Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 29.950,56 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.991,76 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger betreiben als bürgerlich-rechtliche Gesellschaft eine Bäckerei in Zell am Ziller, in der am 20. September 1986 ein Brand schwere Schäden verursachte. Die Kläger haben mit den beklagten Versicherungen, unter anderem Versicherungsverträge gegen Brandschaden, abgeschlossen, denen die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) zugrundeliegen. Art. 18 dieser Bedingungen lautet:
"Wenn der Versicherungsnehmer den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat oder sich bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig macht, ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber von jeder Entschädigungspflicht aus diesem Schadensfall frei. Ist der Versicherungsnehmer wegen des von ihm herbeigeführten Schadens oder wegen eines bei Ermittlung der Entschädigung begangenen Betruges oder Betrugsversuches rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt, so gilt die Leistungsfreiheit als festgestellt."
Ein wesentlicher Teil des eingetretenen Schadens entfällt auf einen beim Brand zerstörten Netzbandofen. Diesbezüglich wies der Zweitkläger in Vertretung der Kläger bei der ersten Feststellung der Schäden einen auf Papier der Firma W*** & P*** geschriebenen Kostenvoranschlag über 2,600.000 S vor. Dieser Kostenvoranschlag stammte jedoch nicht von der erwähnten Firma. Wie er zustande gekommen ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Der Zweitkläger beabsichtigte jedenfalls mit Hilfe dieses Kostenvoranschlages eine höhere Leistung der Versicherung zu erhalten. Tatsächlich errechnete der von den Beklagten eingesetzte Sachverständige auf der Basis dieses Kostenvoranschlages einen Abfindungsbetrag, der jedoch von den Klägern später nicht akzeptiert wurde. Als der Zweitkläger jedoch im Zuge einer Besprechung Kenntnis davon erhalten hatte, daß es Probleme mit der Auszahlung der vollen Schadenssumme geben werde, entschloß er sich aus nicht bekannten Motiven, den von ihm vorgelegten Kostenvoranschlag bei einer späteren Besprechung am 30. September 1986 nicht mehr vorzulegen. Am 1. Oktober 1986 informierte er den Sachverständigen darüber, daß der Netzbandofen nicht zu dem im erwähnten Kostenvoranschlag angesetzten Preis, sondern um etliche 100.000 S billiger zu haben sei. Er veranlaßte am selben Tag die Erstellung eines Kostenvoranschlages der Firma W*** & P***, die tatsächlich die Kosten für diesen Netzbandofen billiger ansetzte. Hiedurch wurde die angebotene Abfindungssumme hinfällig. Die Beklagten erstatteten hierauf Anzeige gegen den Zweitkläger wegen Betrugsverdachtes. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. Mai 1987 wurde der Zweitkläger von der wider ihn erhobenen Anklage freigesprochen, wobei im Urteil festgestellt wurde, daß er den überhöhten Kostenvoranschlag in der Absicht, die Versicherungen zu täuschen und dadurch zu überhöhten Schadenersatzleistungen zu veranlassen, vorgelegt hat. Er habe sich hiedurch unrechtmäßig bereichern wollen und hiedurch das Tatbild des Betruges im Stadium des Versuches verwirklicht. Durch die rechtzeitige Aufklärung des Sachverständigen der Versicherung habe er jedoch die schädigende Auszahlung des überhöhten Schadensbetrages und somit freiwillig die Vollendung des Deliktes abgewandt. Ihm komme daher Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB zugute. Der vorliegenden, auf Zahlung von 3,329.458 S s.A. gerichteten Klage setzen die Beklagten den Einwand der Leistungsfreiheit nach Art. 12 ABS bzw 18 AFB 1969 entgegen.
Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil das Begehren des Klägers als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und hiebei die Rechtsansicht vertreten, durch den Rücktritt vom Versuch des Versicherungsbetruges sei die im Art. 18 AFB festgesetzte Leistungsfreiheit nicht eingetreten.
Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und ausgeführt, bereits durch den Versuch einer Täuschung des Versicherers sei die Obliegenheitsverletzung nach Art. 18 AFB 1969 verwirklicht worden. Daran ändere auch der Rücktritt vom Versuch nichts. Die durch die absichtliche Obliegenheitsverletzung eingetretene Leistungsfreiheit werde demnach durch den Rücktritt vom Versuch nicht aufgehoben.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß der Versicherer bei jeder arglistigen Täuschung durch den Versicherten gemäß Art. 18 AFB von jeder Entschädigungspflicht aus diesem Schadensfalle frei ist (VersRdSch 1955, 205, RdW 1987, 12 ua). Es handelt sich hiebei um eine Obliegenheit, die nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen ist. Nach § 6 Abs 3 VersVG tritt bei Verletzung einer derartigen Obliegenheit unbedingt Leistungsfreiheit ein, wenn die Verletzung auf Vorsatz beruht. Dies steht im vorliegenden Fall fest. Bereits der absichtliche Versuch der Täuschung des Versicherers begründet die Obliegenheitsverletzung (RdW 1987, 12). Eine spätere Berichtigung unwahrer Angaben in einer Schadensmeldung beseitigt eine derartige Obliegenheitsverletzung nicht mehr (VersRdSch 1978, 31 ua). Es ist auch nicht erforderlich, daß der Versicherer tatsächlich getäuscht worden ist. Vielmehr genügt die Absicht der Täuschung.
Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß gemäß Art. 18 AFB iVm § 6 Abs 3 VersVG bereits durch das Verhalten des Zweitklägers bei der ersten Besprechung absolute Leistungsfreiheit der Beklagten eingetreten ist. Daran kann auch die spätere Berichtigung der ursprünglichen Angaben durch den Zweitkläger nichts mehr ändern. Auch der Freispruch wegen Rücktrittes vom Versuch spielt keine Rolle. Vielmehr setzt der zweite Satz des Art. 18 AFB zwingend fest, daß im Falle einer Verurteilung wegen Betruges oder Betrugsversuches die Leistungsfreiheit als festgestellt gilt. Daraus ist aber aufgrund eines Umkehrschlusses abzuleiten, daß im Falle eines Freispruches die Frage des Betruges vom Zivilrichter selbständig zu prüfen ist. Kommt dieser zu der Überzeugung, daß vorsätzlich eine Täuschung zumindest versucht worden ist, so tritt die Leistungsfreiheit ein.
Mit dem Hinweis der Revision auf deutsche Literatur und Judikatur ist für die Kläger nichts gewonnen. Abgesehen davon, daß die Regelung des § 242 BGB nicht ohne weiters für den österreichischen Rechtsbereich anwendbar ist und daß die österreichische Rechtsordnung kein dem AGBG vergleichbares Gesetz enthält, würden auch die in der Revision herangezogenen Literaturstellen nicht zu dem von den Klägern gewünschten Ergebnis führen.
Die in der Revision zitierte Anmerkung bei Bruck-Möller (VVG8 Anm 53 zu § 34) bezieht sich ganz allgemein auf die Folgen absichtlichen Verhaltens. Sie beruft sich auf § 242 BGB. Keinesfalls führt sie aber aus, daß die im Gesetz oder in Versicherungsbedingungen genannten Folgen absichtlichen Verhaltens schlechthin entfallen sollen, wenn dieses Verhalten folgenlos geblieben ist. Vielmehr wird ganz allgemein auf Ausnahmsfälle verwiesen. Wesentlich eingehender ist die weitere Lehre (insbesondere Prölss-Martin VVG24, 840) und auch die Judikatur (VersR 1984, 453 ua), die sich inhaltlich weitgehend mit den von der österreichischen Judikatur entwickelten und oben dargelegten Grundsätzen deckt. Nach diesen Ausführungen genügt der Versuch, der Täuschung, auch wenn die wahre Sachlage dem getäuschten Versicherer bekannt ist oder wird. Widerruf oder tätige Reue sind unbeachtlich. Nur aus besonderen Gründen kann unter Berücksichtigung des § 242 BGB die völlige Verwirkung der Entschädigung unbillig erscheinen, zB wenn die unwahren Angaben sich auf besonders geringe Werte beziehen und der Versicherungsnehmer bei Verlust seiner sämtlichen Ansprüche seine Existenz verlieren würde (Prölls-Martin aaO, 841 f). Derartiges wurde hier aber nicht einmal behauptet. Einerseits betraf die unrichtige Angabe des Zweitklägers einen wesentlichen Teil des Schadens und andererseits wurde eine Behauptung dahin, daß der Versicherungsnehmer bei Verlust seiner sämtlichen Ansprüche seine Existenz verlieren würde, nicht aufgestellt. Selbst wenn man daher ohne weiteres der deutschen Literatur und Judikatur folgen würde, käme man mangels Vorliegens der in den dort entwickelten Grundsätzen für eine ausnahmsweise Einschränkung der Folgen der Täuschung geforderten Umstände auch zu keinem anderen Ergebnis als das Berufungsgericht.
Die Revision erweist sich sohin als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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