Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 10. April 1986 gegen 23,55 Uhr ereignete sich auf der Brenner Autobahn auf der Lueg-Brücke ein Verkehrsunfall, an dem das Fahrzeug des Ego H***, gelenkt von Hermann K***, mit dem polizeilichen Kennzeichen T 20.428 und ein Fahrzeug der J. D*** KG beteiligt waren. Die klagende Partei bezahlte als Kaskoversicherer H*** diesem den dabei entstandenen Schaden von 408.481 S und als dessen Haftpflichtversicherer der J. D*** KG deren Schaden von
251.496 S.
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei die Bezahlung des Betrages von 489.917,75 S sA. Sie lastete dieser ein Verschulden am Unfall von 3/4 an, weil sie es trotz der ungünstigen Temperatur- und Witterungsverhältnisse unterlassen habe, für einen verkehrssicheren Zustand der Mautstraße zu sorgen. Das von Hermann K*** in Fahrtrichtung Brenner gelenkte Fahrzeug sei infolge Eisglätte ins Schleudern geraten, habe die Mittelleitschiene durchstoßen und sei in der Folge auf der Gegenfahrbahn mit dem entgegenkommenden Fahrzeug der J. D*** KG kollidiert. Drei Viertel der von der klagenden Partei zu ersetzenden Schäden ergäben den Klagebetrag.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei passiv nicht legitimiert. Die beklagte Partei hebe lediglich das Benützungsentgelt der Brenner Autobahn im Namen des Bundes ein. Sie sei jedoch nicht Vertragspartner des Straßenbenützers. Damit diesbezüglich keine Zweifel entstünden, sei an jeder Einfahrt zur Brenner Autobahn ein Schild mit der Aufschrift angebracht:
"Mautinkasso erfolgt für die Republik Österreich gemäß BGBl 135/1964 idgF." Ebenso werde dies auf der Mautkarte selbst unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht. Auch die Erhaltung der Brenner Autobahn sei gesetzlich geregelt. Es sei daher für jedermann unzweifelhaft zu ersehen, daß Partner des Benützungsvertrages nicht etwa die beklagte Partei sei, sondern vielmehr die Republik Österreich. Auf Grund der vertraglichen Haftung scheide auch eine allfällige Haftung im Sinne des § 1319 a ABGB aus. Die zuständigen Erhaltungsorgane hätten ihre Streupflicht nicht verletzt. Der Unfall sei ausschließlich auf das kraftfahrtechnische Fehlverhalten des Lenkers Hermann K*** zurückzuführen. Die Haftpflichtversicherung der Republik Österreich habe der klagenden Partei 164.994,25 S bezahlt; damit seien alle berechtigten Ansprüche der klagenden Partei abgegolten. Die klagende Partei replizierte, daß die beklagte Partei nicht im Auftrag oder Vollmachtsnamen der Republik Österreich tätig werde. Sie sei vielmehr als selbständiger Unternehmer für die mangelhafte Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten haftbar. Die günstigere spezielle Norm des § 1319 a ABGB gelange nicht zur Anwendung. Der Betrag von 164.994,25 S sei der genannten Haftpflichtversicherung rücküberwiesen worden; Teilzahlungen würden im übrigen nicht angenommen.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von 487.046,75 S sA und wies ein Mehrbegehren auf Bezahlung von 2.871 S zurück. Es traf Feststellungen zum Unfallshergang und über die Maßnahmen zur Sicherung des Straßenzustandes; weiters stellte es fest:
Eigentümer der Brenner Autobahn ist der Bund, wobei dieser gemäß § 1 des Bundesgesetzes betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner, BGBl 1964/135 idF BGBl 1975/638, für die Benützung der A 13 Brenner Autobahn ein Entgelt einzuheben hat. Gemäß § 2 Abs 1 des angeführten Bundesgesetzes wird die Herstellung, Erhaltung und Finanzierung der A 13 Brenner Autobahn sowie die Einhebung des Benützungsentgeltes und die aus den Nebenbetrieben gezogenen Entgelte einer Kapitalgesellschaft - der beklagten Partei - übertragen. Diese Entgelte werden der beklagten Partei zur Abdeckung der Kosten für die Herstellung, Erhaltung und Finanzierung der A 13, der Kosten der Einhebung des Benützungsentgeltes sowie der angemessenen Verwaltungskosten überlassen.
