbeitnehmer in eine bestimmte Beschäftigungsgruppe eines Kollektivvertrages für Angestellte eingereiht, so ist dies ein wichtiges Indiz für eine Tätigkeit als Angestellter !vgl Schaub Arbeitsrechtshandbuch 49 . Nach dem Kollektivvertrag für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie vom 28.September 1948 idgF, der örtlich für alle Bundesländer der Republik Österreich, fachlich für alle Betriebe, deren Inhaber Mitglieder der Bundesinnung der Baugewerbe oder des Fachverbandes der Bauindustrie sind, und persönlich für alle dem AngG unterliegenden Dienstnehmer dieser Betriebe sowie für kaufmännische Lehrlinge und bautechnische Zeichnerlehrlinge gilt (§ 2 Z 1, 2 und 3), werden die Angestellten iS dieses Kollektivvertrages in Gruppen eingeteilt. Es sind dies die fünf Gruppen der technischen und kaufmännischen Angestellten und die Gruppen der Meister, Poliere, Obermeister und Hauptpoliere. Die letztgenannten Gruppen werden mit M1, M2, P1, P2, OM und HP bezeichnet (§ 8 Z 1). Für die Einreihung in eine bestimmte Beschäftigungsgruppe bzw die Belassung in derselben müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: a) Nachweis der für die Aufnahme in eine bestimmte Gruppe geforderten Mindestberufstätigkeit, der fachlichen Ausbildung oder Schulausbildung oder eine letztere ersetzende Praxis als Angestellter; b) Beherrschung der für die Erledigung dieser Arbeiten unerlässlichen Kenntnisse und Fertigkeiten; c) tatsächliche und überwiegende Beschäftigung mit den die betreffende Gruppe kennzeichnenden Arbeiten (§ 8 Z 2). Welche Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sein müssen, um einer bestimmten Gruppe zugeordnet zu werden, ist den Beschreibungen der verschiedenen Beschäftigungsgruppen zu entnehmen. Werden die dort geforderten Bedingungen nicht erfüllt, so besteht kein Anrecht auf Einreihung in die betreffende Beschäftigungsgruppe. Berufliche Bezeichnungen sind für die Einreihung belanglos. Für sie ist in erster Linie die tatsächliche und überwiegende Beschäftigung mit den im Gruppenverzeichnis enthaltenen Arbeiten maßgebend (§ 8 Z 4). Die in diesem Kollektivvertrag enthaltenen Berufsbezeichnungen gelten als Normen. Sie sind in Dienstverträgen, Dienstzetteln, Bestellungsschreiben, Zeugnissen udgl zu verwenden. Die Definition dieser Begriffe im Kollektivvertrag umreißt Ausmaß und Inhalt der beruflichen Tätigkeit des betreffenden Angestellten (§ 8 Z 8). Die Gruppe M, P, OM und HP, Meister, Poliere, Obermeister und Hauptpoliere enthält nach § 9 folgende Begriffsbestimmungen:

Tätigkeit: In der Regel an Baustellen gebundene Beschäftigung als Hilfsorgan des Dienstgebers oder eines Bauleiters bei der Bauausführung oder an sonstigen Betriebsstätten. In diese Gruppe gehören alle Angestellten, die

a) als aus dem Baufacharbeiterstande hervorgegangene Hilfsorgane des Dienstgebers oder Bauleiters nach mindestens zehnjähriger Baupraxis und schriftlicher Bestellung zum Polier auf Baustellen des Hoch-, Tief-, Wasser-, Brücken-, Straßen- und Eisenbetonbaues sowie Eisenbahnbaues höhere, nicht kaufmännische Dienste bei der Bauausführung leisten.

b) Als Hilfsorgane des Dienstgebers oder Bauleiters nach mindestens zehnjähriger Baupraxis und schriftlicher Bestellung zum Tiefbaupolier auf Baustellen des Tief-, Wasser-, Straßen- und Eisenbahnbaues höhere, nicht kaufmännische Dienste leisten.

c) Als Meister anderer als der eigentlichen Baufachberufe nach schriftlicher Bestellung auf Baustellen oder sonstigen Betriebsstätten als Hilfsorgane des Dienstgebers oder eines seiner Beauftragten ihrem erlernten Berufe entsprechende höhere, nicht kaufmännische Dienste leisten.

