OGH 6Ob613/89

OGH6Ob613/8915.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Erika F***,

  1. 2.) Maria R***, 3.) Dipl.Ing. Günter B***, 4.) Gerald B***,
  2. 5.) Elfriede C***, 6.) Rosa Maria W***-K***-AU, 7.) Marlies B***, und 8.) Dr. Hans-Jörg K***, Pensionist, alle wohnhaft in Wien 7., Neustiftgasse 32, alle vertreten durch Dr. Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Irmentraud B***, Pensionistin, Wien 15., Stiegergasse 15-17/1/13, vertreten durch Dr. Hubert Dostal, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 S) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Februar 1989, GZ 41 R 5/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Oktober 1988, GZ 48 C 469/86d-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 4.321,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 720,30 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Miteigentümer eines innerstädtischen Wohnhauses. Die Hausverwaltung führte bis zu seinem 1948 erfolgten Tod der Vater des achten Klägers, daran anschließend bis 1958 ein gewerblicher Gebäudeverwalter und seit 1958 der achte Kläger als Miteigentümer. Der Ehemann der Beklagten mietete im Jahre 1948 die als Atelier mit der topographischen Nr.16 bezeichneten Räumlichkeiten in dem damals vom Vater des achten Klägers verwalteten Haus zur geschäftlichen Nutzung. Im Zusammenhang mit Aufwendungen des Mieters auf die Mieträumlichkeiten gestattete der Vater des achten Klägers dem Ehemann der Beklagten die Untervermietung der zu Geschäftszwecken gemieteten Räumlichkeiten ohne Vereinbarung eines besonderen Entgeltes für diese Zustimmung. Dabei sprach er keinerlei Einschränkungen aus, weder in Ansehung der Höhe der vom Mieter erzielten Untermietzinse, noch in Ansehung des Umfanges der Untervermietung. Dazu hielt das Prozeßgericht erster Instanz ausdrücklich fest, es habe nicht feststellen können, daß die Berechtigung zur Untervermietung dem Ehemann der Beklagten nur höchst persönlich eingeräumt worden wäre. Ein schriftlicher Mietvertrag oder eine urkundliche Festlegung der ausdrücklichen Gestattung der Untervermietung sind nicht vorhanden. In einem mit 17.März 1948 datierten, an den Ehemann der Beklagten adressierten Schriftstück bestätigte aber der Vater des achten Klägers namens der "Hausinhabung" auf Ersuchen des Mieters, daß er "gegen eine Untervermietung eines Teiles der....Werkstättenlokale....keine Einwendung erhebe". Tatsächlich schloß der Ehemann der Beklagten über einen Teil seiner Mieträume einen Untermietvertrag.

Im Zusammenhang mit der Untervermietung des restlichen Teiles des Mietgegenstandes bestätigte die Gebäudeverwaltung am 20. Februar 1957 dem Mieter schriftlich, "daß die Hausinhabung mit einer weiteren Untervermietung eines Teiles Ihrer Werkstättenlokale...an..." (eine namentlich genannte Wäscheerzeugerin) "...einverstanden ist und gegen die Anbringung einer Firmentafel nichts einwendet".

Der Ehemann der Beklagten starb am 11.November 1964. Die Beklagte trat als testamentarische Alleinerbin einerseits in dessen Hauptmietrechte ein, andererseits schloß sie über einen Teil der Mieträume einen noch von ihrem Ehemann abgesprochenen Untermietvertrag. Die Beklagte stellte sich nach dem Tode ihres Ehemannes gegenüber dem achten Kläger als Witwe und Mieterin vor. Sie beließ sämtliche Mieträume in Unterbestand, schloß im Laufe der Jahre dazu Verträge mit verschiedenen Untermietern, unterrichtete von diesen Vertragsabschlüssen auch in der Regel den achten Kläger, suchte aber niemals um dessen Zustimmung zur Untervermietung an. Der achte Kläger äußerte sich gegenüber der Beklagten bis zum Jahre 1986 niemals in der Richtung, daß die Zustimmung der Vermieter zur Untervermietung auf die Person der Beklagten eingeschränkt wäre. Erstmals im Jahre 1986 vertrat der achte Kläger gegenüber der Beklagten den Standpunkt, daß die Vermieterzustimmung zur Untervermietung der Beklagten nur höchstpersönlich erteilt worden sei. Die Beklagte widersprach durch ihren Rechtsvertreter im Schriftverkehr dieser Ansicht.

Die Kläger begehrten die urteilsmäßige Feststellung, daß ihr Verzicht gegenüber der Beklagten auf die Kündigungsgründe der Nichtbenützung und gänzlichen Untervermietung des näher bezeichneten Mietgegenstandes nur ihr höchstpersönlich eingeräumt worden sei. Hilfsweise stellten sie das Begehren auf Feststellung, daß die Beklagte oder ihre Rechtsnachfolger im Hauptmietrecht an den näher bezeichneten Mieträumen zum jeweiligen Abschluß eines Untermietvertrages über den ganzen Mietgegenstand oder Teile von ihm die Zustimmung der Hauseigentümer benötigten.

