OGH 3Ob557/89

OGH3Ob557/8928.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Vormundschaftssache des am 24. Oktober 1988 geborenen Kindes Janine H***, vertreten durch das Jugendamt Linz als Amtsvormund, hier den zwecks Abschlusses eines Adoptionsvertrages bestellten besonderen Sachwalter Dr. Karl H***, Rechtsanwalt, Hofgasse 7, 4020 Linz, infolge Revisionsrekurses des Kindes und der Antragsteller Manuela Monika S***, Angestellte, und Peter S***, Kaufmann, beide Graben 5, 4020 Linz, alle vertreten durch Dr. Erhard Hackl und Dr. Karl Hatak, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 3. Mai 1989, GZ 18 R 284/89-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 28. Feber 1989, GZ 21 P 364/88-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die unverheiratete, am 12. März 1969 geborene Doris H*** hat am 24. Oktober 1988 das Kind Janine geboren. Wolfgang S*** hat am 5. Dezember 1988 vor der Bezirksverwaltungsbehörde in Angelegenheiten des Vormundschaftswesens die Vaterschaft anerkannt. Am 19. Dezember 1988 schlossen Manuela S***, die Schwester der Mutter des Kindes, und deren Ehemann Peter S*** als Wahleltern und das Kind, das ungeachtet der gesetzlichen Vertretung durch den Amtsvormund von vorgeschlagenen besonderen Sachwalter Dr. Karl H*** vertreten wurde, mit Einverständnis der Mutter Doris H*** einen Adoptionsvertrag. Die Wahleltern haben am 18. November 1987 die Ehe geschlossen. Ihrer Ehe entstammen keine Kinder. Sie nahmen das Kind an Kindesstatt an.

Die Vertragsteile beantragten, die Annahme an Kindesstatt gerichtlich zu bewilligen. Sie diene dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes, weil dessen Mutter sich geäußert habe, das Kind stelle eine Belastung dar, sie wolle Linz verlassen und das Kind dort bei ihrer Schwester, die das Kind seit der Geburt pflege, zurücklassen.

Das Erstgericht, das den Rechtsanwalt Dr. Karl H*** am 3. Feber 1989 zum besonderen Sachwalter des Kindes zwecks Abschlusses des Adoptionsvertrages bestellt (obwohl dieser Bevollmächtigter der Wahleltern war!) und eine Stellungnahme des Jugendamtes eingeholt hatte, versagte wegen Fehlens der Voraussetzungen nach dem § 180 a Abs 1 ABGB der Annahme die Bewilligung. Es stellte auf Grund der Ermittlungsergebnisse fest, daß der Wahlvater neben zahlreichen Verwaltungsstrafen 21

gerichtliche Vorstrafen aufweist, im Prostituierten- und Zuhältermilieu etabliert und Herausgeber eines Sexmagazins und Betreiber von "Peep Shows" in mehreren Städten Österreichs ist, und daß die Wahlmutter früher der Prostitution nachging und nun Geschäftsführerin in Betrieben des Wahlvaters ist. Es sei daher zu bezweifeln, daß das Wahlkind bei den Wahleltern gedeihlich aufwachse. Nach der Persönlichkeit des Wahlvaters sei den Bedingungen des § 31 Abs 2 des OÖ JWG nicht entsprochen, weil die Eignung des Wahlvaters fehle, dem Kind eine dessen Wohl entsprechende Erziehung zu bieten.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Annahme an Kindesstatt und teilte die Bedenken des Erstgerichtes, weil nicht gewährleistet sei, daß nicht nur das körperliche, sondern auch das geistige und seelische Wohl des Kindes gesichert und dem Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause verschafft werde. Das Unterbleiben weiterer Erhebungen über die Betreuung des Kindes bei den Wahleltern sei ohne Bedeutung, weil es mit dem Gesamtwohl des Kindes unvereinbar sei, es an den schwer vorbestraften, im Prostituiertenmilieu etablierten Wahlvater zu binden und es in diesem Umfeld aufwachsen zu lassen, selbst wenn die Versorgung und Pflege bestens wäre. Es liege auch kein Verfahrensmangel vor, wenn den Parteien keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verfahrensergebnissen gegeben wurde, weil sie sich dazu im Rekurs äußern konnten, die festgestellten Tatsachen aber gar nicht in Abrede gestellt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes erheben das Kind und die Wahleltern Revisionsrekurs aus den Gründen der Nichtigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit. Zu Unrecht meinen sie, daß sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels auch aus § 502 Abs 4 ZPO ergebe. Nach der geltenden Fassung des § 16 AußStrG ist gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, soweit es den erstrichterlichen Beschluß bestätigt, ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nur aus den Gründen der Nichtigkeit oder einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit zugelassen.