Poliere sind Angestellte, die auf Baustellen die ihnen vom Dienstgeber oder Bauleiter erteilten Aufträge auf Grund der ihnen zur Verfügung gestellten Pläne oder nach Angaben dadurch ausführen, daß sie die Arbeiten der ihnen unterstellten Arbeiter einteilen, diese bei ihrer Tätigkeit anleiten und überwachen, die Schichtbücher und sonstigen Aufzeichnungen, aus denen die tägliche Arbeitsleistung und Verwendung jedes einzelnen durch sie beaufsichtigten Arbeiters zu entnehmen ist, führen, für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften und Ordnung an der Arbeitsstätte sowie für die weisungsgemäße und fachgerechte Ausführung der ihnen anvertrauten Bauaufgaben die Verantwortung tragen. Zu den Pflichten des Poliers gehört es, dafür zu sorgen, daß die Arbeiter ihrer Eignung und ihrem Können entsprechend eingesetzt und die maschinellen Einrichtungen auf der Baustelle ordnungsgemäß und zweckmäßig installiert und instandgehalten werden. Er hat jenen Teil der Baustelle, der ihm anvertraut ist, so einzurichten, daß die Sicherheit des Verkehrs gewährleistet ist. Er hat auch dafür zu sorgen, daß die aus der Haftpflicht des Dienstgebers sich ergebenden Maßnahmen an der Arbeitsstätte getroffen werden. Es obliegt ihm ferner die vorschriftsmäßige und fachgerechte Anlage aller sanitären und hygienischen Einrichtungen. Wo er Baustoffe zu übernehmen oder zu prüfen hat, ist er dafür verantwortlich, daß ungeeignete und unbrauchbare Baustoffe nicht verwendet werden. Er hat für die rechtzeitige Anforderung von Arbeitskräften, Verkehrs- und Betriebsmitteln, Baustoffen, Bau-, Gerüst- und Schalungsholz, Gerüsten, Maschinen und Werkzeugen sowie Bereitstellung durch die hiefür vorgesehenen Stellen bzw die rechtzeitige Reduzierung der Zahl der Arbeitskräfte bei abnehmendem Bauumfang zu sorgen. Er hat weiters alle Vorkehrungen zu treffen, daß die Abrechnungen klaglos abgewickelt werden können und daher mit den dazu beauftragten Organen stetig und einvernehmlich zusammenzuarbeiten. Der Polier hat auf Grund der ihm erteilten allgemeinen Angaben und Fixpunkte in bezug auf Höhe und Richtung sowie anhand der Ausführungspläne die Bestimmung der Höhen- und Tiefenlinien der Bauwerksteile selbst vorzunehmen und deren fachgemäße Anbringung zu veranlassen. Dazu gehört unter anderem das Anlegen für den Aushub, das Aufstellen von Schnurgerüsten und die Vornahme von Bauwaagrissen (Aufstichen). Ferner hat er für die fachgemäße Anlage aller Arten von Pölzungen, Abstützungen, Abspreizungen, Unterfangungen, Gerüstungen und Überbrückungen nicht nur im Hinblick auf die richtige Holzverbindung, sondern auch unter Bedachtnahme auf die Bodenbeschaffenheit und die Sicherheit des Bauwerkes und der ihm unmittelbar unterstellten oder im Baustellenbereich tätigen Personen zu sorgen und diese Einrichtungen ständig zu überprüfen. Er sorgt außerdem für die Einteilung des Ziegelverbandes, die den Ausführungsplänen entsprechende Durchführung der Schalungs-, Eisenbiege- und Verlegungsarbeiten und dergleichen mehr. ....... Tiefbaupoliere sind Angestellte, die auf Grund ihres beruflichen Werdeganges (siehe Punkt b) auf Baustellen des Tief-, Wasser-, Straßen- und Eisenbahnbaues sinngemäß die gleichen Aufgaben und Pflichten zu erfüllen haben wie die Poliere laut vorstehender Beschäftigungsbeschreibung. Hauptpoliere sind aus dem Polierstand gemäß Punkt a) hervorgegangene Angestellte, die von der Firma schriftlich unter firmenmäßiger Zeichnung wegen ihrer besonderen Qualifikation dazu bestellt wurden.

