Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Eltern des Minderjährigen, die beide einen Beruf ausüben, sind noch miteinander verheiratet. Während der berufsbedingten Abwesenheiten der Eltern wurde das Kind zunächst von der mütterlichen Großmutter betreut, ab seinem dritten Lebensjahr besuchte es den Kindergarten. Die mütterliche Großmutter brachte das Kind in den Kindergarten, verbrachte die Mittagspause mit ihm, verköstigte es und brachte es dann wieder in den Kindergarten zurück. Die mütterliche Großmutter erklärte, dies für den Fall der Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater nicht mehr tun zu wollen. Im August 1987 hat die Mutter den gemeinsamen Haushalt verlassen, die Eltern leben seither getrennt. Der Minderjährige blieb beim Vater zurück. Die Betreuung durch die mütterliche Großmutter wurde zunächst unverändert beibehalten. Schon zur Zeit des gemeinsamen Haushaltes verbrachte das Kind die Zeit, die es nicht im Kindergarten war, hauptsächlich mit dem Vater, während die Mutter die Hausarbeiten verrichtete. Hinsichtlich der Erziehung des Kindes kam es zwischen den Eltern immer wieder zu Streitigkeiten. Während die Mutter vor allem auf Disziplin und Ordnung achtet, behandelt der Vater das Kind als gleichgestellten Partner und weist ihm nicht die Stellung eines Untergeordneten, der stets die Anweisung der Erwachsenen befolgen muß, zu. Der Vater versucht, in allen Lebenslagen das vom Kind Verlangte zu begründen und zu erklären.
Jeder Elternteil beantragte, ihm die elterlichen Rechte und Pflichten des § 144 ABGB zu übertragen.
Das Erstgericht übertrug die elterlichen Rechte und Pflichten dem Vater. Es gelangte nach Einholung einer Stellungnahme des kinder- und jugendpsychologischen Beratungsdienstes des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung und eines Gutachtens des Sachverständigen Univ.Prof. Dr.Walter S*** zu dem Ergebnis, der Vater sei Hauptbezugsperson für das Kind. Die Gutachter hätten gegen den Erziehungsstil des Vaters nichts einzuwenden gehabt und sich übereinstimmend für eine Zuweisung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater ausgesprochen.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes. Es führte im wesentlichen aus, die mütterliche Großmutter scheide zwar als Miterzieher aus, doch ergäbe sich aus in einem Zwischenverfahren eingeholten Aussagen, daß die Mutter der nunmehrigen Lebensgefährtin des Vaters bereit sei, die bisher von der mütterlichen Großmutter erbrachten Betreuungsleistungen zu übernehmen. Es bestehe kein Grund zur Annahme, daß im Falle der Zuweisung der Elternrechte an den Vater die Betreuungssituation des Minderjährigen schlechter wäre, als bei Zuteilung an die Mutter. Ausschlaggebend sei, daß der Vater die Hauptbezugsperson sei.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Mutter gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.
Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte, wäre ein Revisionsrekurs gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität zulässig (EFSlg. 55.638 uva). Derartige Gründe sind jedoch nicht gegeben.
Den Rekursausführungen, es liege Nullität vor, weil die mütterliche Großmutter und die Kindergärtnerin nicht vernommen worden seien, ist zu erwidern, daß es sich hier höchstens um einen Verfahrensmangel handeln könnte, der aber keinen Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG darstellt (EFSlg. 44.681, 55.692 uva). Verfahrensverstöße könnten nur wahrgenommen werden, wenn sie das Gewicht einer Nichtigkeit hätten (EFSlg. 44.682 uva). Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein, zumal der kinder- und jugendpsychologische Beratungsdienst des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vor Erstattung der Stellungnahme ein Gespräch mit der mütterlichen Großmutter führte und auch mit der Kindergartenleiterin und der für die Gruppe des Minderjährigen zuständigen Kindergärtnerin gesprochen hatte und diese Gespräche bei der Stellungnahme berücksichtigt wurden. Bei dem in Revisionsrekurs vorgelegten Privatgutachten handelt es sich um eine in einem Revisionsrekurs nach § 16 Abs 1 AußStrG unzulässige Neuerung (EFSlg. 44.637, 55.628 uva). Die zum Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit aufgestellten Behauptungen, die Aufsicht über das Kind sei beim Vater nicht gewährleistet, das Rekursgericht habe pädagogische Interessen außer Acht gelassen, stehen mit dem festgestellten Sachverhalt nicht im Einklang, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Nicht zielführend sind auch die Ausführungen, Kleinkinder bedürften im besonderem Maße der mütterlichen Liebe und Pflege, weil sie der unersetzbaren mütterlichen Zuneigung, Gefühle und Wärme bedürften und in erhöhtem Maße noch körperlich betreut werden müßten. Die getroffene Entscheidung sei offenbar gesetzwidrig, weil sie sich darüber hinwegsetze und dabei das Wohl des Kindes außer Acht lasse.
Abgesehen davon, daß nach ständiger Rechtsprechung auch die Mutter kein Vorrecht auf die Pflege und Erziehung des Kindes hat (EFSlg. 38.397, 43.369 uva), ist im vorliegenden Fall insbesondere zu berücksichtigen, daß der Vater die Hauptbezugsperson des Kindes ist. Dafür, daß durch die Zuweisung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater das Wohl des Kindes gefährdet wäre, besteht keinerlei Anhaltspunkt.
Da somit keiner der im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Gründe vorliegt, mußte der Revisionsrekurs der Mutter zurückgewiesen werden.
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