OGH 1Ob620/89

OGH1Ob620/895.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1./ Christian H*** und 2./ Waltraud H***, beide Landwirte, 8763 Möderbrugg 91, beide vertreten durch Dr.Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagte Partei Siegfried H***, Landwirt, 8763 St. Oswald 91, vertreten durch Dr.Peter Semlitsch und Dr.Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen Unterlassung (Streitwert S 20.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 9.März 1989, GZ R 822/88-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 17.Juni 1988, GZ 2 C 117/86-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in seinem Punkt 2. und im Kostenpunkt aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 26 KG Möderbrugg ua mit dem Grundstück 905/3. Über dieses Grundstück führt der "Strickerhubenweg". Der Beklagte ist gemeinsam mit seiner Ehegattin je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 97 KG Möderbrugg mit dem (einzigen) Grundstück 809/2 und übt in dieser Eigenschaft ein Nutzungsrecht (Holzbringung) an diesem Weg aus.

Die Kläger begehrten ua - das weitere Begehren ist bereits rechtskräftig erledigt - die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Benützung ihrer Grundstücke 31 und 799, insbesondere durch Befahren und Holzlagern, sowie ihres Grundstückes 905/3 durch Holzlagern. Sie machten dem Beklagten die Benützung des Weges, obgleich kein bücherliches Recht bestehe, nicht streitig. Dieses Recht umfasse jedoch nicht die Befugnis, das Holz auf ihrem Grundstück 905/3 sowie auf ihren angrenzenden Grundstücken 31 und 799 zu lagern bzw die beiden letztgenannten Grundstücke auch sonst zu benützen. Am 29.4.1985 habe der Beklagte den an der Südgrenze des Grundstückes 905/3 befindlichen Zaun niedergerissen und auf dem Grundstück 31 Holz gelagert; diese Vorgangsweise habe er am 16. und 18.4.1986 wiederholt. Der Beklagte wendete insbesondere ein, das Grundstück 809/2 werde seit jeher über den genannten Weg erreicht und bewirtschaftet. Schon 1935 sei die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges sowie des Viehtriebes zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke 809/1 und 809/2 einverleibt worden. Der untere Bereich dieser Grundstücke könne nur dann bewirtschaftet und Holz von dort abgeführt werden, wenn der Weg benützt werden dürfe. Der Weg werde auch seit unvordenklichen Zeiten von den jeweiligen Eigentümern der EZ 97 KG Möderbrugg unangefochten benützt und das abgeführte Holz im strittigen Bereich vor dem Weitertransport zwischengelagert. Dieses Recht sei zwischen den Voreigentümern seit altersher abgemacht und überdies als "altes Recht" längst ersessen.

Das Erstgericht gab (auch) dem Unterlassungsbegehren statt. Es stellte fest, der Beklagte bzw seine Rechtsvorgänger hätten den "Strickerhubenweg" seit Jahrzehnten zur Abfuhr von Holz - zumeist Brennholz - benützt. Die Kläger hätten ihren Hof (EZ 26 KG Möderbrugg) im Jahre 1972 vom Vater des Zweitklägers übernommen. Die Dienstbarkeit der Lagerung von Holz auf ihrem Grundstück sei nicht mitübernommen worden. 1981 habe der Erstkläger dem Beklagten gestattet, auf den Grundstücken der Kläger Holz zu lagern. Als Entgelt hiefür habe der Beklagte den Klägern eine Fuhr Stroh überlassen. Danach habe der Beklagte erst wieder am 29.4.1985 und am 18.4.1986 Holz auf den Grundstücken 905/3 und 31 gelagert. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, die Kläger hätten mit der Hofübernahme die Dienstbarkeit der Holzlagerung nicht übernommen, für sie sei es aber auch nicht offenkundig gewesen, daß ein solches Recht schon seit unvordenklicher Zeit ausgeübt werde, weshalb sie die Holzlagerung im strittigen Bereich nicht dulden müßten.

