Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei suchte über ein Zeitungsinserat Außendienstmitarbeiter. Der Kläger bewarb sich schriftlich und wurde daraufhin von der Beklagten aufgefordert, sich zur Vorauswahl bei der Beklagten in Rohr vorzustellen. Der Kläger wurde neben einem weiteren Bewerber aus insgesamt 30 Leuten ausgewählt, wobei ihm mitgeteilt wurde, daß er in der engeren Wahl sei. Einige Tage später wurde der Kläger von dem von der Beklagten mit der Einstellung der Außendienstmitarbeiter beauftragten Günther K*** telefonisch mit den Worten: "Kommen Sie herunter, Sie sind unser Mann für den Westen", eingeladen. Er wurde weiters aufgefordert, sich von Montag, dem 22.Februar 1988, bis Donnerstag, dem 25.Februar 1988, im Betrieb aufzuhalten und sich als künftiger Außendienstmitarbeiter über die Produkte, das Programm, die Preise etc. zu informieren. Der Kläger fuhr daraufhin abermals zur Beklagten, wo ihm und dem zweiten ausgewählten Bewerber das Unternehmen vorgestellt wurde. Die beklagte Partei bezahlte die Übernachtung des Klägers (Zimmer und Frühstück) in einem Gasthaus der Umgebung. Einmal wurde der Kläger auch zu einem Mittagessen eingeladen. Es steht nicht fest, daß die Beklagte auch die sonstigen regelmäßigen Kosten des Aufenthaltes des Klägers getragen hat. Dem Kläger wurde mitgeteilt, daß die Einschulung am darauffolgenden Montag noch für eine Woche fortgesetzt werden und danach der Verkauf beginnen solle. Man war sich darüber einig, daß der Kläger am 1.März 1988 als Angestellter bei der Beklagten beginne, und zwar als Außendienstmitarbeiter für Westösterreich. Mit Schreiben vom 26.Februar 1988 sagte die Beklagte jedoch die Vereinbarung, den Kläger ins Angestelltenverhältnis zu übernehmen, ab.
Der Kläger begehrte letztlich die Zahlung eines Betrages von 1.809 S sA an Fahrtkosten für 670 km a 2,70 S und Aufenthaltskosten für 4 Tage zu je 250 S, sohin 2.809 S sA.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie habe ein Seminar für Außendienstmitarbeiter veranstaltet, wobei es dem Kläger freigestanden sei, daran teilzunehmen. Von einer Einschulung des Beklagten könne keine Rede sein, außerdem habe sie den gesamten Aufenthalt samt Seminarkosten bezahlt.
Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers mit einem Teilbetrag von 2.593 S sA statt und wies das Mehrbegehren (unangefochten) ab. Die beklagte Partei habe den Kläger zur Vorstellung und zum Aufenthalt individuell aufgefordert und hiebei eine Übernahme der für den Kläger damit verbundenen Kosten nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Sie sei daher zum Ersatz der Auslagen, die dem Kläger im Zusammenhang mit der Vorstellung und der späteren Unterweisung verbunden gewesen seien, verpflichtet, wobei jedoch die Fahrtspesen nur für eine gegenüber dem Begehren um 80 km verminderte Fahrtstrecke zustünden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und billigte im wesentlichen dessen rechtliche Beurteilung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern. Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Im geltenden Recht findet sich keine ausdrückliche Regelung über den Ersatz der Vorstellungskosten; auch der Oberste Gerichtshof wurde, soweit überblickbar, mit dieser Frage bisher nicht befaßt. Im Schrifttum wird der Anspruch auf Kosten der Auslagen für eine Vorstellung, die aufgrund einer Aufforderung des potentiellen Arbeitgebers erfolgte, im wesentlichen übereinstimmend bejaht, wobei dieses Ergebnis vor allem auf § 863 ABGB, aber auch auf §§ 1002 ff, insbesondere § 1014 ABGB, überzeugend gegründet wird. Für die Annahme einer stillschweigenden Willenserklärung kommt es nicht primär auf das tatsächliche Vorliegen eines rechtsgeschäftlichen Willens oder Bewußtseins an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Erklärungsempfänger - hier der Stellenbewerber - bei sorgfältiger Deutung eine bestimmte rechtsgeschäftliche Absicht erschließen durfte oder erschlossen hat, die auch bei Fehlen von ausdrücklichen und übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln läßt (§ 863 ABGB), daß sich der andere in bestimmter Weise hier zur Zahlung der angefallenen Vorstellungskosten verpflichten wollte. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn ein Teil Leistungen erbringt, wenn sich also der Stellenbewerber nach Aufforderung durch den Arbeitgeber vorstellt und dieser die damit verbundenen Leistungen, sofern nicht der Arbeitgeber den Ersatzanspruch von vornherein klar ausschließt oder sich ein solcher Ausschluß aus den Umständen, unter denen die Vorstellung erfolgt, ergibt. Wird der Arbeitnehmer ausdrücklich zur persönlichen Vorstellung durch den Arbeitgeber aufgefordert, so besteht Grund zur Annahme, daß sich der Arbeitgeber nach § 863 ABGB stillschweigend zum Kostenersatz verpflichtet hat (Egger, DRdA 1982, 89 ff, insbesonders 100; Schoibl, RdW 1985, 247 ff, insbesonders 248; Mayer-Maly, Arbeitsrecht I !1987 , 60).
