Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.449,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 741,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger, die Miteigentümer der Liegenschaft Wien 16, Ottakringer Straße 49, sind, kündigten der Beklagten das in diesem Haus befindliche Geschäftslokal Nr. 4 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4 MRG gerichtlich auf. Sie brachten vor, die Beklagte habe den Mietgegenstand zur Gänze weitergegeben und benötige ihn in naher Zukunft nicht für sich selbst. Darüber hinaus sei die Weitergabe gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung erfolgt. Die Beklagte wendete ein, sie sei passiv nicht legitimiert, denn Mieterin des Geschäftslokales sei nicht sie persönlich, sondern die Firma J*** & S***. Die geltend gemachten Kündigungsgründe lägen nicht vor, die Firma J*** & S*** habe das in den aufgekündigten Räumen betriebene Unternehmen gepachtet, was den Klägern seit Herbst 1985 bekannt sei.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die prot. Firma J*** & S*** ist seit 1928 Mieterin des Geschäftslokales. Dieses Unternehmen wurde zunächst in Form einer offenen Handelsgesellschaft betrieben, deren Gesellschafterin die Beklagte war. Seit 1976 ist die Beklagte Alleininhaberin des Unternehmens. Die Beklagte führte im aufgekündigten Geschäftslokal bis 1974 selbst einen Textilhandel, insbesondere mit Strick- und Wirkwaren sowie Modeartikeln. Im Geschäftslokal wurden insbesondere Hemden, Wäsche, Krawatten, Socken, Blusen und alle modischen Accessoires für Damen und Herren zum Kauf angeboten. Ab 1974 wurde das Unternehmen verpachtet. Susanne G*** hat den Betrieb seit September 1987 gepachtet, sie ist bereits die vierte Pächterin. Als Pachtzins wurden ein Betrag von S 6.900,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer und für die Einrichtung S 300,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer jeweils wertgesichert vereinbart. Außerdem hat die Pächterin den auf das Geschäftslokal entfallenden Mietzins zu bezahlen. Susanne G*** verpflichtete sich zur termingemäßen Bezahlung aller Abgaben sowie dazu, den Pachtgegenstand nach Beendigung des Pachtverhältnisses schuldenfrei zurückzustellen. Im Pachtvertrag wurde der Pächterin für die Pachtdauer ein Vorkaufsrecht am Pachtgegenstand eingeräumt. Weiters wurde vereinbart, daß der Beklagten das Recht zur sofortigen Vertragsauflösung unter anderem dann zustehe, wenn Susanne G*** einen erheblich nachteiligen Gebrauch vom Pachtgegenstand macht, insbesondere eine wesentliche Änderung des bisherigen Betriebsgegenstandes vornimmt. Susanne G*** handelt in den aufgekündigten Geschäftsräumlichkeiten ebenfalls mit Textilien und zwar im wesentlichen mit Freizeitbekleidung für Damen und Herren, Hemden und Pullovern. Sie übernahm bei Beginn des Pachtverhältnisses die im Geschäftslokal vorhandenen Einrichtungsgegenstände und zwar diverse Regale und ein Verkaufspult. Ein Warenlager und Angestellte wurden von ihr nicht übernommen. "Die vorhandenen Waren wurden in das Hauptgeschäft der Firma J*** & S***, die mehrere Filialen betreibt, übernommen." Eine Gewerbeberechtigung wurde nicht mitverpachtet. Die Beklagte verfügt jedoch auch über einen auf den Standort des aufgekündigten Geschäftslokales lautenden Gewerbeschein für den Handel mit Textilwaren aller Art. Die Beklagte hatte regelmäßig Geschäftsverbindungen zu bestimmten Lieferanten, Susanne G*** hielt diese Geschäftsverbindungen zum Teil aufrecht, zum Teil knüpfte sie selbst neue Geschäftsverbindungen. Eine Kundenkartei für Maßanfertigungen war vorhanden und stand Susanne G*** zur Verfügung, wurde jedoch von ihr nicht in Anspruch genommen. Susanne G*** betreibt das Unternehmen unter