OGH 6Ob635/89

OGH6Ob635/8931.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber Dr.Zehetner und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Hans Z***, geboren am 13.November 1943 in Klagenfurt, praktischer Arzt, St.Veiter Straße 19, 9360 Friesach, vertreten durch Dr.Wilhelm Martin, Rechtsanwalt in St.Veit an der Glan, wider die beklagte Partei Irene Rosalie Z***, geboren am 6.Juli 1941 in Zenica, Jugoslawien, Hausfrau, 9232 Rosegg 87, vertreten durch Dr.Klaus Messiner, Dr.Ute Messiner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11.April 1989, GZ 4 a R 39/89-68, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7.November 1988, GZ 6 Cg 117/86-60, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 24.Juni 1970 vor dem Standesamt Wien-Innere Stadt-Mariahilf die Ehe geschlossen. Es handelte sich bei beiden Ehegatten um die erste Ehe. Dieser entstammen die Kinder Georg, geboren am 17.Mai 1970, Herwig, geboren am 7.März 1973 und Johanna, geboren am 30.November 1975. Der letzte gemeinsame Wohnsitz der Ehegatten, die beide österreichische Staatsbürger sind, war Friesach.

Mit der am 3.4.1984 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Er brachte im wesentlichen vor, die Beklagte sei herrschsüchtig, sie könne mit Wohnungsnachbarn nicht auskommen, weshalb der Kläger in Wien die Wohnung viermal habe wechseln müssen. Auf Vorhalte habe die Beklagte mit Scheidung gedroht. In Friesach sei den Streitteilen die Wohnung aufgekündigt worden, weil die Beklagte mit dem Hauswart Streit gehabt habe. Durch das Verhalten der Beklagten sei der Kläger in schwere finanzielle Bedrängnis geraten. Die Beklagte habe ihr Äußeres vernachlässigt, habe sich geweigert, für den Kläger zu sorgen und habe den Haushalt vernachlässigt. Sie habe den Kläger auch wiederholt beschimpft. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.9.1988 beantragte der Kläger für den Fall der Abweisung seines auf § 49 EheG gestützten Begehrens die Ehescheidung nach den §§ 50, 51 bzw 55 EheG und brachte ergänzend vor, die Beklagte sei geistesgestört, die eheliche Gemeinschaft sei seit April 1983 aufgehoben.

Die Beklagte bestritt, Eheverfehlungen begangen zu haben. Ein allfälliges ehewidriges Verhalten sei ihr nicht als Verschulden anzurechnen, eine Ehescheidung würde die Klägerin außergewöhnlich hart treffen (§ 54 EheG). Für den Fall einer Ehescheidung beantragte die Beklagte, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen. Dieser habe gegen den Willen der Beklagten den ehelichen Haushalt verlassen und lebe mit einer anderen Frau in Lebensgemeinschaft.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem beiderseitigen Verschulden der Streitteile und sprach aus, daß das Verschulden des Klägers überwiege. Es traf umfangreiche Feststellungen, aus denen folgendes hervorzuheben ist:

Zur Zeit der Eheschließung studierten beide Streitteile Medizin. Der Kläger war außerdem als Handelsangestellter berufstätig. Die Beklagte gab ihre Berufstätigkeit (diplomierte medizinisch-technische Assistentin) sechs Wochen vor der Geburt des ersten Kindes auf und ist seither nur mehr im Haushalt tätig. Der Kläger, der sein Medizinstudium im April 1977 beendete und daneben bis Sommer 1976 berufstätig war, finanzierte mit seinem Arbeitseinkommen den Unterhalt der Familie. Zur Zeit der Eheschließung bewohnten die Streitteile eine Kleinwohnung. Auf Drängen der Beklagten mieteten sie eine größere Wohnung, obwohl sie sich dies wegen ihrer schlechten finanziellen Lage nicht leisten konnten. Da sich die