Die Kläger stützten ihr Klagebegehren auf die Behauptung, schon dem Ehemann der Beklagten sei als Mieter vermieterseits kein allgemeines, unbeschränktes Recht zur Untervermietung eingeräumt worden, sondern nur eine ihm persönlich zugebilligte Befugnis für den Fall, daß er aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig werden sollte. Der Gatte der Beklagten und in der Folge diese selbst hätten auch in jedem einzelnen Untermietfall die Genehmigung der Vermieter eingeholt und erhalten. Die Vermieter hätten durch den verwaltenden Miteigentümer der Beklagten nach deren Eintritt in die Hauptmietrechte aus menschlichen Gründen ohne weiteres Entgelt dieselben Befugnisse wie dem verstorbenen Ehemann der Beklagten, aber eben auch nur höchstpersönlich, zugestanden.

Die Beklagte bestritt vor allem jedes Feststellungsinteresse an der Klärung einer Rechtslage ihrer möglichen Mietrechtsnachfolger für einen ungewissen künftigen Fall. In tatsächlicher Hinsicht behauptete sie, daß seitens der Vermieter ihrem Ehemann als Mieter die Befugnis zur Untervermietung ohne jede Einschränkung gestattet worden sei und sie kraft Erbganges in die volle Rechtsstellung ihres verstorbenen Ehemannes als des Hauptmieters einschließlich der uneingeschränkten Befugnis zur Untervermietung eingetreten sei. Das Prozeßgericht erster Instanz wies sowohl das Haupt- als auch das Hilfsfeststellungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Prozeßgericht erster Instanz folgerte aus dem von ihm festgestellten Sachverhalt, daß dem Ehemann der Beklagten als Mieter der zu Geschäftszwecken in Bestand genommenen Räumlichkeiten eine Befugnis zur Untervermietung ohne jede Einschränkung zugestanden worden sei und die Hauptmietrechte samt der sich auf die Untervermietung beziehenden Befugnis gemäß § 1116 a ABGB auf die Beklagte übergegangen seien. Eine Beschränkung der Befugnis zur Untervermietung sei in der Folge nicht vereinbart worden. Von der Beklagten würden die Hauptmietrechte, so wie sie von ihrem verstorbenen Ehemann auf sie übergegangen seien, auch auf ihre Erben übergehen können. In Bindung an die im berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß des ersten Rechtsganges ausgesprochene Rechtsansicht bejahte das Prozeßgericht erster Instanz im zweiten Rechtsgang zwar das Vorliegen eines Feststellungsinteresses, erachtete aber weder das Haupt- noch das Hilfsbegehren als berechtigt.

Die Kläger rügten als Berufungswerber unter anderem, daß das Prozeßgericht erster Instanz aus einer von der Beklagten vorgelegten Vertragsurkunde über ein für die Zeit ab 1.Dezember 1964 vereinbartes Untermietverhältnis keine Feststellungen über eine zwischen Mieter und Untermieter vereinbarte Außerkraftsetzung eines gerichtlichen Räumungsvergleiches vom November 1962 getroffen und bei der Beweiswürdigung zur Frage des Inhaltes der über die Befugnisse zur Untervermietung getroffenen Vereinbarungen zwischen Vermieter und Hauptmieter das Schreiben der Hausverwaltung Beilage 2 nicht im Sinne ihrer Argumentation berücksichtigt habe. Die Berufungswerber beantragten zum Nachweis ihrer Ausführungen zum Berufungsgrund der mangelhaften Tatsachenfeststellungen die Beischaffung der Gerichtsakten über den in der Mietvertragsurkunde erwähnten Räumungsvergleich. Das Berufungsgericht erachtete die Vereinbarung zwischen Hauptmieter und Untermieter in einem von diesen - möglicherweise als Anschlußvertrag - geschlossenen Untermietvertrag über die Außerkraftsetzung eines Räumungsvergleiches für das zwischen den Prozeßparteien strittige Hauptmietverhältnis und dessen Abreden als unerheblich und sah von der beantragten Aktenbeischaffung ab.

Das Berufungsgericht befand auch, daß sich aus dem Inhalt der - möglicherweise zur Absicherung gegenüber dem jeweiligen Untermieter oder doch zu dessen Unterrichtung vom Mieter erbetenen - Bestätigungen von März 1948 und Februar 1957 sowie auch aus dem Inhalt des Untermietvertrages vom Januar 1965 keine tragfähigen Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der von der Beklagten abgelegten Parteienaussage ergäben und übernahm die auf diese Aussage gestützten erstrichterlichen Feststellungen als Entscheidungsgrundlage. In rechtlicher Würdigung billigte das Berufungsgericht die auf § 1116 a ABGB gestützte erstrichterliche Beurteilung.