der Firma "J*** & S***". An der Außenmauer des Hauses über dem Geschäftsportal befindet sich eine Aufschrift mit dem Schriftzug "J***" in Leuchtbuchstaben. Die Beklagte wies ihre Pächter immer ausdrücklich daraufhin, daß dieses Geschäftsschild nicht entfernt werden darf. An der Auslagenscheibe des Geschäftslokales hat Susanne G*** Papierbuchstaben in einer Größe von 30 cm mit ihrem Namenszug aufgeklebt. Auch die Vorpächter der Susanne G*** hatten jeweils die Einrichtungsgegenstände im Geschäftslokal übernommen, die Geschäftsverbindungen der Beklagten teilweise fortgeführt und das Unternehmen unter dem Namen J*** geführt. Den Voreigentümern war seit 1974 die Tatsache der Verpachtung bekannt. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, Susanne G*** habe Einrichtungsgegenstände übernommen, die Lieferantenverbindungen teilweise fortgeführt und eine Kundenkartei übernommen. Der Pachtvertrag sehe auch eine Betriebspflicht vor. Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an der Betriebsführung ergebe sich auch daraus, daß die Pächterin für sämtliche Abgaben aufzukommen und den Pachtgegenstand schuldenfrei bei Beendigung des Pachtverhältnisses zurückzustellen habe. Ein weiterer Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Pachtvertrages sei das Vorkaufsrecht. Susanne G*** führe das Unternehmen unter der Firma J*** & S***. Dieses Unternehmen verfüge über ein Hauptgeschäft und Filialen, die auch derzeit geführt würden. Wesentliche Bedeutung komme daher auch dem good will des Unternehmens, wozu der Bekanntheitsgrad, der Ruf und der Kundenstock des Unternehmens zu zählen seien, zu. Unter Berücksichtigung all dieser Erwägungen ergebe sich, daß der Überlassung von anderen Unternehmensbestandteilen, so insbesondere den immateriellen, gegenüber den Mietrechten, die größere wirtschaftliche Bedeutung zukomme, weshalb der zwischen der Beklagten und Susanne G*** abgeschlossene Vertrag als Pachtvertrag zu qualifizieren sei. Die Beklagte sei Alleininhaberin des unter der Firma J*** & S*** protokollierten Unternehmens. Sie könne als Kaufmann sowohl unter ihrer Firma als unter ihrem eigenen Namen auftreten. Sie sei somit passiv legitimiert.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß der Betrag von S 6.900,-- als "Lokalpacht" vereinbart worden war, und führte in rechtlicher Hinsicht aus, aufgrund der getroffenen Feststellungen könne kein Zweifel daran bestehen, daß ein vorhandenes Unternehmen verpachtet worden sei. Der Textilhandel, der von der Beklagten bis 1974 selbst in den aufgekündigten Räumen geführt worden sei, sei seither von verschiedenen Pächtern weiter betrieben worden. Susanne G*** handle in den Geschäftsräumen ebenfalls mit Textilien, sie habe die vorhandenen Einrichtungsgegenstände übernommen, nicht aber Waren. Da sie über eine Gewerbeberechtigung verfüge, sei eine solche nicht mitverpachtet worden. Die Pächterin habe die regelmäßigen Geschäftsverbindungen zu bestimmten Lieferanten zum Teil aufrecht erhalten, habe eine Kundenkartei für Maßanfertigungen übernommen und betreibe das Unternehmen unter der Firma J*** & S***, deren Alleininhaberin die Verpächterin sei. Der Pächterin sei ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden. Aufgrund der Vereinbarung des Rechtes zur sofortigen Vertragsauflösung bei wesentlicher Änderung des bisherigen Betriebsgegenstandes könne allerdings von einer Betriebspflicht nur in einem sehr eingeschränkten Maße ausgegangen werden. Daß ein wirtschaftliches Interesse der Beklagten an der Weiterführung des Unternehmens bestanden habe, gestünden die Berufungswerber in ihrer Berufung indirekt selbst dadurch zu, indem sie auf die inzwischen neuerlich erfolgte Verpachtung des Unternehmens hinwiesen.