Beklagte mit den Nachbarn nicht vertrug, drängte sie dann, wieder eine andere Wohnung zu mieten und drohte, andernfalls eine Scheidungsklage einzubringen. Daraufhin mieteten die Streitteile gemeinsam mit Rudolf T***, dem Bruder eines Schwagers der Beklagten, ein Haus. Bereits nach einigen Monaten gab es Schwierigkeiten, weil sich Rudolf T*** beschwerte, daß die Beklagte die gemeinsamen Räumlichkeiten des Hauses nicht sauber halte. Aus diesem Grund zog Rudolf T*** aus, sodaß die Streitteile allein für die Miete aufkommen mußten. Die Beklagte sagte zum Kläger, sie habe dies provoziert, damit sie allein im Haus seien. Da die Beklagte das Haus und den Garten nicht pflegte, wurden die Streitteile vom Hauseigentümer gekündigt und nach einer Prozeßdauer von zwei Jahren zur Räumung des Hauses verurteilt. Auch im nächsten gemieteten Haus gab es Probleme mit dem Hauseigentümer, weil die Beklagte Haus und Garten nicht in Ordnung hielt. Nach der Promotion des Klägers zogen die Streitteile nach Friesach, wo der Kläger im Krankenhaus eine Anstellung bekam. Sie mieteten ein schönes Haus, die Beklagte hatte jedoch Auseinandersetzungen mit dem Hauswart, weil die Kinder immer wieder Schäden im Garten anrichteten und die Beklagte ihnen dies nicht untersagte. Die Beklagte beschimpfte die Ehefrau des Hauswartes, schaltete wiederholt in der Nacht, wenn der Hauswart Nachtdienst hatte, den Hauptschalter aus, sodaß in der Hauswartswohnung kein Licht war, und ließ sogar von einem Installateur die Warmwasserversorgung der Hauswartwohnung unterbinden, obwohl der Hauswart das Recht hatte, Warmwasser kostenlos zu beziehen. Aus diesen Gründen kündigte der Hauswart seine Stelle und zog mit seiner Frau aus. Da die Beklagte das Haus und den Garten dann nicht in Ordnung hielt, kündigte der Hauseigentümer den Streitteilen die Wohnung auf. Der Kläger kaufte im März 1979 "eine Realität" in Friesach. Nach dem Ausbau wurde das teilweise noch im Rohbau befindliche Haus im November 1980 bezogen. Auch dieses Haus und den Garten hielt die Beklagte nicht in Ordnung, sie legte keinen Wert auf Sauberkeit. Bedienerinnen hielten es im Haushalt der Streitteile nie lange aus, in einer Zeit von zehn Monaten hatten die Streitteile daher fünf verschiedene Bedienerinnen. Es gab immer wieder Anstände, weil die Kinder der Streitteile Unordnung machten und Sachen beschädigten und die Beklagte ihnen dies nicht untersagte. Auch der Hund durfte alles machen, was er wollte. Als er einmal auf den Teppich machte, reinigte die Beklagte den Teppich nicht, sondern schnitt das betroffene Stück aus dem Teppich heraus. Die Beklagte vernachlässigte auch Kleidung, Wäsche und Verpflegung des Klägers. Der Kläger wirkte bei der Friesacher Faschingsgilde und den Friesacher Burgfestspielen mit, er ist auch im Sportverein tätig. Obwohl ihn die Beklagte ersuchte, zu Hause zu bleiben, war er immer unterwegs und kam erst in der Nacht nach Hause. Die Beklagte erfuhr, daß der Kläger auch mit anderen Frauen unterwegs war. Im Jahr 1981 sprachen die Streitteile über eine einvernehmliche Scheidung, die aber nicht zustande kam. Im März 1982 mietete der Kläger in Friesach eine Großwohnung und baute sie als Ordination und Wohnung aus. Er eröffnete am 1.7.1982 seine Ordination als praktischer Arzt. Bei den Krankenkassenabrechnungen half ihm Isabella S***, die oft bis 1 Uhr nachts bei ihm blieb und für ihre Tätigkeit kein Entgelt erhielt. Die Beklagte verdächtigte den Kläger, ehewidrige Beziehungen zu Isabella S*** zu unterhalten. Es kam zu Auseinandersetzungen, die