Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 53.118,40 brutto samt 4 % Zinsen seit 30.4.1985 zu zahlen sowie ihm die mit S 70.452,95 bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten S 4.836,45 Umsatzsteuer und S 15.252,-- Barauslagen) zu ersetzen; all dies binnen 14 Tagen bei Exekution".
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, dem Kläger die mit S 8.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1.4.1974 bis 18.4.1985 bei der beklagten Partei beschäftigt. Er war als Bauhilfsarbeiter aufgenommen worden und als solcher bis 30.8.1974 tätig. Ab 2.9.1974 wurde er in der Druckerei eingesetzt. Sein Aufgabenbereich erfaßte dort die Mitbeaufsichtigung einer laufenden Maschine, ferner Aufräumen und Waschen der Maschinen sowie den Papiertransport vom Lager in die Buchbinderei. Pro Transport wird von einem Druckereigehilfen ca 20 bis 25 kg getragen (ein Paket zwischen 8 und 10 kg). Solche Transporte werden pro Mann ca 2 bis 2 1/2 Stunden lang täglich durchgeführt. Wegen einer Leistenbruchoperation war der Kläger vom 19.10.1984 bis 13.1.1985 im Krankenstand. Vom 14.1. bis 12.2.1985 war er auf Urlaub und war im Anschluß daran vom 13.2.1985 bis 15.2.1985 noch in der Druckerei tätig. Ab 18.2.1985 wurde der Kläger als Bahuhilfsarbeiter zum Steinlagerplatz der MA 28 beordert. Die Rückstellung des Klägers zum Baubereich erfolgte, weil die Arbeiten die der Kläger vor seinem Krankenstand in der Druckerei ausgeübt hatte, von einem anderen Arbeiter verrichtet wurden, der von der beklagten Partei dazu angelernt worden war. Der Kläger arbeitete am Steinlagerplatz am 18.2.1985, vom 6. bis 8.3.1985 und am 18.3.1985. In der Zeit vom 19.2. bis 5.3.1985 befand er sich im Krankenstand, vom 11.3. bis 17.3.1985 konsumierte er einen Pflegeurlaub und befand sich vom 19.3. bis 17.4.1985 wieder im Krankenstand. Der Kläger ersuchte den Geschäftsführer der beklagten Partei sofort nach Mitteilung der Verwendungsänderung, ihn wieder in der Druckerei einzuteilen, was dieser jedoch ablehnte. Nach dieser Ablehnung versuchte der Kläger die ihm als Bauhilfsarbeiter aufgetragenen Aufgaben zu erfüllen. Während des Krankenstandes vom 19.3. bis 17.4.1985 schaltete der Kläger die Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter ein. Diese intervenierte bei der beklagten Partei, damit der Kläger anderswo beschäftigt werde. Da ihm keine andere Arbeit zugeteilt wurde, beschaffte sich der Kläger am Ende des Krankenstandes eine ärztliche Bestätigung mit der Empfehlung, vorübergehend weniger schwer zu heben. Da der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger am 17.4.1985 erklärte, daß es für ihn keine andere Arbeit als auf dem Steinlagerplatz gebe, sandte der Kläger per Post an die beklagte Partei das Austrittsschreiben, womit das Arbeitsverhältnis per 18.4.1985 beendet wurde.
Als Bauhilfsarbeiter hatte der Kläger auf dem Steinlagerplatz der MA 28 Pflastersteine hin und her zu bewegen bzw Splitt zu schaufeln. Für die Bedienung des Beißers mußte er Kraft von 10 bis 15 kg aufwenden. Jemand mit geringer Erfahrung benötigt dazu etwas mehr Kraft. Reststeine zwischen 1 und 20 kg hob der Kläger fallweise händisch in die Scheibtruhe, um sie an einen anderen Platz zu führen. Da die Arbeiten auf dem Steinlagerplatz saisonbedingt sind - sie sind auf die Winterzeit bzw die Frostperiode eingeschränkt - , wäre der Kläger im weiteren Verlauf für Straßenausbesserungsarbeiten eingesetzt worden. Dort müssen Hilfsarbeiter Kaltmischgut mit einer Scheibtruhe mit einem Gewicht zwischen 40 und 50 kg vom LKW zu Löchern in der Fahrbahnoberfläche fahren. Mit dem Kaltmischgut werden mittels Schaufel die Löcher der Straße ausgefüllt. Die Arbeiten auf dem Steinlagerplatz und die Straßenausbesserungsarbeiten sind nicht schwerer als die Arbeiten in der Druckerei. Bei den Bauhilfsarbeiten kann man selbständig Pausen einlegen; dies ist in der Druckerei unmöglich, insbesondere wenn die Maschinen laufen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach einer beiderseitigen Leistenbruchoperation ist mit 8 bis 10 Wochen anzunehmen. Danach ist das Heben und Tragen von besonders schweren Lasten für einen längeren Zeitraum ausgeschlossen; dies traf beim Kläger bis etwa Mitte März 1985 zu. Ab 18.4.1985 bestanden derartige Einschränkungen nicht mehr. Zwar wäre dem Kläger nicht zumutbar gewesen, einen LKW mit Zementsäcken voll zu beladen, dh ständig unter Zeitdruck 50 kg zu heben; es wäre ihm aber durchaus zumutbar gewesen, mehrmals einen Sack in eine Scheibtruhe und Steine in einen Gewichtsbereich zwischen 10 und 20 kg sowie Steine bis zu 10 kg auf ein Lastauto über den Kopf zu heben. Das Schieben und Fahren von Scheibtruhen bis zu einer Belastung von 50 kg wäre ihm möglich gewesen.
Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von S 53.118,40 brutto sA an Abfertigung. Sein Austritt sei berechtigt gewesen, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, die ihm zugeteilten Arbeiten auf dem Steinlagerplatz zu verrichten. Er habe auch ausdrücklich erklärt, die Versetzung aus der Druckerei auf den Steinlagerplatz nicht hinzunehmen.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Mit der Tätigkeit auf dem Steinlagerplatz sei eine Gefahr für die Gesundheit des Klägers nicht verbunden gewesen; der Kläger sei zu Unrecht ausgetreten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Austrittstatbestand nach § 82 a lit a GewO 1859 setze voraus, daß die unmittelbar vor der Austrittserklärung zugewiesenen Arbeiten einen erweislichen Schaden für die Gesundheit des Arbeitnehmers mit sich gebracht hätten. Die Tätigkeit auf dem Steinlagerplatz sei jedoch dem Kläger ohne Gefahr für seinen Gesundheitszustand möglich gewesen. Wohl sei dem Kläger durch den Einsatz auf dem Steinlagerplatz eine Arbeit außerhalb des bisherigen Vertragsrahmens zugewiesen worden, doch habe der Kläger, der zwar die Versetzung ursprünglich nicht habe hinnehmen wollen, sich letztlich damit abgefunden und die Arbeiten tatsächlich verrichtet. Die Austrittserklärung des Klägers vom 18.4.1985 sei verspätet erfolgt, zumal der Kläger bereits am 18.2.1985 auf dem Steinlagerplatz beschäftigt gewesen sei. Durch sein Zuwarten habe der Kläger ein aus der Versetzung ableitbares Austrittsrecht verwirkt. Es sei zu einer stillschweigenden Vertragsänderung gekommen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte aus, daß der vorzeitige Austritt des Klägers unberechtigt gewesen sei, weil gesundheitliche Gründe nicht gegen die Ausführung der Arbeiten auf dem Steinlagerplatz gesprochen hätten. Auch bei Zubilligung einer angemessenen Überlegungsfrist sei die Erklärung des Austrittes wegen vertragswidriger Versetzung verspätet erfolgt. Das erhobene Begehren bestehe daher nicht zu Recht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Zum Austrittsgrund nach § 82 a lit a GewO 1859 enthält die Revision keine Ausführungen. In diesem Punkt ist die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend, sodaß es genügt, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).
Im Rahmen einer vertragsrechtlichen Betrachtung hat man Versetzungen, die auf eine Änderung des Arbeitsvertrages hinauslaufen (vertragsändernde Versetzungen) von jenen zu unterscheiden, die sich im Rahmen des ursprünglich vereinbarten Vertrages halten (direktoriale Versetzungen). In dem einen Fall (vertragsändernde Versetzung) bedarf es zur vertragsrechtlichen Rechtswirksamkeit einer Vertragsänderung, in dem anderen (direktoriale Versetzung) ist eine Weisung des Arbeitgebers aus vertragsrechtlicher Sicht als Rechtsgrundlage ausreichend. Eine Versetzungsweisung des Arbeitgebers, die der Sache nach auf eine vertragsändernde Versetzung abzielt, ist grundsätzlich rechtswidrig und daher rechtsunwirksam (Floretta-Strasser, ArbVG, Handkommentar 590). Als Versetzung kann jedes Ansinnen des Arbeitgebers bezeichnet werden, Tätigkeiten außerhalb des bisherigen vertraglichen Rahmens zu verrichten; darin liegt ein Angebot zur Vertragsänderung, das unter Umständen vom Arbeitnehmer durch ausdrückliche Zustimmung oder durch Übernahme der Tätigkeit stillschweigend angenommen, aber auch etwa durch Befolgung der unzulässigen Weisung unter Protest abgelehnt werden kann (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3I, 132 f).
