OGH 1Ob640/89 (1Ob1533/89)

OGH1Ob640/89 (1Ob1533/89)6.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Susanne K***, Angestellte, Wiener Neudorf, Laxenburgerstraße 8, 2./ Wihelma K***, Pensionistin, Wiener Neudorf, Linke Gasse 18/1/11, beide vertreten durch Dr.Peter Smetana, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagten Parteien

1.) Monika K***, Vertragsbedienstete, 2.) Werner K***-M***, Kfz-Mechaniker, beide Wiener Neudorf, Laxenburgerstraße 16, beide vertreten durch Dr.Norbert Kosch, Rechtsanwalt in Wr.Neustadt, wegen Räumung (Streitwert S 24.000,--) infolge Rekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien und außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien jeweils als Berufungsgerichtes vom 27. Februar 1989, GZ 48 R 516/88-31, womit die Berufung der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling, vom 16.März 1988, GZ 3 C 176/87-19, zurückgewiesen und das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 16.März 1988, GZ 3 C 176/87-19, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs und die außerordentliche Revision werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 61 KG Wiener Neudorf mit dem Haus Laxenburgerstraße 16. Die Erstklägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Erstbeklagten. Sie erwarb deren Hälfteanteil im Zwangsversteigerungsverfahren E 23.091/83 des Bezirksgerichtes Mödling mit Zuschlag vom 16.4.1986, ON 92.

Die Kläger begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Liegenschaft EZ 61 KG Wiener Neudorf geräumt zu übergeben. Die Erstbeklagte wendete ein, sie wohne seit 19 Jahren in der hinteren Wohnung; an der vorderen Wohnung habe ihr die Zweitklägerin vor etwa zehn Jahren entgeltlich das Recht zur Benützung eingeräumt. Der Zweitbeklagte stützte sein Recht, in der Wohnung verbleiben zu dürfen, darauf, daß er mit der Erstbeklagten verheiratet sei und es sich um die Ehewohnung handle.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren, soweit es die aus drei Räumen bestehende hintere Wohnung betraf, statt, das restliche Räumungsbegehren wies es ab.

An die in erster Instanz unvertretenen Beklagten wurde das Urteil am 18.3.1988 zugestellt. Am 12.4.1988 überreichte der Zweitbeklagte beim Erstgericht ein von ihm unterfertigtes Schreiben, in dem er im Namen seiner Frau und seiner Kinder ersuchte, die Sache nach einem fairen Gesichtspunkt zu überprüfen. Das Erstgericht stellte mit Beschluß vom selben Tag, ON 22, die Berufung des Zweitbeklagten zur Verbesserung zurück. Die Berufung sei binnen drei Wochen von einem Rechtsanwalt einzubringen und, sofern sie auch von der Erstbeklagten erhoben werde, auch von dieser zu unterfertigen. Dieser Beschluß wurde beiden Beklagten am 14.4.1988 zugestellt. In der Folge beantragte nur der Zweitbeklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Für ihn wurde Dr.Wilhelm R*** zum Verfahrenshelfer bestellt. Am 27.6.1988 erhob dieser auch für die Erstbeklagte Berufung.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Erstbeklagten zurück; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000 übersteige. Der Berufung des Zweitbeklagten gab es nicht, der der Klägerinnen aber Folge; es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem gesamten Räumungsbegehren stattgab. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert S 60.000, der von der Abänderung betroffene S 15.000, der Wert des Streitgegenstandes insgesamt aber nicht S 300.000 übersteige. Die Revision erklärte es nicht für zulässig. Auf Seiten der Beklagten liege eine einheitliche Streitpartei nicht vor. Die Beklagten seien keineswegs gemeinsam Berechtigte aus dem Miteigentum bzw einer Benützungsregelung. Rechtsträgerin sei stets nur die Erstbeklagte gewesen, während der Zweitbeklagte ein von ihr abgeleitetes Recht behaupte. Es gehe auch nicht um die Auflösung bestehender Vertrags- oder Rechtsverhältnisse; es stützten die Kläger vielmehr ihr Räumungsbegehren darauf, daß beide Beklagten titellos die Liegenschaft benützten, somit letztlich auf ein aus ihrem Eigentum erfließendes Recht. Eine Gemeinschaftlichkeit rechtserzeugender Sachverhalte liege somit auf Seiten der Beklagten nicht vor. Die vom Zweitbeklagten erhobene Berufung habe somit nicht der Erstbeklagten die Einhaltung der Berufungsfrist wahren können. Der Berufung des Zweitbeklagten gab es nicht Folge.

In der gegen dieses Urteil erhobenen ao Revision der beiden Beklagten wird ua ausgeführt, daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine einheitliche Streitgenossenschaft der Beklagten anzunehmen sei, sodaß wegen der Rechtzeitigkeit der Berufung des Zweitbeklagten auch die Berufung der Erstbeklagten rechtzeitig gewesen wäre. In diesen Ausführungen ist inhaltlich ein Rekurs der Erstbeklagten gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes auf Zurückweisung ihrer Berufung als verspätet zu erblicken.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl dieser Rekurs als auch die ao Revision sind unzulässig. Dem Berufungsgericht kann allerdings nicht darin gefolgt werden, daß auf Seiten der Beklagten eine einheitliche Streitpartei nicht vorliege. Eine einheitliche Streitpartei ist ua auch dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muß (GesRZ 1985, 32; JBl. 1982, 435; SZ 53/2; SZ 52/35 ua), wenn anders also die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestünde (MietSlg. 35.746; JBl. 1982, 435 ua). Eine einheitliche Streitgenossenschaft auf Seiten der beklagten Partei liegt daher auch vor, wenn zwei Personen wegen titelloser Benützung auf Räumung geklagt werden, eine von ihnen einen das Räumungsbegehren hindernden Titel behauptet und die zweite ihre Benützungsrechte von der ersten ableitet (SZ 41/95; vgl EFSl. 8.872). Eine solche Einwendung erhoben die Beklagten. Daß der Zweitbeklagte, sollte die Erstbeklagte nicht titellos sei, sein Recht auf Benützung der Wohnung vom bestehenden Eheband ableiten könnte, wurde von den Klägern nicht bestritten. Ob aber ungeachtet des Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei die Berufung der Erstbeklagten deshalb verspätet gewesen wäre, weil die Vorschrift des § 127 ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 ersatzlos aufgehoben wurde, kann dahingestellt bleiben. Ungeachtet der Zurückweisung ihrer Berufung ist die Erstbeklagte wegen Vorliegens einer einheitlichen Streitgenossenschaft weiterhin Partei. In Konsequenz dazu erhoben daher auch beide Beklagten wie schon das Rechtsmittel der Berufung auch das Rechtsmittel der ao Revision gemeinsam. Blieb die Erstbeklagte aber auch nach Zurückweisung ihrer Berufung Partei und beteiligte sich am Revisionsverfahren, so kann sie sich nicht dadurch beschwert erachten, daß ihre mit dem Zweitbeklagten wörtlich übereinstimmende Berufung vom Berufungsgericht zurückgewiesen wurde.

Die Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO liegen nicht vor. Die Erstbeklagte gesteht in ihrer ao Revision zu, daß sie für ein ihr zustehendes Miet- oder Wohnrecht keine ausreichende Beweise habe erbringen können. Die Behauptung des Zweitbeklagten, ihm selbst stünden solche Rechte zu, stellt sich aber als unzulässige Neuerung dar.

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