Diese Anfechtungsgründe liegen nicht vor. Nach § 10 AußStrG blieb es den Parteien unbenommen, im Rekurs neue Umstände und Beweismittel anzubieten. Auf solche Neuerungen hatte das Rekursgericht Bedacht zu nehmen, soweit sie Umstände betrafen, die vor der erstrichterlichen Beschlußfassung eingetreten waren oder zur Wahrung des Wohles des Kindes auch von Amts wegen zu berücksichtigen sind (EFSlg 47.073; EFSlg 47.079 uva). In der Nichtbeachtung solcher Neuerung kann sogar ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit liegen (EvBl 1965/133). Ein allfälliger Mangel des rechtlichen Gehörs in erster Instanz ist dadurch behoben, daß im Rekurs im Rahmen der Neuerungserlaubnis Gelegenheit zur Darlegung des eigenen Standpunktes bestand (SZ 46/93; EFSlg 46.964;

EFSlg 52.519 uva). Die Rechtsmittelwerber beschränkten sich aber in ihrem Rekurs gegen den erstrichterlichen Beschluß auf die Rüge, daß sie zu der Stellungnahme des Jugendamtes und den polizeilichen Erhebungen vor der Beschlußfassung nicht mehr gehört wurden, ohne darzulegen, welche Umstände sie diesem Beweisergebnis entgegengehalten hätten, und ohne die Richtigkeit, insbesondere der Strafregisterauskunft zu bestreiten.

Die Behauptung, aus diesen Unterlagen sei nicht ersichtlich, in welchem Zeitraum die kriminellen Handlungen des Wahlvaters stattfanden, ist nur insoweit zutreffend als sich die Tatzeitpunkte weder aus der Strafregisterauskunft noch den Vormerkungen über Polizeistrafen ergeben. Dem Erstgericht standen aber Daten zur Verfügung, wonach der Wahlvater nicht nur schon in jugendlichem Alter, sondern zuletzt auch noch am 22. Jänner 1986 und am 26. Jänner 1988 vom Landesgericht Linz und am 23. Dezember 1987 vom Bezirksgericht Linz wegen gerichtlich zu ahndender Straftaten schuldig erkannt wurde und über ihn zahlreiche Verwaltungsstrafen bis in die letzte Zeit wegen Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften verhängt wurden. Selbst wenn die Taten überwiegend schon länger zurücklägen, lassen ihre Vielzahl und der Leumund eine Beurteilung der Persönlichkeit zu.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn gegen die klar ausgedrückte Absicht des Gesetzgebers entschieden oder gegen Grundprinzipien des Rechts verstoßen, etwa das Kindeswohl gänzlich mißachtet wird (EFSlg 52.757; EFSlg 52.759 uva). Bei einer Ermessensentscheidung kommt dies nur in Betracht, wenn der Ermessensspielraum überschritten oder willkürlich oder rechtsmißbräuchlich vorgegangen wird. Nach § 108 a Abs 1 ABGB muß die Adoption dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dienen. Sie ist nur dann zu bewilligen, wenn diese Voraussetzung gegeben ist. Durch die Adoption muß eine merklich bessere Entwicklung des Kindes zu erwarten sein (EFSlg 48.468 mwH). Durch die Annahme an Kindesstatt muß gewährleistet sein, daß dem Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause verschafft und sein körperliches, geistiges und seelisches Wohl gefördert wird (SZ 59/184 ua). Ob die Adoption dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dient, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Es handelt sich dabei meist um eine Ermessensentscheidung, die einer Überprüfung im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurse nur dann zugänglich ist, wenn Ermessensmißbrauch geübt wurde. Davon kann aber nicht die Rede sein, wenn das Rekursgericht gleich dem Erstgericht wegen des durch die überaus zahlreichen gerichtlich strafbaren Handlungen und Verwaltungsstraftaten gekennzeichneten Lebenswandels des Wahlvaters und des Umfeldes der Wahleltern befürchtete, die künftige sittliche Entwicklung des Wahlkindes sei dort gefährdet. Es wird sich zwar dabei immer um eine gewisse, nicht sicher belegbare Zukunftsprognose handeln, doch wird damit der Spielraum des Ermessens noch nicht überschritten, wenn nicht bloß auf eine möglicherweise gesicherte gute Pflege und Betreuung, sondern auch darauf Bedacht genommen wird, daß eine Gefährdung der sittlichen Erziehung durch den Wahlvater, der sich bis in die letzte Zeit Gesetzesverletzungen schuldig gemacht hat, eintreten könnte. Die geltend gemachten Anfechtungsgründe liegen nicht vor. Mangels eines zulässigen Rechtsmittelgrundes nach dem § 16 Abs 1 AußStrG ist aber der Revisionsrekurs unzulässig.

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