Beklagte beschimpfte den Kläger und ließ ihn, wenn er nachts nach Hause kam, öfters nicht in die Wohnung. Im Frühjahr 1983 lernte der Kläger Annemarie Z*** kennen. In ganz Friesach wurde bekannt, daß der Kläger seine Nächte mit dieser Frau verbrachte. Der Kläger stellte Annemarie Z***, nachdem diese einen Kurs besucht hatte, als zweite Ordinationshilfe an. Am 12.4.1983 zog der Kläger aus der Ehewohnung aus. Seither verrichtet die Beklagte führ ihn keine Arbeiten mehr. Im August 1983 zog der älteste Sohn der Streitteile zum Kläger. Dieser ersuchte Annemarie Z***, sie möge den Sohn beaufsichtigen und für den Kläger und den Sohn die Wäsche besorgen und kochen. Im Sommer 1983 lehnte der Kläger eine von der Beklagten vorgeschlagene Versöhnung ab. Im Herbst 1983 zog Annemarie Z*** in eine über der Ordination gelegene Wohnung. Der Kläger fuhr mit Annemarie Z*** auf Urlaub und verbrachte auch sonst seine Freizeit mit ihr. Die Parteien stellten ehebrecherische Beziehungen des Klägers zu Annemarie Z*** außer Streit (AS 160). Die Beklagte bevollmächtigte zu Beginn dieses Prozesses die Beklagtenvertreterin, kündigte das Vollmachtsverhältnis mit Schreiben vom 27.8.1985 auf, ersuchte die Beklagtenvertreterin aber eine Woche später, sie weiterhin zu vertreten. Nach der vom Sachverständigen Dr.Otto S*** am 14.7.1988 vorgenommenen Untersuchung liegt bei der Beklagten nunmehr eine ausgeprägte krankhafte Störung der Geistestätigkeit im Sinne einer durch Wesensänderung, Denkstörungen, grobe Verhaltensstörungen und Ideen gezeichnete Psychose vor. Aus diesem Grund besteht bei ihr derzeit eine Prozeßunfähigkeit. Der Beginn der Prozeßunfähigkeit kann rückblickend nicht eindeutig festgelegt werden, weil hiezu die Beurteilung eines Verhaltens erforderlich ist, welches lediglich aufgrund von zum Teil kontroversiellen Aussagen rekonstruierbar wäre. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann aber wohl davon ausgegangen werden, daß mindestens seit dem Beginn des Jahres 1988 die Störung ein Ausmaß erreicht hatte, daß bei der Beklagten eine Prozeßfähigkeit nicht mehr gegeben war. Es ist aber eher wahrscheinlich, daß der Beginn der Prozeßunfähigkeit schon wesentlich länger zurück liegt. Im Zeitpunkt des Kündigungsschreibens am 27.8.1985 und im Zeitpunkt der neuerlichen Vollmachtserteilung der Beklagten ungefähr eine Woche nach dem Vollmachtskündigungsschreiben war die Beklagte aber durchaus in der Lage, eine Prozeßvollmacht zu erteilen, weil ihr die Bedeutung einer solchen Vollmacht durchaus klar war und sie auch die Konsequenzen, die sich aus einer Bevollmächtigung ergeben, einzuschätzen vermochte. Intellektuell ist sich die Beklagte auch heute noch über das Wesen einer Bevollmächtigung im Klaren. Es handelt sich bei ihr um eine durch Wahnbildungen und daraus erfließende grobe Verhaltensstörungen gekennzeichnete Erkrankung bei weitgehend intakter formaler Intelligenz. Es liegt bei ihr derzeit eine erhebliche geistige Erkrankung vor, sodaß sie nicht in der Lage erscheint, ihre Angelegenheiten ohne Nachteile für sich selbst gehörig zu besorgen. Es bestehen "die Kann-Voraussetzungen für eine Sachwalterbestellung". Dieser Zustand besteht bei der Beklagten in dieser ausgeprägten Form seit mindestens ein bis zwei Jahren. Eine wesentliche Besserung ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dem Kläger fielen ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen zur Last, doch seien auch der Beklagten Eheverfehlungen anzulasten, zumal sie streitsüchtig sei, ständig