Nach der derzeit geltenden Mindestgrundgehaltstafel des zit Kollektivvertrages haben auf das Mindestgrundgehalt P 2 Anspruch

a) Poliere, die bereits vor dem 1.April 1938 als angestelltenversicherungspflichtige Poliere bei einer Bau- oder Zimmererfirma tätig waren. b) Poliere, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Kollektivvertrages bei einer Baufirma als Haupt-(Ober-)- Poliere geführt und entlohnt wurden. c) Poliere, die seit dem 1.September 1945 als angestelltenversicherte Poliere, davon 2 Jahre beim gleichen Unternehmer, tätig waren. d) Poliere, die ein Zeugnis über den erfolgreichen Abschluß eines Lehrganges von vier Semestern mit mindestens acht Wochenstunden für Werkmeister und Poliere im Baugewerbe bei den Wirtschaftsförderungsinstituten der Kammern der gewerblichen Wirtschaft oder der Arbeiterkammer bzw einer dreijährigen oder vierjährigen Bauhandwerkerschule bzw einschlägigen Fachschulen vorlegen oder die theoretische Bau- oder Maurermeisterprüfung bzw die Reifeprüfung an einer höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt bestanden haben und in allen Fällen drei Praxisjahre nachweisen können.

Die Mindest-Brutto-Monatsgehälter der Beschäftigungsgruppe M1, P1 Meister, Poliere und Tiefbaupoliere nach dem 12. Jahr der Gruppenzugehörigkeit betragen derzeit 21.620 S. Die allgemeine Beitragsgrundlage des Klägers betrug vom 1.Jänner bis 31. Dezember 1985 282.827 S, also monatlich 23.568,91 S. Die vom Kläger vom Mai 1978 bis August 1986 bei der S*** Baugesellschaft mbH erbrachten Tätigkeiten entsprechen im wesentlichen dem im genannten Kollektivvertrag gezeichneten Berufsbild eines "Poliers" und sind als vorwiegend höhere, nicht kaufmännische Dienste zu qualifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, daß an den Begriff der höheren Dienste kein unverhältnismäßig strengerer Maßstab angesetzt werden darf als an den der kaufmännischen Dienste (vgl zB ArbSlg 7862). Der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit ist daher auch materiell nach dem Begriff der Berufsunfähigkeit (§ 273 Abs 1) zu prüfen.

Die bisherigen Feststellungen lassen jedoch noch keine sichere Beurteilung zu, unter welchen Umständen und innerhalb welchen Zeitraumes die auch durch den Alkoholmißbrauch bedingte Minderung der Arbeitsfähigkeit des Klägers allenfalls so weit gebessert werden kann, daß er seine zuletzt ausgeübte Poliertätigkeit weiterhin ausüben könnte. Diesbezüglich wird auf die Entscheidung des erkennenden Senates vom 12.April 1988 SSV-NF 2/33 = JBl 1988, 601 über die Voraussetzungen des Anspruches auf Invaliditätspension bei vorübergehender Invalidität (oder auf Berufsunfähigkeitspension bei vorübergehender Berufsunfähigkeit) bei zumutbarer Krankenbehandlung, insbesondere eines Alkoholmißbrauches, hingewiesen. Schon wegen der diesbezüglichen wesentlichen Feststellungsmängel war der Revision Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben. Die Sozialrechtssache war zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 496 Abs 1, §§ 499, 510 Abs 1 und § 513 ZPO).

Im fortgesetzten Verfahren wird auch näher zu klären sein, wegen welcher medizinischer - nicht berufskundlicher - Einschränkungen dem Kläger die weitere Ausübung seiner bisherigen Poliertätigkeit allenfalls nicht mehr möglich ist. Weiters wird ein die Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung aller medizinischer Fachgutachten zusammenfassendes Leistungskalkül erforderlich sein (so auch Oberlandesgericht Linz 5.Mai 1987 SVSlg 33.849; Oberlandesgericht Wien 24.Juni 1987 SVSlg 33.847; Oberlandesgericht Wien 30.Oktober 1987 SVSlg 33.848 uva).

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