OGH 9ObA140/89

OGH9ObA140/8912.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Rudda und Franz Ovesny als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Andrea O***, Angestellte, Wien 23., Wastlgasse 34, vertreten durch Dr. Ernst Grubeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "C***" Restaurant-Betriebsgesellschaft mbH in Liquidation, Wien 6, Turmburggasse 6, vertreten durch Dr. Christoph Raabe, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 34.375 brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 29.495 brutto SA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. November 1988, GZ 34 Ra 89/88-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.April 1988, GZ 4 Cga 2008/88-37, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.087 (darin S 514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 21.Oktober 1985 gegen ein Monatsentgelt von S 7.500 brutto als Sekretärin beschäftigt. Mit der Behauptung, sie sei am 11.Februar 1986 wegen Vorenthaltens von Entgeltansprüchen berechtigt vorzeitig ausgetreten, begehrt sie ihr restliches Gehalt von Jänner bis März 1986, die aliquoten Sonderzahlungen für 1985 und 1986 sowie eine Urlaubsabfindung in Höhe von insgesamt S 34.375 brutto sA. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie sei mit der Klägerin nur ein befristetes Arbeitsverhältnis bis 31.Dezember 1985 eingegangen. Zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses sei es nicht gekommen. Die Klägerin habe keine Entgeltansprüche mehr. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Die Beklagte, die sich nunmehr in Liquidation befindet, wurde nach der Eintragung im Handelsregister durch die Geschäftsführer John. A. J*** und Johanna Al-A*** gemeinsam vertreten. Im Innenverhältnis war jedoch John A. J*** der einzige aktive Geschäftsführer der Beklagten, da Johanna Al-A*** ihre Geschäftsführertätigkeit bereits am 27.November 1978 zurückgelegt hatte. Beide Geschäftsführer sind als Liquidatoren eingetreten. Die Klägerin erhielt zwar im November 1985 einen Dienstzettel, wonach ihr Arbeitsverhältnis vom 1.November 1985 bis 31.Dezember 1985 befristet sei, doch erklärte der Geschäftsführer John A. J*** wiederholt, daß dies nur eine Formsache sei und das Arbeitsverhältnis "so wie bisher weitergehe". Auch am 30.Dezember 1985 teilte J*** der Klägerin mit, daß "alles so weitergehe wie bisher und alles verlängert werde". Die Klägerin arbeitete daher über den 31.Dezember 1985 hinaus weiterhin für die Beklagte. Ihr Dezembergehalt 1985 erhielt sie erst am 16. oder 17.Jänner 1986. Als die Beklagte auch das Jännergehalt 1986 sowie die aliquoten Sonderzahlungen für 1985 nicht rechtzeitig auszahlte, setzte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 6.Februar 1986 eine Nachfrist bis 10.Februar 1986. Da die Klägerin ihr Entgelt nicht erhielt, erklärte sie ihren vorzeitigen Austritt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß John A. J*** trotz der vorgesehenen Kollektivvertretung zum Abschluß des Arbeitsvertrages namens der Beklagten legitimiert gewesen sei. Er habe im Innenverhältnis allein rechtswirksam handeln können, habe das Einstellungsgespräch geführt sowie die Arbeitgeberfunktion ausgeübt und dienstliche Weisungen erteilt. Zufolge der Nichtzahlung des Entgelts nach der Fristsetzung sei die Klägerin im Sinne des § 26 Z 2 AngG berechtigt vorzeitig ausgetreten. Ihre Ansprüche seien in § 29 Abs 1 AngG begründet.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten, soweit in ihr Nichtigkeit geltend gemacht wurde, und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, daß es der Klägerin S 29.495 brutto sA zusprach und das Mehrbegehren von S 4.880 brutto sA abwies. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es genüge, wenn die Ladung zur Verhandlung einem kollektivvertretungsberechtigten Vertreter zugestellt worden sei. Der Liquidator John A. J*** könne auch nicht Verhandlungsunfähigkeit mit Erfolg geltend machen, da er sich in die Verhandlung eingelassen, Beweisanträge gestellt und Prozeßvorbringen erstattet habe. Im übrigen komme der Klägerin hinsichtlich ihres Vertragspartners der Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand zugute. Die zweite Geschäftsführerin Johanna Al-A*** habe die Führung des Unternehmens John A. J*** überlassen. Sie habe durch ihre Untätigkeit bewirkt, daß der Geschäftsführer J*** der Klägerin gegenüber allein als Vertreter der Beklagten auftreten habe können. Dieser habe das Arbeitsverhältnis begründet und den Dienstzettel sowie die Arbeitsbescheinigung unterfertigt. Die zweite Geschäftsführerin sei somit mitverantwortlich dafür, daß bei der Klägerin der Eindruck entstehen habe müssen, daß John A. J*** allein zur Vertretung der Beklagten befugt sei. Der Klägerin stehe jedoch keine Urlaubsentschädigung, sondern nur eine Urlaubsabfindung zu, da ein Urlaubsanspruch gemäß § 2 Abs 2 UrlG erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten entstehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben; in eventu, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte macht in der Revision - wie schon in ihrer Berufung - wieder geltend, daß das erstinstanzliche Verfahren mangels rechtswirksamer Vertretung und wegen Verhandlungsunfähigkeit des Geschäftsführers John A. J*** nichtig sei. Das Berufungsgericht hat die Berufung insoweit beschlußmäßig verworfen. Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes über die verneinte Nichtigkeit ist nicht anfechtbar, so daß auch ein allfälliger Vertretungsmangel in erster Instanz nicht mehr geprüft werden kann (vgl. Fasching, ZPR Rz 1905; SZ 59/104 ua). Im übrigen steht dem Einwand der mangelnden Vertretung der Beklagten entgegen, daß die Bestimmung des § 125 Abs 2 dritter Satz HGB, auf die § 150 Abs 2 HGB verweist, auch für mehrere gemeinsam vertretungsbefugte Liquidatoren einer Gesellschaft mbH anzuwenden ist und demnach jeder Liquidator passiv allein vertretungsbefugt ist (vgl. Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 698; SZ 54/123, SZ 59/138, jeweils mwH ua). Dazu kommt, daß nicht dem Liquidator John A. J***, sondern der Beklagten selbst für das Berufungs- und Revisionsverfahren ein Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe beigegeben wurde, so daß die Beklagte unabhängig von der allfälligen Wirksamkeit einer Vollmachtserteilung (vgl. SZ 51/162) unmittelbar durch diesen vertreten wurde und wird. Es entspricht ferner ständiger Rechtsprechung, daß auch Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht mit Revision geltend gemacht werden können (SZ 22/106; 10 Ob S 14/87, 10 Ob S 23/87 ua). So wurde sowohl die Beweisbefristung hinsichtlich des Zeugen Peter G*** im Sinne des § 335 Abs 1 ZPO, der ohnehin nur zum Beweis dafür geführt wurde, daß keine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin "beabsichtigt" gewesen sei, als auch die Unterlassung der Beischaffung des "Personalaktes" der Klägerin und ihrer neuerlichen Vernehmung vom Berufungsgericht geprüft und für mängelfrei befunden. Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung der Manuduktionspflicht rügt, ist ihr entgegenzuhalten, daß in der Berufung gegen das im ersten Rechtsgang gefällte Urteil ohnehin Neuerungen zulässig waren (vgl. Kuderna ASGG § 101 Erl.6) und die Beklagte in keinem Stadium des zweiten Rechtsganges qualifiziert vertreten war (§ 63 Abs 1 ASGG), so daß sie nicht gehindert war, ein allenfalls unterlassenes Vorbringen nachzuholen. Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Richtig ist, daß Kapitalgesellschaften als juristische Personen selbst Vertragspartner des Arbeitsvertrages sind (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 129). Es sind daher hinsichtlich der Beklagten auch in diesem Belange die Bestimmungen des § 18 GmbHG über die Vertretung durch die Geschäftsführer zu beachten. Es kann aber dahingestellt bleiben, inwieweit die "Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit" durch die Geschäftsführerin Johanna Al-A*** ohnehin auf einem Gesellschaftsbeschluß beruhte, wodurch John A. J*** zum alleinigen Geschäftsführer wurde, da auch eine nur faktische Einstellung ihrer Geschäftsführertätigkeit nichts daran ändert, daß die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer schon auf Grund der den Arbeitgeber auch im Bereich des Arbeitsvertrages treffenden Aufklärungs- und Fürsorgepflicht (vgl. Schwarz-Löschnigg aaO 294 ff; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 97 und 235 f) Anspruch darauf hatten, daß die Vertretungsverhältnisse nicht zu ihren Lasten verschleiert wurden. Die Klägerin erbrachte ihre Arbeitsleistungen nicht für den Geschäftsführer John A. J***, sondern für die Beklagte. Unbestritten ist, daß die zweite Geschäftsführerin der Einstellung der Klägerin nicht widersprochen hat. Es ist daher dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß Johanna Al-A*** mitverantwortlich dafür ist, daß bei der Klägerin der begründete Eindruck entstehen mußte, John A. J*** sei allein zur Vertretung der Beklagten befugt. Insoweit sie diesem insbesondere die Personalangelegenheiten zur selbständigen Erledigung überließ, muß daher zum Schutz der Arbeitnehmer angenommen werden, daß John A. J*** als Einzelvertreter handelte, solange er nicht das Gegenteil erklärte (vgl. Koppensteiner in Straube, HGB § 125 Erl.26 mwH; Hannak, Alleinvertretung durch ein gesamtvertretungsbefugtes Organmitglied, GesRZ 1982, 107 ff, 109). Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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