Konflikte mit Nachbarn und Hausgehilfinnen gehabt habe, sowie daß sie den Haushalt, die Erziehung der Kinder und den Ehegatten vernachlässigt habe. Der Beginn der geistigen Erkrankung der Beklagten habe nicht festgestellt werden können, es könne daher nicht gesagt werden, daß das Verhalten der Beklagten auf einer geistigen Störung beruhe. Das Gesamtverhalten des Klägers wiege aber schwerer als das der Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es führte aus, in der Unterlassung der Beiziehung eines (weiteren) Sachverständigen und eines Kurators für die Beklagte liege kein Verfahrensmangel. Die Beklagte bedürfe wegen der gültig erteilten Vollmacht keines gesetzlichen Vertreters. Das Erstgericht habe auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellt, daß die geistige Erkrankung der Beklagten mindestens seit Anfang 1988 bestehe, deren Beginn aber nicht eindeutig festgelegt werden könne. Das Erstgericht habe seine Feststellungen daher auf einen Sachverständigenbeweis gestützt, ein anderes Beweismittel sei zu dieser Frage nicht angeboten worden, sodaß auch insoweit ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Das Berufungsgericht übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und teilte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, das Verhalten der Beklagten habe objektiv das Gewicht von Ehewidrigkeiten im Sinne des § 49 EheG. Die Eheverfehlungen der Beklagten seien schon vor dem Auszug des Klägers im April 1983 gesetzt worden. Daß die Beklagte schon zur Zeit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im April 1983 in einer erheblichen Weise beeinträchtigt gewesen sei, habe das Erstgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens mit Recht nicht angenommen. Die Verfehlungen der Beklagten seien auch nicht verfristet, da das fortgesetzte Verhalten bis zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gedauert habe. Gemäß § 57 Abs 1 EheG laufe die Frist nicht, so lange die eheliche Gemeinschaft aufgehoben sei.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt die Beklagte, zum Beweisthema, daß ihr ihr Verhalten wegen der psychischen Erkrankung nicht als Verschulden angelastet werden könne, sei kein ärztlicher Sachverständiger bestellt worden. Der beigezogene Sachverständige sei nur zum Zweck der Feststellung der Prozeßfähigkeit bestellt worden. Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß das Berufungsgericht das Gutachten des bestellten Sachverständigen als ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob das Verhalten der Beklagten auf einer geistigen Störung beruhe, ansah und das Vorliegen eines Mangels des Verfahrens erster Instanz verneinte. Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als solche erkannte, können aber in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden. Dies gilt auch für das Ehescheidungsverfahren (EFSlg 55.101 uva).

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führt die Beklagte zunächst aus, alle ihr zur Last gelegten Eheverfehlungen lägen weit mehr als ein halbes Jahr vor Einbringung der Ehescheidungsklage bzw der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft. Die vom Kläger geltend gemachten Ehescheidungsgründe seien daher verjährt. Überdies stellte das ihr angelastete Verhalten, nämlich daß sie sich selbst vernachlässigt habe, sich nicht den Wünschen des Klägers entsprechend angezogen und frisiert habe, die Kinder nicht entspechend den Wünschen des Klägers erzogen habe, keine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG dar.

