OGH 7Ob599/89

OGH7Ob599/8915.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** Fußböden und Rohbeton Gesellschaft mbH, Zirl, Florianstraße 1, vertreten durch Dr. Max Dengg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Fritz N***, Bauunternehmer, Telfs, Sagelweg 69, und

2. Ing. Arthur K*** & Co, Bauunternehmung, Innsbruck, Triendlgasse 18 c, beide vertreten durch Dr. Hermann Graus, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 780.173,-- S s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1989, GZ. 1 R 367/88-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. September 1988, GZ. 7 Cg 518/85-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 19.910,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.318,48 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten 780.173 S s.A. mit der Behauptung, sie habe von den Beklagten, die sich zu einer A*** zusammengeschlossen hätten, mit Schlußbrief vom 29. Jänner 1985 Betonarbeiten zum Pauschalpreis von 1,030.000 S aufgetragen erhalten. Im Schlußbrief vom 29. Jänner 1985 sei erstmals festgehalten worden, daß die Vertragsbedingungen der Firma F*** Vertragsgrundlage seien. Diesen Schlußbrief habe die Klägerin irrtümlich unterfertigt. Mit Schreiben vom 12. Februar 1985 habe sie jedoch diesen Vertragsbedingungen widersprochen. Dem hätten die Beklagten offensichtlich zugestimmt, sodaß der Vertrag ohne diese Bedingungen geschlossen worden sei. Ohne Grundlage hätten sich die Beklagten jedoch in der Folge auf den Standpunkt gestellt, es sei zu keinem Vertragsabschluß gekommen. Aus diesem Grunde stehe der Klägerin nach Abzug der Eigenersparnis ein Entgelt von 681.052 S zu, sowie ein Aufwandersatz für Muster von 7.601 S, und an Stehzeit für vier Arbeiter von 91.520 S. Der Gesamtanspruch der Klägerin betrage daher 780.173 S.

Die Beklagten bestritten das Zustandekommen eines Vertrages, weil über das Entgelt keine Einigung erzielt worden sei. Im übrigen sei Bedingung für das Zustandekommen des Vertrages die Herstellung entsprechender Muster gewesen. Da es der Klägerin nicht geglückt sei, solche Muster herzustellen, sei die Bedingung nicht eingetreten. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen und hiebei im wesentlichen folgendes festgestellt:

Für die durchzuführenden Arbeiten wurde ein Einheitspreis von 1,030.000 S vereinbart. Auf dem Deckblatt des in der Klage erwähnten Schlußbriefes ist unter anderem festgehalten, daß die Klägerin den Auftrag annimmt und die "Allgemeinen Vertragsbestimmungen" sowie die "Technischen Vorbemerkungen" des Auftraggebers anerkennt und diese Bestandteil dieses Schlußbriefes sind. Die Allgemeinen Vertragsbestimmungen sowie die Technischen Vorbemerkungen sind gleichlautend mit jenen der Firma N*** Wohnbau bzw. Baufirma N***. Ob diese Vertragsbestimmungen vor Unterfertigung des Schlußbriefes besprochen wurden, kann nicht festgestellt werden. Die Allgemeinen Vertragsbestimmungen der Firma N*** Wohnbaugesellschaft mbH enthalten Regelungen, die die Klägerin nachträglich nicht anerkennen wollte, insbesondere, daß im Pauschalpreis die Umsatzsteuer enthalten sei und daß ein Haftrücklaß sowie ein Skonto gewährt werden müsse. Diese Bedingungen waren der Klägerin jedoch übermittelt worden.

Erst am 12. Februar 1985 schrieb die Klägerin der A***, daß sie die erwähnten Vertragsbedingungen nicht anerkennen könne und daher der Vertrag ohne Berücksichtigung dieser Bedingungen gelte. Auf dieses Schreiben erfolgte seitens der Beklagten keine Reaktion. Intern wurde zwischen ihnen abgesprochen, derzeit nicht zu reagieren und den Vertrag weiterhin aufrecht zu erhalten. Es war zwischen den Beklagten nicht beabsichtigt, eine Änderung des Vertrages vorzunehmen.

Die Erstellung bestimmter Muster sollte eine Bedingung für das Inkrafttreten des Vertrages sein. Solche Muster konnte die Klägerin nicht entsprechend herstellen.

