Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.172,20 (darin S 1.028,70 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 25. September 1968 geborene Kläger fuhr am 31. Dezember 1984 mit der von der beklagten Partei betriebenen Gondelbahn auf den Stubnerkogel im Schigebiet von Badgastein und von dort auf der markierten Anger-Tal-Abfahrt um etwa 15.00 Uhr talwärts. Die Temperatur betrug minus 14 Grad Celsius. Es herrschte gute Sicht, die Pisten war aber sehr hart. Die Abfahrt gabelt sich in ihrem Verlauf in die mit B 11 und die mit B 12 bezeichneten Piste. Oberhalb der Gabelung ist die Anger-Tal-Abfahrt 70 bis 80 m breit und verhältnismäßig flach. Sie weist sodann eine Geländestufe auf und ist daran anschließend in Form eines 4 bis 5 m breiten Querweges gestaltet, der 30 bis 40 m lang ist und eine Neigung von 16 Grad hat. Um in Fortsetzung der Piste B 11 zum Schizentrum Anger-Tal einzufahren, muß dieser Querweg benutzt werden. Die Abfahrt B 12 führt geradeaus zur Eisenbahnhaltesstelle Anger-Tal. Auf der Kante des Querweges steht ein Pistenwegweiser, durch den auf die Abzweigung hingewiesen wird; im Anschluß daran fällt der Hang steil ab. Die Tafel ist auf zwei etwa 2 m hohen Metallrohren angebracht, die zur Unfallszeit mit je zwei mit Stroh gefüllten Plastiksäcken bis auf Höhe des Wegweiser abgesichert waren. Allerdings waren die Strohballen des rechten Holmes schräg nach rechts verrutscht, wobei nicht näher feststellbar ist, ob lediglich der obere oder beide Strohballen des rechten Holmes verrutscht waren. Die Strohballen lagen jedoch nicht auf dem Boden. Ein auf der Abfahrt B 11 talwärts fahrender Schiläufer hat auf diesen Wegweiser Sicht aus mindestens 200 m.
Der bei der beklagten Partei beschäftigte Werner P*** war zur Unfallszeit Pistenchef des Bergrettungsdienstes der beklagten Partei. Zu seinen Aufgaben gehörte das regelmäßige Befahren und Kontrollieren der Pisten. Die Männer des Bergrettungsdienstes waren allgemein angewiesen, darauf zu achten, daß sich keine Hindernisse auf den Pisten befanden und die Sicherheitseinrichtungen in Ordnung waren. Am Unfallstag hatten Alexander O*** und Franz M*** Dienst. Sie fuhren am Morgen des Unfallstages bis zum sogenannten Ahornlift, kontrollierten jedoch weder am Morgen noch im Laufe des Tages die spätere Unfallstelle. Bis zur Talstation des Anger-Tal-Schizentrums fuhren sie üblicherweise nur auf besondere Anordnung des Pistenchefs Werner P***. Ob Werner P*** im Laufe des Unfallstages an der Unfallstelle vorbeifuhr und auf die Absicherung des Pistenwegweisers achtete, war nicht feststellbar. Der Kläger, der einen sogenannten Rennschi benützte, fuhr auf der Anger-Tal-Abfahrt B 11 mit hoher Geschwindigkeit talwärts. Als er mit diesem Tempo in die Trasse des nach links führenden Querweges der Abfahrt B 11 einfuhr, stürzte er infolge der von ihm eingehaltenen hohen Geschwindigkeit. Der Kläger verlor die Kontrolle über seine Schier und kam dadurch zu Sturz. Nach dem Sturz rutschte der Kläger etwa 38 m vor dem Pistenwegweiser talwärts, prallte mit großer Wucht gegen den rechten Holm des Wegweisers, wodurch er schwere Verletzungen erlitt, und blieb nach weiteren 20 m liegen. Der Wegweiser ist vom linken Rand der Piste etwa 15 bis 20 m, vom rechten Rand etwa 30 m entfernt.
Der Kläger begehrt für Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung und Heilungskosten unter Berücksichtigung eines eigenen Verschuldens von 25 % S 295.612,80 s.A. und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden aus dem Unfall zu 75 %, weil Dauerschäden vorlägen. Die Standrohre des Pistenwegweisers seien ungenügend abgesichert gewesen, weil die Umhüllung aus Strohsäcken zu Boden gerutscht und die bergwärts gerichteten Seiten der Rohre ungeschützt gewesen seien; daran treffe die beklagte Partei ein Verschulden.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Wegweiser sei aus einer Entfernung von 200 m deutlich sichtbar und mit Strohballen abgesichert gewesen. Das Pistenkommando der beklagten Partei habe die Strecke kurz vor dem Unfall abgefahren, den Zustand und die Absicherung des Wegweisers kontrolliert und keine Auffälligkeiten festgestellt. Der Unfall des Klägers sei durch dessen den Pistenverhältnissen nicht angepaßte Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung zustandegekommen. Die Verletzungen seien nicht durch den Anprall auf dem Wegweiser, sondern durch den Aufprall auf dem den Hang querenden Hohlweg verursacht worden.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 147.620,58 s.A. und zur Haftung für alle aus dem Unfall resultierenden künftigen Schäden zu 50 %; das Mehrbegehren wies es ab.
