Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.671,50 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei beauftragte am 10.November 1980 die klagende Partei mit den Bauarbeiten im Baulos "Sauruck" der Paß-Gschütt-Bundesstraße B 166; dabei mußte auch der St. Martinsbach in ein neues Bett gelegt werden, weil die neue Trasse der Bundesstraße B 166 zum Teil an der Stelle des alten Bachbetts verläuft.
Grundlage des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen waren die Ausschreibung der beklagten Partei samt ihren integrierenden Bestandteilen, wie die rechtlichen Vertragsbedingungen, die technischen Vertragsbedingungen, die Erklärungen des Bieters, das Langtext-Leistungsverzeichnis und das Kurzleistungsverzeichnis sowie das auf Grund dieser Ausschreibung erstellte Anbot der klagenden Partei. Das Leistungsverzeichnis (LV) umfaßte ua folgende Positionen:
LV 02 22 (entspricht Position 2.415 A der Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau = RVS): Abtrag von leichtem bis schwerem Boden mit Maschineneinsatz und Verführen des Abtragmaterials innerhalb des Bauloses samt allen Ladearbeiten;
LV 02.26 (= RVS 2.423 A): Abtrag von leichtem und schwerem Fels und Verführen des Abtragmaterials innerhalb des Bauloses samt allen Ladearbeiten;
LV 02.28 (= RVS 2.441 A): zwischengelagertes Material: Laden und Verführen innerhalb des Bauloses und Abladen.
Die Anbotspreise der klagenden Partei betrugen zu LV 02.22
S 14/m3 bei einer ausgeschriebenen Menge von 7.300 m3, zu LV 02.26
S 65/m3 bei einer vorgesehenen Menge von 6.800 m3 und zu LV 02.28 S 64/m3 bei einer ausgeschriebenen Menge von 500 m3. Die Position LV 02.28 wurde von der beklagten Partei für allenfalls anfallendes Frostschutzmaterial aus der alten Trasse mit 500 m3 aufgenommen, weil geplant war, das Frostschutzmaterial bei Nebenwegen wieder einzubauen. Wegen Unbrauchbarkeit des Materials kam es aber letztlich nicht zu dieser Lagerung. Aus der Ausschreibung ging aber nicht hervor, daß diese Position für das Frostschutzmaterial vorgesehen war. Einen Hinweis darauf hielt die beklagte Partei deshalb nicht für erforderlich, weil diese Position laut Punkt 7.244 der Leistungsbeschreibung für Straßenbauten (LB) nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Auftraggeber eine Zwischenlagerung des Materials angeordnet hat; dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. In den einen wesentlichen Bestandteil des Anbotes der beklagten Partei bildenden "rechtlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen an Bundesstraßen und Bundesstraßenbrücken" (RV 10.111) ist ua folgendes geregelt:
Punkt 1.33: "Der Auftragnehmer hat die Pflicht, die ihm vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Ausführungsunterlagen alsbald zu prüfen und die bei Anwendung pflichtgemäßer Obsorge erkennbaren Mängel bzw Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich mitzuteilen.....".
Punkt 1.34: "Mehrkosten, die dem Auftragnehmer infolge Außerachtlassung oder mangelhafter Prüfung der Ausführungsunterlagen entstehen, werden vom Auftraggeber nicht vergütet".
Punkt 2.24: "Anordnungen und auch alle sonstigen Willenserklärungen des Auftraggebers sowie alle Willenserklärungen, Äußerungen und Einwendungen des Auftragnehmers sind nur wirksam, wenn sie ins Bautagebuch eingetragen sind oder sonst schriftlich erfolgen, es sei denn, es wäre Gefahr im Verzuge. In diesem Fall ist die schriftliche Bestätigung ehestmöglich nachzutragen".
Punkt 2.32: "Hält der Auftragnehmer Änderungen der vereinbarten Leistung für erforderlich, hat er dies dem Auftraggeber ehestens nachweisbar bekanntzugeben. Mit der Ausführung der betreffenden Leistung darf, ausgenommen bei Gefahr im Verzug, erst nach Entscheidung des Auftraggebers begonnen werden".