In rechtlicher Hinsicht gingen die Vorinstanzen davon aus, daß nach dem Willen der Beklagten der Vertrag unter Zugrundelegung der mehrfach erwähnten Bedingungen abgeschlossen werden sollte und die Parteien nicht einvernehmlich von diesen Bedingungen abgegangen seien. Insbesondere haben die Beklagten nicht die Absicht gehabt, den Vertrag unter anderen Bedingungen zur Ausführung zu bringen. Es fehle daher an einer Einigung der Parteien über das zu entrichtende Entgelt. Hiezu komme, daß die im Vertrag genannte Bedingung nicht erfüllt worden sei. Die Klägerin könne daher aus dem Vertrag keine Ansprüche ableiten.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Mit der Mängelrüge macht die Klägerin ausschließlich geltend, daß sich das Berufungsgericht mit Rechtsfragen nicht auseinandergesetzt hätte. Abgesehen davon, daß dies nicht richtig ist, übersieht die Klägerin, daß sie in der Berufung ausschließlich den Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung geltend gemacht hat. Es ist zwar richtig, daß die Beurteilung eines Verhaltens im Hinblick auf die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung fällt. In der Berufung wird jedoch zwar sehr eingehend auf den Schlußbrief und die folgende Korrespondenz Bezug genommen, jedoch bemängelt die Klägerin hier nur das Fehlen einer Feststellung dahin, daß die Beklagten die Absicht gehabt hätten, von dem Vertrag im Sinne des Schlußbriefes abzugehen. Die diesbezüglichen Feststellungen hat das Erstgericht nicht bloß auf Grund von Urkunden, sondern auch unter Zugrundelegung von anderen Beweismitteln getroffen. Lediglich die reine Urkundenauslegung ist rechtliche Beurteilung. Werden jedoch zur Auslegung des Urkundeninhaltes über die Absicht der Parteien weitere Beweise herangezogen, so handelt es sich hiebei um einen Akt der Beweiswürdigung (NZ 1969, 90, EvBl. 1968/231 ua.). Der Schluß von bestimmten Tatsachen auf die Parteienabsicht fällt grundsätzlich in das Gebiet der Tatsachenfeststellung (ZVR 1968/103 ua.). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hatten die Beklagten die Absicht, den Vertrag ausschließlich so abzuschließen, wie sich dies aus dem Schlußbrief ergibt. Eine Änderung dieser Absicht ist auf ihrer Seite auch nach Erhalt des Ablehnungsschreibens der Klägerin nicht eingetreten. Die Beklagten hatten nie die Absicht, den Vertrag unter Zugrundelegung anderer Bedingungen zu akzeptieren. Nur diese Feststellungen hat die Berufung bekämpft. Diese enthält nicht etwa Ausführungen in der Richtung, daß das Verhalten der Beklagten nach Erhalt des Schreibens vom 12. Februar 1985, ungeachtet des Vertragswillens der Beklagten, von der Klägerin nicht anders hätte verstanden werden können, als eine schlüssige Zustimmung zu einer Änderung des Vertrages. Vielmehr geht sie in der gesamten Berufung nur von einem geänderten Vertragswillen der Beklagten aus. Diese Frage ist aber eine Tatfrage, die von den Vorinstanzen abschließend entgegen dem Bestreben der Klägerin gelöst worden ist. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann hier den Vorinstanzen nicht entgegentreten.

Ferner enthält die Berufung umfangreiche Ausführungen zu dem Parteiwillen betreffend die Lieferung eines Musters als Bedingung für das Inkrafttreten des Vertrages. Auch hier haben die Vorinstanzen ihre Feststellungen nicht bloß auf Urkunden, sondern auch auf Aussagen gestützt. Demnach beinhaltete auch dieser Teil der Berufung ausschließlich eine Tatsachenrüge.

Das Berufungsgericht hat also zutreffend ausgeführt, daß mit der Berufung eine Rechtsrüge nicht erhoben worden ist. Abgesehen davon, daß im Hinblick auf die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes eine bloße Bemerkung in dem erwähnten Sinn keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründen würde, ist die Mängelrüge schon deshalb inhaltlich nicht berechtigt, weil die Ausführungen des Berufungsgerichtes über das Fehlen einer Rechtsrüge in der Berufung dem Inhalt dieses Schriftsatzes entsprechen.

Auf die in der Revision erhobene Rechtsrüge war nicht einzugehen, weil eine in der Berufung unterlassene Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung in der Revision nicht mehr nachgeholt werden kann (JBl. 1959, 458, EvBl. 1959/283, EvBl. 1954/345 ua.). Abgesehen davon, daß auch in der Revision zum überwiegenden Teil nur Tatsachenfeststellungen bekämpft werden, wäre also der Oberste Gerichtshof auch nicht berechtigt, auf nunmehr erstmals aufgeworfene Rechtsfragen, etwa in Richtung eines konkludenten Vertragsabschlusses oder einer stillschweigenden Vertragsänderung, einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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