Das Berufungsgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger S 180.526,82 s.A. zu bezahlen und stellte fest, daß die beklagte Partei dem Kläger für alle aus dem Schiunfall vom 31. Dezember 1984 entstehenden künftigen Schäden zur Hälfte hafte; das Mehrbegehren wies es ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil im abändernden Teil S 15.000,- im bestätigenden Teil S 60.000,- und insgesamt S 300.000,- übersteigt. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, der Kläger sei mit der beklagten Partei auf Grund der Bergfahrt mit der Gondelbahn in einem Beförderungsvertragsverhältnis gestanden, das die Pistensicherungspflicht als vertragliche Nebenpflicht eingeschlossen habe, sodaß die beklagte Partei schon wegen einer nur leicht fahrlässig verschuldeten Verletzung dieser ihr obliegenden Pflicht zu haften habe. Zwar erfahre die Pistensicherungspflicht ihre Begrenzung durch die Zumutbarkeit. Künstlich geschaffene Hindernisse im Bereich der Schiabfahrt wie der gegenständliche, inmitten der Piste befindliche Wegweiser seien jedoch so abzusichern, daß sie für einen vernünftigen Durchschnittspistenfahrer auch bei schlechten Sichtverhältnissen keine besondere Gefahr darstellen. Mit einer Absicherung der Holme eines solchen Wegweisers würden die Anforderungen an die Pistensicherungspflicht nicht überspannt, weil eine solche Sicherung keinen unzumutbaren Aufwand erfordere. Daß eine solche Absicherung erforderlich gewesen sei, habe die beklagte Partei auch erkannt, weil sie an den Holmen Strohsäcke angebracht habe. Die beklagte Partei wäre jedoch verpflichtet gewesen, den Zustand der Absicherung regelmäßig zu kontrollieren und instandzuhalten. Dieser Verpflichtung habe die beklagte Partei nicht entsprochen. Sie hafte daher dem Kläger grundsätzlich für den erlittenen Schaden. Ein Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB setze nicht Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Geschädigten, sondern nur Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Angelegenheiten, etwa gegenüber der eigenen körperlichen Gesundheit, voraus. Dem Kläger sei vorzuwerfen, mit einer so hohen Geschwindigkeit gefahren zu sein, daß er die Kontrolle über die Schier verloren habe und zu Sturz gekommen sei. Die gemäß § 1304 ABGB vorzunehmende Aufteilung des Schadens habe nach dem jedem Teil zur Last fallenden Verschulden zu erfolgen. Das Verschulden beider Teile sei nicht als besonders schwerwiegend anzusehen, es sei auch keinem Teil unter Bedachtnahme auf die Umstände des Falles ein überwiegendes Verschulden vorzuwerfen. Die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 1 : 1 sei daher ohne Rechtsirrtum erfolgt.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung insoweit, als es ihm ein Mitverschulden von 50 % und nicht von nur 25 % anlastet. Er begehrt dementsprechend den Zuspruch von S 270.790,23 s.A. und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden mit insgesamt 75 %.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger meint, es treffe ihn an seinem Unfall ein Mitverschulden von höchstens 25 %, weil Stürze zum üblichen (erlaubten) Sportrisiko gehörten, er ohne Sturz den Pistenwegweiser gefahrlos passiert hätte und auch zu berücksichtigen sei, daß er im Unfallszeitpunkt das 14. Lebensjahr erst um dreieinhalb Monate überschritten gehabt habe. Überdies habe die beklagte Partei bei der mangelhaften Sicherung des Wegweisers in viel höherem Maß mit Schäden rechnen müssen als der Kläger bei einem Sturz damit, verletzt zu werden.
Verfehlt ist es zunächst, auf eine zum Unfallszeitpunkt eben erst eingetretene volle Deliktsfähigkeit des Klägers hinzuweisen; denn der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt nicht erst das 14., sondern bereits das 16. Lebensjahr überschritten.
Das Fehlverhalten des Klägers wurde auch keineswegs darin gesehen, daß er zu Sturz kam, sondern darin, daß er mit einer unter den gegebenen Umständen zu hohen Geschwindigkeit unterwegs war und deshalb die Kontrolle über seine Schier verlor, sodaß er stürzte. P*** behandelt in ZVR 1985, 257 ff ("Zur faktischen und rechtlichen Beurteilung der Sturzkollision beim Schifahren") im übrigen den Sturz eines Schifahrers gegen einen vor ihm oder unterhalb von ihm befindlichen, langsameren oder stehenden Schifahrer, sohin einen Sachverhalt, der hier nicht zu beurteilen ist.
Nicht verständlich ist das Argument des Klägers, er hätte den Wegweiser ohne Sturz gefahrlos passiert. Wäre es anders gewesen, wäre dem Kläger ein solches Maß an unbeherrschtem und unkontrolliertem Fahren vorzuwerfen, daß ein allfälliges Mitverschulden der beklagten Partei wegen mangelhafter Absicherung des Wegweisers weitestgehend in den Hintergrund treten würde. Richtig ist, daß bei der Verschuldensabwägung für das Gewicht des Verschuldens vor allem die Größe und die Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr entscheidet (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1304). Das Revisionsgericht teilt jedoch nicht die Ansicht, daß die beklagte Partei deswegen, weil die Absicherung der Holme des Wegweisers verrutscht war, in einem höherem Maß mit Schäden (Verletzungen) hätte rechnen müssen als der Kläger wegen der durch die Einhaltung einer nach den gegebenen Verhältnissen zu hohen Fahrgeschwindigkeit, die eine sichere Kontrolle über die Schier nicht mehr gewährleistete, bestehenden Sturzgefahr.
Die Vorinstanzen haben die Verschuldensabwägung im übrigen zutreffend nach den Bestimmungen des § 1304 vorgenommen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Ansicht an, daß das Verschulden der beklagten Partei an der Beschädigung des Klägers zumindest nicht überwiegt.
Der Revision mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
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