Punkt 2.61: "Vertragswidrige Leistungen sind solche, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag erbracht hat.....".
Punkt 2.64: "Vertragswidrige Leistungen, die nicht notwendig waren, um eine unmittelbare drohende Gefahr zu bannen, werden nur vergütet, wenn sie der Auftraggeber nachträglich schriftlich anerkennt".
Punkt 3.14: "Mit den vereinbarten Preisen sind sämtliche nach dem Vertrag zu erbringende Leistungen einschließlich aller mit diesen in notwendigem Zusammenhang stehenden Transport- und sonstigen Hilfs-, Vorbereitungs- und Nebenleistungen, für die im LV keine eigenen Positionen enthalten sind, abgegolten".
Im November 1980 wurde mit den Arbeiten begonnen. Das beim Ausheben des neuen Bachbettes des St. Martinsbaches anfallende Aushubmaterial konnte nicht sogleich für die Verfüllung des alten Bachbettes verwendet werden, da während der Aushubarbeiten der Bach in seinem alten Bachbett verblieb. Die Bachverlegung begann beim Planprofil 33 und wurde in drei Abschnitten durchgeführt, im ersten zwischen den Profilen 33 und 39, im zweiten zwischen den Profilen 40 und 44 und im dritten zwischen den Profilen 44 und 51. Dabei wurde das Aushubmaterial zum Großteil im unmittelbaren Bereich neben dem Aushub gelagert, zum Teil mittels Schubraupen zu Lagerplätzen geschoben, zum Teil auch mit LKW auf Deponien innerhalb des Bauloses verführt. Die Zwischenlagerung, welche immer dann vorzunehmen ist, wenn das Abtragmaterial nicht in einem Arbeitsgang wieder eingebaut werden kann und daher ein nochmaliges Aufnehmen des Materials notwendig ist, ist sowohl von den Leistungen "Abtragen und Verführen", als auch "Wiederaufnehmen von zwischengelagertem Material" umfaßt und wurde daher von der klagenden Partei bei der Kalkulation auch in den Positionen LV 02.22 und 02.26, aber auch in LV 02.28 berücksichtigt. Dabei übersah die klagende Partei jedoch, daß die LV-Position 02.28 auf Grund der vertraglichen Bestimmungen nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Zwischenlagerung vom Auftraggeber (beklagte Partei) schriftlich angeordnet wird. Erstmals im Feber 1981, als bereits etwa 80 % des Abtrags für das neue Bachbett vollendet war und die klagende Partei eine Teilrechnung legen wollte, tauchten Differenzen wegen der Abrechnung auf. Mit einer Bautagebucheintragung vom 19.Feber 1981 forderte die klagende Partei erstmalig die Entlohnung ihrer Leistungen nach LV 02.28. Die zuständigen Vertreter der beklagten Partei widersprachen diesem Begehren und verfaßten am 3.März 1981 eine klarstellende ablehnende Bautagebucheintragung.