Zum Unfallszeitpunkt waren entlang der Brenner Autobahn Tafeln mit dem Hinweis "Inkasso für die Republik Österreich" aufgestellt. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Passivlegitimation der beklagten Autobahn AG zu bejahen sei. Nach § 2 des Bundesgesetzes betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner idgF sei die beklagte Partei ein mit den erforderlichen Arbeiten beauftragtes Unternehmen, wobei zu diesen erforderlichen Arbeiten neben der Erhaltung auch jene Arbeiten gehörten, die ein gefahrloses Benützen der Autobahn durch den einzelnen Benützer zulasse, so daß darin auch Streuarbeiten bei durch Witterungseinflüsse bedingten Verkehrsverhältnissen eingeschlossen seien. Die beklagte Partei hafte daher nach jenen Grundsätzen, die für einen mit den erforderlichen Arbeiten beauftragten Unternehmer gelten, und zwar ohne das im § 1319 a ABGB normierte Haftungsprivileg, zu dessen ausdehnender Auslegung kein Anlaß bestehe. Die beklagte Partei hafte daher gegenüber dem Benützer der A 13 auch für leichte Fahrlässigkeit und nicht nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Unter Berücksichtigung einer Schadensteilung im Verhältnis 1 : 3 zu Lasten der beklagten Partei sei spruchgemäß zu erkennen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil ab und wies das noch offene Klagebegehren von 487.046,75 S sA ab. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß aus der vom Erstgericht zutreffend wiedergegebenen Regelung des Bundesgesetzes betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner, BGBl 1964/135 idF BGBl 1975/638, die beklagte Partei das zu entrichtende Benützungsentgelt nicht im eigenen Namen festlege, sondern die vom Bund bestimmten Entgelte im Namen der Republik Österreich entgegennehme. Dem Erstgericht könne nicht gefolgt werden, daß die beklagte Partei ein mit Tätigkeiten, wie Streuarbeiten bei durch Witterungseinflüsse bedingten Verkehrsverhältnissen beauftragter Unternehmer sei, der selbständig den Benützern der A 13 für die schuldhafte Verletzung notwendiger Verkehrssicherungsmaßnahmen hafte. Mit der Bestimmung des § 2 Abs 1 des Bundesgesetzes betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner idgF sei von der Republik Österreich der beklagten Partei nicht die Stellung eines selbständigen Unternehmers eingeräumt worden, gegen den von Benützern der A 13 unmittelbare und direkte Ansprüche aus Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geltend gemacht werden könnten. Vertragspartner aus dem durch die Lösung der Mautkarte zustande gekommenen Benützungsvertrages sei die Republik Österreich, weshalb Ansprüche aus Verletzung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen gegen die Republik Österreich und nicht gegen die nur im Innenverhältnis zur Republik Österreich mit den nach § 2 des genannten Gesetzes umschriebenen Aufgaben betrauten beklagten Partei geltend zu machen seien. Die beklagte Partei sei daher in Ansehung des geltend gemachten Anspruches passiv nicht legitimiert. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt - wie der Oberste Gerichtshof überprüfte - nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung stellt sich die klagende Partei auf den Standpunkt, daß der beklagten Partei gemäß § 2 des Bundesgesetzes BGBl. 1964/135 insbesondere auch die Erhaltung einer Autobahn übertragen worden sei. Sie erfülle alle Voraussetzungen eines selbständigen Unternehmers, weshalb sie auch zur Vornahme von Streuarbeiten verpflichtet und daher bei deren Unterlassung für eingetretene Schäden haftbar sei.
Diese Ausführungen sind berechtigt. Mit Recht verweist die klagende Partei darauf, daß der beklagten Partei durch das genannte Bundesgesetz alle Aufgaben übertragen wurden, die zur Abwicklung des Verkehrs auf der Brenner Autobahn im technisch-organisatorischen Sinn zu bewältigen sind. Zur Erhaltung der Autobahn gehört insbesondere auch die Verpflichtung, die Fahrbahn in einem Zustand zu erhalten, der ihr verkehrssicheres Befahren ermöglicht. Bei Gefahr von Glatteis sind daher alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um ein Schleudern von Fahrzeugen hintanzuhalten. Dazu gehört in erster Linie die ausreichende Bestreuung der Fahrbahn mit Sand oder Rollsplitt. Diese Aufgaben hat die beklagte Partei auf Grund des § 2 des Bundesgesetzes BGBl 1964/135 wie ein selbständiger Unternehmer zu erfüllen. Eine Einflußnahme der Republik Österreich auf die Geschäftsführung des Vorstandes der beklagten Aktiengesellschaft ist trotz ihrer Aktienmehrheit aktienrechtlich nicht möglich. Der Oberste Gerichtshof hat in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Haftung des mit solchen Aufgaben betrauten selbständigen Unternehmers nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regelungen angenommen, ohne ihm das im § 1319 a ABGB normierte Haftungsprivileg (Haftung nur bei grobem Verschulden) zuzubilligen (SZ 52/33;
SZ 54/92; ZVR 1988/127; 8 Ob 66/86; Koziol, Haftpflicht2 II 204;
Posch in ZVR 1984, 262). Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall ungeachtet der vom Berufungsgericht zitierten Vorentscheidung 8 Ob 59/81, die sich insoweit nur mit Fragen des durch die Bezahlung einer Maut zustandegekommenen Benützungsvertrages befaßte, anzuwenden. Die Passivlegitimation der beklagten Partei für den geltend gemachten Anspruch ist daher im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes gegeben. Das Gericht zweiter Instanz hat sich - ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Ansicht über die mangelnde Passivlegitimation der beklagten Partei - mit den von der Berufung weiter aufgeworfenen Fragen des mangelnden Verschuldens der beklagten Partei nicht befaßt (siehe S. 12 des Berufungsurteiles). Es wird daher im zweiten Rechtsgang darauf einzugehen haben. Das Berufungsurteil war somit aufzuheben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung aufzutragen.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 52 ZPO.
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