Die Kläger bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt dargelegt hat, lassen sich bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht feste, allgemein anwendbare Regeln nicht aufstellen. Es kommt vielmehr immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an. Eine Unternehmenspacht liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff "good will" gehört, übergeben wird. Neben den Räumen muß dem Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zu seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müßten. Weder die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer noch das gänzliche oder teilweise Fehlen von Einrichtungsgegenständen, muß gegen die Annahme eines Pachtverhältnisses sprechen (SZ 58/8 mwN ua). Die Ansicht der Revisionswerber, im vorliegenden Fall fehle die Mehrzahl der für eine Unternehmenspacht bedeutsamen Merkmale, kann nicht geteilt werden. Richtig ist zwar, daß ein Warenlager nicht übergeben wurde, doch reicht dies allein zur Verneinung einer Unternehmenspacht nicht aus. Die Behauptung, Susanne G*** habe keinen Kundenstock übernommen, ist durch die Feststellungen in keiner Weise gedeckt. Abgesehen davon, daß eine Kundenkartei für Maßanfertigungen übernommen wurde - von der Susanne G*** allerdings keinen Gebrauch machte - ist für die Frage der Übernahme eines Kundenstockes von Bedeutung, daß Susanne G*** am selben Standort einen Detailhandel mit im wesentlichen gleichartigen Textilien unter derselben Geschäftsbezeichnung weiterführte, sodaß die in der Revision aufgestellte Behauptung, die Kunden hätten sich längst verlaufen, in den Feststellungen keine Grundlage hat. Dem Umstand, daß die Gewerbeberechtigung nicht mitverpachtet wurde, kommt im vorliegenden Fall deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Bestandgeberin für den Standort des aufgekündigten Geschäftslokales eine Gewerbeberechtigung hatte, es aber nicht erforderlich war, diese mitzuverpachten, weil auch die Bestandnehmerin über eine Gewerbeberechtigung verfügte. Auf die Revisionsausführungen, Susanne G*** sei noch immer Pächterin, in der Berufung sei Gegenteiliges nicht behauptet worden, das Berufungsgericht habe hier unzulässigerweise Schlüsse aus einem nicht festgestellten, nur vermeintlich, nicht tatsächlich existierenden Sachverhalt gezogen, braucht nicht eingegangen zu werden, weil den erwähnten Ausführungen des Berufungsgerichtes für die Entscheidung keine Bedeutung zukommt. Das Berufungsgericht leitete daraus, daß es davon ausging, die Kläger wiesen auf eine in der Zwischenzeit erfolgte neuerliche Verpachtung hin, lediglich ab, die Kläger würden dadurch ein Interesse der Beklagten an der Weiterführung des Unternehmens indirekt zugeben. In der Revision führen sie ausdrücklich aus, "daß ein wirtschaftliches Interesse der beklagten Partei darin besteht, daß in dem gegenständlichen Geschäftslokal ein Textilhandelsunternehmen geführt wird, mag zutreffen". Sie bestreiten also die Schlußfolgerung, die das Berufungsgericht aus den - allenfalls
mißverstandenen - Berufungsausführungen gezogen hat, nicht. Der in der Revision vertretenen Ansicht, einem "good will" komme nur dann Bedeutung zu, wenn er nicht nur für die Beklagte sondern auch für deren Vertragspartner wichtig sei, ist folgendes entgegen zu halten:
Liegen bei Vertragsabschluß solche Voraussetzungen vor, daß ebensogut die Verpachtung eines lebenden Unternehmens wie ein bloßer Mietvertrag über Räume, die für Zwecke des Betriebes eines Unternehmens geeignet und eingerichtet sind, in Betracht kommt, dann ist maßgebend, für welche der beiden Möglichkeiten sich die Parteien entschieden haben (MietSlg 20.114). Im vorliegenden Fall haben die Parteien einen Vertrag über die Verpachtung eines Unternehmens geschlossen. Daran könnte es nichts ändern, wenn Susanne G*** - wofür die Feststellungen allerdings keinen Anhaltspunkt bieten - kein besonderes Interesse an einer Unternehmenspacht gehabt haben sollte und auch mit einer bloßen Raummiete einverstanden gewesen wäre. Entscheidend ist allein, ob tatsächlich die Form einer Unternehmenspacht gewählt wurde. Bei Beurteilung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß Gegenstand dieses Vertrages nicht nur die Räume sondern auch das Inventar waren, die Lieferanten teilweise übernommen wurden, die am Geschäft angebrachte Bezeichnung "J***" beibehalten wurde und im Geschäftslokal im wesentlichen gleichartige Waren verkauft wurden wie früher, sodaß vom Vorhandensein eines "good will" auszugehen ist. Weiters ist darauf Bedacht zu nehmen, daß - wenn auch eine ausdrückliche Vereinbarung über eine Betriebspflicht fehlt - eine wesentliche Änderung des derzeitigen Betriebsgegenstandes die Verpächterin zur sofortigen Vertragsauflösung berechtigt, woraus sich das Interesse der Beklagten an der Weiterführung des Betriebes ergibt. Aufgrund der Gesamtheit dieser Umstände ist das zwischen der Beklagten und Susanne G*** bestehende Rechtsverhältnis - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - als Unternehmenspacht zu qualifizieren. Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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