OGH 9ObA170/89

OGH9ObA170/8914.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Nicole P***, Angestellte, Rinn, Rinnerstraße 27 a, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*** F***, vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl und Dr. Harald Burmann, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 169.319,97 brutto sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. März 1989, GZ 5 Ra 28/89-20, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. November 1988, GZ 43 Cga 196/88-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.410,60 (darin S 1.235,10 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens III. Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin, die französische Staatsangehörige ist, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit 25. September 1985 in Aldrans. Sie war mit Unterbrechungen vom 15. Juni 1986 bis 30. November 1987 im Generalkonsulat der Beklagten in Innsbruck beschäftigt. Sie hatte zunächst Akten und Schriftstücke zu archivieren und war zuletzt als Leiterin der Visa-Abteilung tätig.

Mit der Behauptung, die Beklagte habe ihre Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag nicht erfüllt, begehrt die Klägerin insgesamt S 169.319,97 brutto sA an Entgelt für Überstunden und Mehrarbeit sowie an Urlaubsentschädigung.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und behielt sich Einwendungen zur Sache vor. Die beklagte Partei sei weder nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen noch nach dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität der inländischen Jurisdiktion unterworfen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Fehlens der Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit zurück. Es stellte fest, daß das Außenministerium der Beklagten der Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 1987 bestätigt habe, daß die für den Bedarf der Visa-Abteilung des französischen Generalkonsulats eingestellten Personen als Arbeitnehmer der am Ort geltenden Gesetzgebung unterliegen. Hingegen konnte das Erstgericht nicht feststellen, daß die Beklagte in bezug auf diesen Rechtsstreit die Erklärung abgegeben habe, auf eine allenfalls bestehende Immunität von der Gerichtsbarkeit der R*** Ö*** zu verzichten. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß zwar ein zwischen einem Staat und einer natürlichen Person geschlossener Arbeitsvertrag im Sinne des Art. 5 Abs 1 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität, BGBl. 1976/432 (kurz Europäisches Übereinkommen), vorliege, wobei die Arbeit im Gerichtsstaat geleistet worden sei, doch unterliege die Klägerin der Ausnahmebestimmung des Art. 5 Abs 2 lit a des Übereinkommens, da sie im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Staatsbürgerschaft ihrer Arbeitgeberin gehabt habe. Demnach könne die Beklagte Immunität von der inländischen Gerichtsbarkeit beanspruchen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit abwies. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Voraussetzungen für eine allfällige Beanspruchung der Immunität im Sinne der Art. 5 und 7 des Europäischen Übereinkommens zwar vorlägen, daß sich die Beklagte aber durch das Schreiben ihres Außenministeriums der inländischen Gerichtsbarkeit im Sinne des Art. 2 des Übereinkommens unterworfen habe. Für die Aufgabe der Immunität sei zwar erforderlich, daß sich der andere Vertragsstaat durch ausdrückliche Bestimmung in einem schriftlichen Vertrag verpflichtet habe, sich der Gerichtsbarkeit dieses Gerichts zu unterwerfen, doch umfasse der Begriff der "Gesetzgebung" naturgemäß nicht nur die auf ein Arbeitsverhältnis anzuwendenden materiell-rechtlichen Normen, sondern auch die für die Durchsetzung daraus entstehender Ansprüche anzuwendenden Bestimmungen des Prozeßrechts. Die Beklagte könne daher schon auf Grund ihrer Unterwerfungserklärung keine Immunität in Anspruch nehmen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Wie das Erstgericht zutreffend erkannte, sind die Art. 43 und 45 des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen, BGBl. 1969/318, schon deshalb nicht anzuwenden, da als Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht der Generalkonsul der Beklagten oder Bedienstete des Generalkonsulats belangt werden, sondern die Beklagte als Entsendestaat selbst (vgl. Loewe-Duchek-Reishofer-Schütz-Wiesbauer, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen, 224; Jabloner-Fugger, Die Immunität konsularischer Funktionäre in der Wiener Konvention 1963, NJW 1964, 712 f; EvBl 1977/220). Hinsichtlich der Immunität von Staaten gibt es das von den Vorinstanzen herangezogene Europäische Übereinkommen vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität, BGBl. 1976/432. Dieses Übereinkommen kann jedoch nur angewendet werden, wenn sowohl der Staat, um dessen Immunität der Gerichtsunterworfenheit es sich handelt (der beklagt wird), als auch der Gerichtsstaat dem Übereinkommen angehören (Loewe aaO 284). Da die Beklagte kein solcher Vertragsstaat ist, können die vom Berufungsgericht und beiden Parteien angestellten Erwägungen, ob das Schreiben des Außenministeriums der Beklagten vom 28. Oktober 1987 eine Unterwerfungserklärung im Sinne des Art. 2 des Übereinkommens ist, dahingestellt bleiben.

Im vorliegenden Fall hat es daher bei der Anwendung der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts (Art. 9 B-VG), des Art. IX EGJN und der von Judikatur und Lehre hiezu herausgearbeiteten Grundsätze zu bleiben (Loewe aaO). Demnach sind ausländische Staaten nur in Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen (SpR 28 = SZ 23/143; Fasching ZPR Rz 59). Handelt hingegen ein ausländischer Staat etwa bei Abschluß eines Arbeitsvertrages über im Inland zu leistende Arbeiten als Privatrechtsträger, kann er auch im Inland aus diesem Arbeitsverhältnis belangt werden, wobei nicht auf den Zweck der Arbeiten, sondern auf die Erbringung der Arbeitsleistungen an sich abzustellen ist. Hinsichtlich der acta iure gestionis besteht für ausländische Staaten keine Exemtion (vgl. K.Herndl, Zur Frage der Staatenimmunität, JBl 1962, 15 ff mwH; Fasching, Kommentar I 21 f; derselbe ZPR aaO; JBl 1962, 43; JBl 1988, 459 mit Besprechung von Böhm). Soweit die Klägerin sohin bei dem für sie örtlich zuständigen Gericht (§ 4 Abs 1 Z 1 ASGG) Entgeltansprüche einklagt, ist für dieses Verfahren die inländische Gerichtsbarkeit gegeben (vgl. Kuderna, ASGG § 4 Erl.1).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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