Die Kläger fechten das bestätigende Berufungsurteil aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO mit einem auf Klagsstattgebung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an. Dabei wiederholt sie ihre Ansicht über das Fehlen eines Feststellungsinteresses.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt ebensowenig vor wie die gerügte Aktenwidrigkeit (§ 510 Abs 3 ZPO).

Dazu genügen folgende Hinweise: Die vermißte Aktenbeischaffung wurde in erster Instanz nicht beantragt, Behauptungen über den Räumungsvergleich wurden in erster Instanz nicht aufgestellt. Das Berufungsgericht sah mit Recht keinen Anlaß zu einer Ergänzung der Feststellungen über Tatumstände, die von den Parteien in erster Instanz nicht behauptet worden waren. Es erachtete die von ihm zu überprüfende erstrichterliche Beweiswürdigung aufgrund der Aktenlage als unbedenklich, ohne auf einen in der Berufung beantragten Hilfsbeweis zurückzugreifen, und verneinte aus rechtlichen Erwägungen die Erheblichkeit der zwischen Hauptmieter und Untermieter getroffenen Vereinbarung über die Außerkraftsetzung eines gerichtlichen Räumungsvergleiches. Darin kann keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gelegen sein. Das Berufungsgericht zog mit Rücksicht auf vorliegende andere Beweisergebnisse, insbesondere der Parteienaussage der Beklagten, aus vorgelegten Urkunden nicht die tatsächlichen Schlußfolgerungen, die die Rechtsmittelwerber als geboten erachteten. Damit wird die Rüge der Aktenwidrigkeit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Auch die Rechtsrüge ist nicht stichhältig:

Das Klagebegehren auf Feststellung des bloß höchstpersönlichen Charakters eines der Beklagten als Mieterin zugestandenen Rechtes zur Untervermietung und das Hilfsbegehren auf Feststellung eines beschränkten Inhaltes dieser Untervermietungsbefugnis oder der beschränkenden Modalitäten ihrer Ausübung stützten die Kläger auf ihren Standpunkt, daß die strittig gewordene Befugnis in dem von ihnen behaupteten Sinne abgesprochen worden, allenfalls in diesem Sinne auszulegen sei.

Das Berufungsgericht hat entgegen dem Standpunkt der Beklagten das Interesse der Kläger an einer alsbaldigen Feststellung einer zwischen den Streitteilen strittig gewordenen angeblichen Beschränkung der vertraglich zugestandenen Mieterbefugnis zur Untervermietung mit Recht bejaht, weil bei einem Dauerschuldverhältnis, insbesondere bei einem auf unbestimmte Zeit mit sondergesetzlich beschränkten Auflösungsmöglichkeiten eingegangenen, jederzeit aus Gründen der Beweissicherung, aber auch der Dispositionen wegen anzuerkennen ist, daß der zwischen den Vertragsparteien strittig gewordene Inhalt einer vertraglichen Regelung, und sei es auch für einen fernliegenden und ungewissen Fall, ehestmöglich klargestellt werde.

Nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt haben die Vorinstanzen aber die von den Klägern begehrte Feststellung als sachlich nicht gerechtfertigt erkannt.

Als Revisionswerber versuchen sie nun darzulegen, daß ihnen die Zuhaltung der festgestellten Abrede zum Mietvertrag nicht länger zumutbar sei und sie deshalb von der nach ihrer Ansicht nicht "mieterschutzfähigen" Nebenabrede entbunden sein wollten. Soweit die Kläger ihr Begehren in der Revisionsinstanz erstmals auf eine Rechtsgestaltung gründen (sei es, daß sie von einer im tatsächlichen nicht näher konkretisierten außergerichtlichen Aufkündigung der "Nebenabrede" zum Hauptmietvertrag ausgehen, sei es, daß sie eine Rechtsgestaltung durch Urteilsspruch anstreben), versuchen sie in unzulässiger Weise im Rechtsmittelverfahren einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Klagsgrund einzuführen. Der festgestellte Sachverhalt trägt weder das Haupt- noch das Hilfsbegehren. Das Eventualbegehren mag, wie es das Berufungsgericht formulierte, auf den im Hauptbegehren enthaltenen Verzicht bezogen, lediglich eine Umformung eines Teiles des Hauptbegehrens darstellen, oder nicht. Die von den Revisionswerbern bekämpfte berufungsgerichtliche Wertung ist für die Abweisung des Eventualbegehrens nicht tragend. Entscheidend hiefür sind ausschließlich die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbaren Tatsachenfeststellungen.

Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 46 Abs 2 und 50 ZPO.

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