Im vorliegenden Fall wurde der Kläger wohl ursprünglich als Bauhilfsarbeiter aufgenommen, wurde jedoch nach kurzer Zeit in der Druckerei eingesetzt, wo er über zehn Jahre lang tätig war. Durch die zumindest stillschweigende Zustimmung des Klägers zu dieser Maßnahme wurde die Tätigkeit in der Druckerei Gegenstand des Arbeitsvertrages des Klägers. Ist aber einvernehmlich eine vertragsändernde Versetzung erfolgt, so ist eine einseitige Rückversetzung nicht möglich (Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO, 133). Mögen auch die Anforderungen an die körperliche Arbeitskraft allenfalls ähnlich gewesen sein, so unterschied sich doch die Tätigkeit auf dem Steinlagerplatz bzw bei
Straßenarbeiten - abgesehen von der Änderung des Arbeitsortes - bereits dadurch entscheidend von der vom Kläger früher verrichteten Arbeit, daß sie unter freiem Himmel zu verrichten war, wogegen der Kläger zuvor nur in geschlossenen Räumen eingesetzt war. Diese Änderung bedeutete eine erhebliche Erschwernis und eine Veränderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Klägers und war durch den Arbeitsvertrag nicht gedeckt. Die Zuweisung dieser Arbeit war daher eine vertragsändernde Versetzung, die der Zustimmung des Klägers bedurft hätte.
Wohl trifft es zu, daß im allgemeinen die Geltendmachung eines Austrittsgrundes unverzüglich zu erfolgen hat und ein Zuwarten den Verlust des Austrittsrechtes nach sich zieht. Grundgedanke dieses Prinzips ist, daß der Arbeitgeber sich möglichst bald über die Rechtsfolgen seines Verhaltens im klaren sein soll. Ordnet ein Arbeitgeber jedoch eine unzulässige Versetzung eines Arbeitnehmers an und beharrt er auf dieser Anordnung, so ist nicht nur die Anordnung an sich rechtswidrig, sondern vor allem der durch diese ausgelöste Dauerzustand. Nur die Zustimmung des Arbeitnehmers und die dadurch bewirkte Vertragsänderung beseitigen die Rechtswidrigkeit. Diese Zustimmung kann, wie jede Willenserklärung, ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen.
Bei Annahme einer stillschweigenden Zustimmung zur Versetzung ist jedoch äußerste Vorsicht geboten (Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO, 133). Eine Zustimmung kann mangels ausdrücklicher Erklärung nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer ein Verhalten einnimmt, das mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig läßt (§ 863 ABGB), daß er mit der angeordneten Versetzung einverstanden ist.
Ein solches Erklärungsverhalten des Klägers liegt jedoch nicht vor. Er hat unmittelbar nach der Weisung, am Steinlagerplatz zu arbeiten, ausdrücklich verlangt, in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich wieder eingesetzt zu werden und hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er sich mit der Anordnung nicht einverstanden erkläre. Daraus, daß er in der folgenden Zeit von rund einem Monat - ab 19.3. war der Kläger bis zur Austrittserklärung im Krankenstand - unterbrochen durch Krankenstände und Urlaube insgesamt an fünf Tagen die ihm zugewiesene Arbeit verrichtet hat, kann eine eindeutige Zustimmung zur Versetzung im oben dargelegten Sinn nicht abgeleitet werden. Der am 17.4.1985 erklärte Austritt ist daher nicht verspätet erfolgt, zumal der Kläger während des letzten Krankenstandes unter Einschaltung der Gewerkschaft die Zuteilung einer anderen Arbeit zu erreichen versuchte und damit neuerlich dokumentierte, daß er nicht bereit war, die Versetzung hinzunehmen. Da der Austritt begründet und rechtzeitig erfolgte, ist das der Höhe nach unbestrittene Begehren auf Zahlung der Abfertigung berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. An Dolmetschkosten lief im zweiten Rechtsgang nur ein Betrag von S 3.500,-- auf. Der Ersatzanspruch des Klägers ist daher mit diesem Betrag beschränkt. Die Gebühren des ärztlichen Sachverständigen wurden bisher nur mit S 2.396,-- bestimmt. Nur dieser Betrag konnte bei der Kostenbestimmung berücksichtigt werden. Die letzte vom Sachverständigen gelegte Gebührennote war noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Beschlußfassung.
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