Die Aufforderung durch den Arbeitgeber zur Vorstellung des Bewerbers kann aber auch als Anbot eines Auftrages gesehen werden, der vom Bewerber ausdrücklich oder stillschweigend durch konkludente Handlung angenommen wird und einen Ersatzanspruch aus den §§ 1002 ff, 1014 ABGB entstehen läßt. Nach der letztgenannten Norm ist der Gewaltgeber verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung des Geschäftes notwendigen oder nützlich gemachten Aufwand selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg zu ersetzen und ihm auf Verlangen auch einen angemessenen Vorschuß zur Bestreitung der Barauslagen zu leisten; er muß ferner allen durch sein Verschulden entstandenen oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden vergüten. Daß der "Bevollmächtigungsvertrag" nach §§ 1002 ff ABGB - anders als der "Auftragsvertrag" nach §§ 662 ff dBGB - nur die "Besorgung von Geschäften" und damit eine im Abschluß von Rechtsgeschäften oder in sonstigen Rechtshandlungen bestehende, Dienste rein tatsächlicher Art nicht umfassende Tätigkeiten zum Gegenstand hat, bedeutet nicht daß § 1014 ABGB nur auf solche Arbeitsverhältnisse angewendet werden könnte, in deren Rahmen dem Arbeitnehmer auch eine "Geschäftsbesorgung" im Sinn des § 1002 ABGB übertragen worden ist. Das im § 1014 ABGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip des Anspruchs auf Auslagenersatz im Fall einer aufgetragenen Tätigkeit läßt vielmehr eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Arbeitsverträge durchaus sachgerecht erscheinen (so für den Fall der "Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse" Arb 10.268 mwN; zuletzt 9 Ob A 139/89). In der Lehre wie auch in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird damit im Bereich des Arbeitsrechtes die Aufrechterhaltung einer strengen Trennung zwischen Geschäftsbesorgung auf der einen und faktischer Tätigkeit in fremdem Interesse auf der anderen Seite, insbesonders im Fall des § 1014 ABGB, nicht mehr vertreten (so auch Jabornegg, DRdA 1984, 37; Schoibl aaO 249). Der Erstattungsanspruch folgt daher aus § 1014 ABGB, wonach der Auftraggeber verpflichtet ist, dem Beauftragten die ihm zur Besorgung des Geschäftes gemachten notwendigen und nützlichen Aufwendungen zu ersetzen. Diese Verpflichtung zum Ersatz der Auslagen umfaßt auch die Kosten, die einem Stellenbewerber erwachsen, der sich über Veranlassung des potentiellen Arbeitgebers zu einem Vorstellungsgespräch bei diesem einfindet.
Sowohl § 863 ABGB wie auch § 1014 ABGB bilden daher eine taugliche Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten, die ihm im Zusammenhang mit der Vorstellung erwachsen sind, sodaß ungeprüft bleiben konnte, ob der Anspruch auf Ersatz der Auslagen, die im Zusammenhang mit der Einschulung entstanden sind, auch nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (allenfalls aus einer Haftung für eine von der beklagten Partei zu vertretende culpa in contrahendo) zusteht.
Die Vorinstanzen haben den Zuspruch von 250 S für Aufenthaltskosten nicht unter dem Rechtsgrund eines bestimmten Diätensatzes vorgenommen, sondern haben unter Anwendung des § 273 ZPO den vom Kläger für diese Aufwendungen begehrten Betrag für angemessen erachtet, wobei das Berufungsgericht durch die Erwähnung der Kosten des Mittag- und Abendessens die wesentlichen Komponenten dieser Aufwendungen hervorhob. Darin liegt weder eine Aktenwidrigkeit noch eine unrichtige Anwendung des Gesetzes. Die Meinung der beklagten Partei, daß die Prozeßparteien nicht von einer Entgeltlichkeit der Vorstellung und des Besuchs der Produktveranstaltung ausgegangen seien, ist verfehlt. Der Kläger begehrt nämlich kein Entgelt für eine im Auftrag der beklagten Partei entfaltete Tätigkeit, sondern nur den Ersatz von tatsächlichen Auslagen, so daß sich die Frage, ob dem Kläger ein Entgelt zusteht, nicht stellt. Soweit die Revision die finanziellen Risken ins Treffen führt, die für den Arbeitgeber mit der Verpflichtung zum Ersatz der Kosten der Vorstellung verbunden seien, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Arbeitgeber es in der Hand hat, einerseits durch Beschränkungen des Kreises der Personen, die zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, und andererseits durch ausdrücklichen Ausschluß des Kostenersatzes anläßlich der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch eine derartige Belastung zu begrenzen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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