Das Berufungsgericht wies das Unterlassungsbegehren ab, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Vorweg sei zu prüfen, welche rechtlichen Folgerungen sich daraus ergäben, daß der Beklagte bloß Hälfteeigentümer des Grundstückes 809/2 sei und die Dienstbarkeit zugunsten dieses Grundstückes ausübe. Eine notwendige Streitgenossenschaft sei ua dann anzunehmen, wenn sich die Wirkungen des Urteils kraft Beschaffenheit des strittigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstrecken müßten, weil unter ihnen ein gemeinschaftliches Rechtsverhältnis bestehe, das notwendigerweise nur gegen alle oder für alle festgestellt werden könne. Die notwendige Streitgenossenschaft solle es somit unmöglich machen, daß bei getrennter Geltendmachung des Anspruches gegen mehrere Gegner verschiedene Entscheidungen ergingen. Das gelte aber nicht nur, wenn Miteigentümer auf Feststellung des Bestandes einer Dienstbarkeit oder Gestattung bzw Unterlassung deren Ausübung geklagt werden, sondern auch dann, wenn in unzulässiger Ausübung des Eigentums oder der Servitut in die korrespondierenden Befugnisse des Servitutberechtigten oder des Eigentümers eingegriffen und deshalb auf Entfernung oder Unterlassung geklagt worden sei. Da der behauptete Eingriff in das Eigentum der Kläger wegen "unberechtigter Erweiterung einer bestehenden Grunddienstbarkeit" nur allen Miteigentümern des herrschenden Grundstückes gegenüber durchgesetzt werden und das Urteil dann nur gegen alle Miteigentümer gleich lauten könne, liege zwischen den Miteigentümern der Liegenschaft EZ 97 KG Möderbrugg eine unzertrennliche Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO vor, sodaß der allein belangte Beklagte passiv nicht legitimiert sei; darauf sei auch ohne entsprechende Einwendung des Beklagten einzugehen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zB EvBl 1989/26 ua) abwich; sie ist auch berechtigt. Dem Berufungsgericht kann darin gefolgt werden, daß sowohl die auf die Freiheit des Eigentums gestützte Feststellungsklage als auch die Unterlassungsklage nach § 523 ABGB bei Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zugunsten einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft wegen der durch die dingliche Rechtsgemeinschaft bewirkten unzertrennlichen Streitgenossenschaft nur gegen alle Miteigentümer des angeblich herrschenden Grundstückes und nicht nur gegen den Störer allein zu richten ist, weil sich die Grunddienstbarkeit notwendigerweise auf das Eigentum als Ganzes und nicht bloß auf einen Miteigentumsanteil bezieht; entscheidend ist der Inhalt des Rechtes, das der Störer als Eigentumsbeschränkung in Anspruch nahm (SZ 56/6o uva).

In der nichtveröffentlichten Entscheidung 6 Ob 765/82 hat jedoch der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf das schon aus § 362 ABGB folgende materielle Recht des Eigentümers, andere von der Sachbenützung auszuschließen, ausgesprochen, es müsse einem Eigentümer, dem zwar Störungen und die Gefahr weiterer Eingriffshandlungen einer bestimmten Person, nicht aber etwa auch der vom Störer für sich in Anspruch genommene Rechtstitel bekannt sei, unbenommen bleiben, ohne im Sinne des § 523 ABGB das Bestehen eines vom Beklagten etwa beanspruchten Rechtes zum Gegenstand der Eigentumsfreiheitsklage zu machen, auf Unterlassung künftiger Störungen zu klagen. Ob Gegenstand des Rechtsstreites eine vom Beklagten behauptete Dienstbarkeit sei oder nicht, bestimme das Begehren und das dieses stützende Tatsachenvorbringen des Klägers, nicht aber seien dafür die Einwendungen des Beklagten maßgebend, auch wenn er sich zur Rechtfertigung seines Verhaltens auf eine Dienstbarkeit berufe. Der Bestand eines den Eigentümer zur Duldung verpflichtenden Rechtstitels bliebe dann mangels Zwischenfeststellungsantrages eine im Unterlassungsstreit zu beurteilende Vorfrage, über die nicht mit Rechtskraftwirkung zu befinden sei. Nur wenn der Kläger eine Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen einer vom Urheber des Eingriffs für sein Verhalten in Anspruch genommenen Grunddienstbarkeit, die der Rechtskraft teilhaft werden soll, anstrebe, müsse er die Klage gegen alle Eigentümer des angeblich herrschenden Grundes richten. Diese Rechtsansicht wird auch von Spielbüchler in Rummel, ABGB, § 354 Rdz 8, vertreten; danach müsse es dem Kläger vorbehalten bleiben, in Beurteilung seiner Durchsetzungsinteressen zu entscheiden, ob er alle Miteigentümer oder nur die Störenden in Anspruch nehme. Auf diese der zitierten Rechtsprechung widersprechende Lehrmeinung wurde sodann in der Entscheidung 5 Ob 587/84 Bezug genommen. Die Entscheidungen EvBl 1989/26 und 5 Ob 613, 614/84 schlossen sich in der Folge ausdrücklich der Entscheidung 6 Ob 765/82 und der Lehrmeinung Spielbüchlers an, wonach der Eigentümer entweder gegen den Störer allein mit schlichter Unterlassungsklage gemäß § 362 ABGB vorgehen oder aber im Sinne des § 523 ABGB auch das Bestehen eines vom Beklagten etwa beanspruchten Rechtes zum Gegenstand der Freiheitsklage machen kann. Von dieser Ansicht abzugehen, findet sich der erkennende Senat nicht veranlaßt.

Da die Kläger ihrem Begehren zufolge ganz eindeutig eine solche schlichte Unterlassungsklage angebracht haben, hätte das Berufungsgericht das Unterlassungsbegehren nicht bloß aus dem Grunde der mangelnden Passivlegitimation abweisen dürfen. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren auf die Mängel- und Beweisrüge der Berufung einzugehen sein.

Soweit sich der Beklagte in der Revisionsbeantwortung auf verwaltungsrechtliche Bringungsrechte beruft, genügt darauf als Entgegnung der Hinweis, daß der Beklagte ein solches subjektives öffentliches Recht in erster Instanz nicht geltend gemacht hat. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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