Die klagende Partei begehrt unter Berufung auf die Position LV 02.28 das Entgelt für die neuerliche Ladung des zwischengelagerten Materials von 8.000 m3 mit dem Vorbringen, diese Arbeitsweise sei von der beklagten Partei angeordnet worden, so daß die Berufung auf die mangelnde Schriftlichkeit der Anordnung gegen Treu und Glauben verstoße. Außerdem werde das Klagebegehren auch auf Bereicherung gestützt, weil der Wert der von der klagenden Partei geleisteten streitgegenständlichen Arbeiten nicht durch die übrigen Einheitspreise abgegolten sei; sie stütze ihr Begehren auch auf Schadenersatz.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, sie habe der klagenden Partei keinen Auftrag zur Zwischenlagerung und nachträglichen Entfernung von Aushubmaterial im Sinne der Position LV 02.28 erteilt, eine solche Anordnung auch nicht nachträglich schriftlich bestätigt, so daß die vorliegende Entgeltsforderung der klagenden Partei unberechtigt sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Vertragsgrundlagen der Streitteile die Honorierung der von der klagenden Partei begehrten Leistungen nach der Position LV 02.28 mangels Erteilung einer derartigen schriftlichen Anordnung oder nachträglichen Genehmigung nicht zuließen. Die Berufung der beklagten Partei auf diese Schriftlichkeitsklausel könne auch nicht als treuwidrig bezeichnet werden. Auch für einen Schadenersatz- oder Bereicherungsanspruch der klagenden Partei sei nach dem vorliegenden Sachverhalt keine Grundlage gegeben. Ein allfälliger Kalkulationsfehler der klagenden Partei falle dieser selbst zur Last, zumal er weder von der beklagten Partei veranlaßt worden sei, noch dieser auffallen hätte müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Der klagenden Partei sei ein rechtlich nicht relevanter Kalkulationsirrtum insoweit unterlaufen, als sie in ihrem Vertragsmotiv durch die falsche Einschätzung der Höhe der von ihr zu tragenden Kosten bzw des von ihr zu tätigenden Aufwandes geirrt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes von der klagenden Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Die klagende Partei hat im erstinstanzlichen Verfahren stets behauptet, ihr Klagebegehren gründe sich auf den mit der beklagten Partei über die Position LV 02.28 zustandegekommenen Vertrag. Dieses Vorbringen wurde jedoch im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen nicht bewiesen, vielmehr steht fest, daß eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen, auf Grund welcher die klagende Partei nach der Position LV 02.28 Laden und Verführen von "Zwischenlagerungen" zu S 64/m3 verrechnen könne, mangels schriftlicher Anordnung oder schriftlicher nachträglicher Genehmigung der klagenden Partei nicht zustandegekommen ist. Selbst in der Revision geht die klagende Partei noch davon aus, es sei ihr kein (Kalkulations-)Irrtum widerfahren, möglicherweise sei aber der klagenden Partei ein Erklärungsirrtum darüber unterlaufen, daß Leistungen gemäß Position LV 02.28 im Rahmen von Leistungen gemäß Positionen LV 02.22 und 02.26 zu erbringen seien. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß der Klägerin bei ihrer Anbotserstellung insofern ein rechtlich unbeachtlicher Kalkulationsfehler unterlaufen ist, als sie trotz Erkennbarkeit der durch den Ablauf der Werksarbeiten notwendigerweise bedingten Zwischenlagerung des Aushubmaterials und dessen in der Ausschreibung (Position 02.28) zu gering angegebenen Volumens (siehe die Feststellungen im Ersturteil, Seiten 14-15) das Ausmaß der von ihr zu erbringenden Leistungen und den ihr dabei erwachsenden Aufwand falsch eingeschätzt hat und damit einem unerheblichen Motivirrtum unterlegen ist (vgl.Koziol-Welser, Grundriß I8 119 mwN in FN 25). In einem solchen Fall kann die Korrektur der Fehlkalkulation auch nicht im Wege des Bereicherungsrechtes vorgenommen werden, wie dies die Klägerin hier hilfsweise versucht, denn die ihr nachteilige Vermögensverschiebung ist nicht rechtsgrundlos erfolgt.
Auf die in erster Instanz ohne entsprechendes Sachvorbringen und unschlüssig geltend gemachte Schadenersatzansprüche kommt die klagende Partei in der Revision ohnedies nicht mehr zurück. Der klagenden Partei ist der Nachweis der für den Anspruch vorgebrachten rechtsbegründenden Tatsachen (nämlich der angeblichen Vereinbarung mit der beklagten Partei über die Erbringung und Bezahlung von Leistungen nach der Position LV 02.28) nicht gelungen, so daß sie mit ihrem Klagebegehren nicht durchdringen konnte. Die Revisionskostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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