OGH 7Ob26/89

OGH7Ob26/8920.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adele DUH, Hausfrau, Lauterach, Bundesstraße 95 a, vertreten durch Dr.Otmar Simma u.a., Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1.) Maria G***, Textilarbeiterin, Dornbirn, Moosmahdstraße 48, und

2.) I*** U***- UND S***-AG, Wien 1.,

Tegetthoffstraße 7, beide vertreten durch Dr.Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 128.674,40 S s.A. infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3.Oktober 1988, GZ 4 R 172/88-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.Februar 1988, GZ 7 Cg 183/87-15, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 5.657,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 514,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 18.Oktober 1980 erlitt die Klägerin bei einem von der Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Die Zweitbeklagte ist Haftpflichtversicherer der Erstbeklagten. Rechtskräftig wurde bereits festgestellt, daß beide Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle zukünftigen Nachteile, Auslagen, Folgen und Schäden zu haften haben, die sie infolge der Unfallsverletzungen vom 18.Oktober 1980 erleiden wird, wobei die Haftung der Zweitbeklagten nach den Bestimmungen des Versicherungsvertrages beschränkt ist.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin für Pflegeaufwand, Aufwand für Haushaltshilfe und Telefonspesen noch 128.674,40 S s.A., die vor Schluß der Verhandlung erster Instanz aufgelaufen sind. Durch die Zahlung dieses Betrages würde die Versicherungssumme nicht überschritten werden. Die Beklagte habe zwar auf allfällig zu erwartende Forderungen von Sozialversicherungsträgern hingewiesen, jedoch diese nicht konkret genannt, sondern ausgeführt, daß die Klägerin höchstens eine Rente verlangen könne, wobei sie die Rente ohne Berücksichtigung der Forderungen Dritter errechnet.

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend dem Klagebegehren stattgegeben, wobei sie die behaupteten Auslagen als erwiesen annahmen und die Rechtsansicht vertraten, daß es sich bei dem Begehren der Klägerin um keinen Rentenschaden handle, weil die Unfallsfolgen in sämtlichen drei Teilbereichen noch nicht ausreichend konsolidiert seien.

Das Berufungsgericht hat eine Revision seitens der Zweitbeklagten für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Da im vorliegenden Fall konkret keine Forderungen Dritter behauptet werden, ist nur die Frage zu prüfen, ob die Zweitbeklagte gemäß § 155 Abs 1 VersVG berechtigt ist, anstatt der geforderten Kapitalszahlung eine gekürzte Rentenleistung zu erbringen. Dies würde jedoch voraussetzen, daß die Verpflichtung zu einer Rentenzahlung bestünde. Solange ein Anspruch periodisch abgerechnet und dabei stets wieder neu überprüft werden kann, liegt aber ein Rentenschaden im Sinne des § 155 Abs 1 VersVG nicht vor (Stiefel-Hoffmann, Kraftfahrtversicherung13 494, ZVR 1980/332). Für den Bereich der Haftung nach dem EKHG wird durch dessen § 14 Abs 1 klargestellt, welcher Schadenersatz für die Zukunft durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten ist. Diese Bestimmung nennt Schäden aus der Minderung der Erwerbsfähigkeit, Vermehrung der Bedürfnisse und Unterhaltsentgang, wobei jedoch die Qualifikation dieser Schäden als "technische" Rentenschäden erst mit dem Beginn der Zukunft entsteht (Kunst in ZVR 1978, 66). Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit Kunst (aaO, 67) ausgesprochen hat, beginnt die "Zukunft" in diesem Sinne mit der Konsolidierung der Schadensfolgen. Ein Pflegeaufwand ist Rentenschaden ab dem Zeitpunkt, ab dem er wegen seiner Konsolidierung objektiv mit einem regelmäßig zu zahlenden Geldbetrag abgegolten werden kann (ZVR 1980/332). Dies muß natürlich für alle im § 14 Abs 1 EKHG genannten Leistungen gelten. Dem Prinzip des Schadenersatzes entsprechend muß durch die Rente der eingetretene Schaden auch tatsächlich abgegolten werden können. Es geht daher nicht an, bei der Frage der Konsolidierung von Rentenleistungen auszugehen, die keinesfalls einer Abgeltung sämtlicher Schäden entsprechen würden. Dem Berufungsgericht ist also dahin beizupflichten, daß die im § 14 Abs 1 EKHG genannten Ersatzansprüche erst ab jenem Zeitpunkt Rentenansprüche sind, zu dem eine Konsolidierung im oben aufgezeigten Sinn eingetreten ist. Können also in Zukunft erhebliche Schwankungen nicht ausgeschlossen werden, wäre die Abgeltung des Schadens durch einen regelmäßigen Geldbetrag nicht möglich, sodaß diesfalls eine Konsolidierung nicht eingetreten wäre. Die Konsolidierung ist aber Voraussetzung für die Umwandlung des Kapitalanspruches in einen Rentenanspruch.

Die Rechtsansicht der Zweitbeklagten, wenn bereits feststünde, daß eine gekürzte Rente auch in Zukunft unter dem jeweiligen Kapitalanspruch läge, wäre der Versicherer berechtigt, anstelle des Kapitals eine Rente zu leisten, widerspricht § 155 Abs 1 VersVG. Diese Bestimmung erlaubt dem Versicherer eine Rentenkürzung nur, wenn ein Rentenanspruch besteht. Besteht ein solcher nicht, sondern nur ein Kapitalanspruch, so ist § 155 Abs 1 VersVG nicht anwendbar. Es geht also nicht an, ausgehend von einer gar nicht anwendbaren Gesetzesbestimmung, eine gekürzte Rente zu errechnen, um aus dieser dann die Umwandlung eines Kapitalanspruches in einen Rentenanspruch zu konstruieren. § 155 Abs 1 VersVG hat nicht den Zweck, dem Versicherer auf jeden Fall die ihm am günstigsten erscheinende Art der Schadenersatzleistung zu ermöglichen. Der Versicherer kann vielmehr von einer Kürzungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn bereits die Voraussetzungen für die Umwandlung des Kapitalanspruches in einen Rentenanspruch vorliegen. Dies ist bei den im § 14 Abs 1 EKHG genannten Ansprüchen erst mit der Konsolidierung der Schäden der Fall.

Ob im Einzelfall eine Konsolidierung der Schäden nach den von der Judikatur entwickelten Grundsätzen eingetreten ist, etrifft eine Frage des Einzelfalles, deren Lösung in ihrer Bedeutung über diesen nicht hinausgeht. Da das Berufungsgericht hier die von der Judikatur aufgezeigten Grundsätze beachtet hat, liegen in diesem Punkt die in § 502 Abs 4 Z 1 ZPO genannten Voraussetzungen für eine Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor, so daß dieser auf die genannte Frage nicht eingehen kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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