Dem ist entgegen zu halten, daß nach den durch das Vorbringen des Klägers gedeckten Feststellungen die Beklagte den Kläger in Schwierigkeiten brachte, weil sie die Wohnungen samt den mitgemieteten Gärten nicht in Ordnung hielt und gegenüber Mitbewohnern ein Verhalten an den Tag legte, das dazu führte, daß die Ehegatten trotz finanzieller Engpässe immer wieder die Wohnung wechseln mußten. Die Vernachlässigung von Haus und Garten setzte die Beklagte auch fort, als die Ehegatten ein eigenes Haus bezogen hatten. Daß dieses Gesamtverhalten eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG darstellt, kann nicht zweifelhaft sein. Es handelt sich um ein fortgesetztes Verhalten, das als Einheit aufzufassen ist, der Fristablauf ist daher auf die letzte Handlung abzustellen (EFSlg 54.448 uva). Da gemäß § 57 Abs 1 EheG während der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die Frist nicht läuft, konnte der Kläger das angeführte Verhalten der Beklagten als Ehescheidungsgrund im Sinne des § 49 EheG geltend machen. Zu prüfen bleibt daher, ob der Beklagten das ihr angelastete Verhalten auch als Verschulden anzulasten ist, oder ob dieses Verhalten auf eine geistige Störung im Sinne des § 50 EheG zurückzuführen ist. Derzeit leidet die Beklagte an einer geistigen Erkrankung, die jedenfalls seit Beginn des Jahres 1988 besteht, deren Beginn aber wahrscheinlich schon wesentlich länger zurückliegt. Wann die Erkrankung begonnen hat, konnte nicht festgestellt werden - infolge dieser negativen Feststellung sind die Berufungsausführungen, es hätte festgestellt werden müssen, wann die geistige Erkrankung manifest geworden ist, verfehlt. Davon, daß die geistige Erkrankung vor April 1983, als der Kläger die eheliche Wohnung verließ, bestanden habe, kann daher nicht ausgegangen werden. Bei Beurteilung der Frage, zu wessen Lasten die Unklarheit über den Geisteszustand der Beklagten vor April 1983 geht, ist folgendes zu beachten:

Grundsätzlich wird die Handlungsfähigkeit einer Person vermutet. Erst wenn generell die Handlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, muß ein lucidum intervallum derjenige beweisen, der sich darauf beruft (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 15 zu § 865). Der Einwand, ein Scheidungsanspruch nach § 49 EheG bestehe wegen einer geistigen Störung im Sinne des § 50 EheG nicht, ist zumindest analog der Einrede der eingeschränkten Handlungsfähigkeit im Sinne des § 865 ABGB gleichzuhalten. Demnach muß diesbezüglich auch die grundsätzliche Beweislastverteilung für diese Frage gelten. Allgemein hat also derjenige, der eine Scheidungsklage nach § 49 EheG einbringt, nur das Vorliegen schwerer Eheverfehlungen zu beweisen, nicht aber auch den Gesundheitszustand seines Gegners, aus dem dessen volle Verantwortlichkeit für die Eheverfehlungen abgeleitet wird. Vielmehr ist es Sache des Gegners, einen Gesundheitszustand zu beweisen, der den nachgewiesenen Eheverfehlungen die Qualifikation eines Scheidungsgrundes nach § 49 EheG nimmt (7 Ob 557/87 = EFSlg 54.334). Der Oberste Gerichtshof hat im nicht veröffentlichten Teil dieser Entscheidung ausgeführt, daß der Beklagten ab dem Zeitpunkt, ab dem ihr Krankheitsbild besteht, Verfehlungen nicht mehr nach § 49 EheG zur Last gelegt werden können. Für Handlungen ab diesem Zeitpunkt hätte der Kläger beweisen müssen, daß bestimmte Verfehlungen doch als Verschulden anzulasten sind (EFSlg 54.335).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Krankheit der Beklagten zumindest seit Beginn des Jahres 1988 besteht, Handlungen seit diesem Zeitpunkt könnten der Beklagten daher nicht als Eheverfehlungen angelastet werden, soweit nicht der Kläger doch ein Verschulden beweisen würde. Einen Beweis dafür, daß ihr Handlungen, die sie vor April 1983 setzte, nicht als schuldhaft vorzuwerfen sind, hätte aber die Beklagte zu erbringen gehabt. Da sie diesen Beweis nicht erbrachte, erfolgte der Ausspruch der Scheidung aus einem Verschulden der Beklagten ohne Rechtsirrtum.

Auf die mit Eventualbegehren geltend gemachten Scheidungsgründe ist nicht einzugehen, weil der Kläger mit seinem Hauptbegehren durchgedrungen ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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