Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen die mit 2.357,85 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 214,35 S Umsatzsteuer) und die mit 4.329,75 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 15.August 1987 um ca 21 Uhr lief der am 25.November 1976 geborene Kläger in eine vor der Parkkoje des Beklagten gespannte stahlarmierte Wäscheleine und wurde dadurch verletzt. Er begehrt ein Schmerzengeld und den Ersatz sonstiger Schäden in der Höhe von zusammen 26.949 S, weil der Beklagte die Leine widerrechtlich angebracht und damit in der Dunkelheit eine Gefahrenquelle geschaffen habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe mit dem Seil zulässigerweise seine Parkbox gegen unbefugten Zutritt und, um sein Auto zu schützen, abgesichert. Dem Kläger sei das Vorhandensein des Seils bekannt gewesen, und es sei zur Unfallszeit nicht dunkel und die Unfallstelle von einer Laterne ausgeleuchtet gewesen. Das Alleinverschulden liege beim Kläger. Den Beklagten treffe kein Verschulden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf folgende Tatsachenfeststellungen:
Zur strittigen Wohnanlage, in der am Unfalltag beide Streitteile wohnten, führt von der Straße her ein Stiegenaufgang und daran anschließend ein mit Betonplatten ausgelegter Gehweg, der in einem Knick um einen überdachten Parkplatz herumführt, an dem dem Beklagten in Verbindung mit seinem Wohnungseigentum das alleinige Benützungsrecht zusteht. Wenn man vom Stiegenaufgang durch die Parkkoje des Beklagten durchgeht, kann man den erwähnten Knick geringfügig "begradigen" und einen kleinen Abkürzungseffekt erzielen. Der Beklagte wohnt schon seit 1977 in dieser Wohnanlage und hat immer wieder beobachtet, daß Leute in dieser Weise durch seinen Parkplatz durchgehen und Kinder auch mit Fahrrädern durchfahren. Um dies in Zukunft zu verhindern, spannte er seit dem Jahr 1980/1981 ein Seil vor seinen Parkplatz, das er etwa in Hüfthöhe und stark durchhängend anbrachte, letzteres um durchgehende Personen nicht zu gefährden.
Dem Kläger (der mit seinem Vater laut dessen Aussage etwa vierzehn Tage vor dem Unfall in die strittige Wohnhausanlage eingezogen ist) war dieses Seil schon vor dem Unfall einmal aufgefallen, als er mit seinem Fahrrad durchfahren wollte. Am Unfallstag erhielt er von seinem Vater den Auftrag, bei einem Zigarettenautomaten Zigaretten zu holen, und wollte beim Heimweg durch die Parkkoje des Beklagten durchlaufen, stieß gegen das Seil und blieb im Halsbereich hängen.
Am Ende des Stiegenaufganges befindet sich in etwa 3 m Höhe ein Beleuchtungskörper.
Auf Grund dieses Sachverhaltes verneinte das Erstgericht ein Verschulden des Beklagten. Die von diesem abgesperrte Fläche sei eine Anlage, die dem Beklagten allein zur Verfügung gestanden und nicht dem allgemeinen Verkehr gewidmet gewesen sei. Es habe den Beklagten daher keine Verkehrssicherungspflicht getroffen. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und vertrat folgende Rechtsansicht:
Wenn auch grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Personen bestehe, die widerrechtlich in einen fremden Bereich eindringen, so müsse in einer Wohnanlage der vorliegenden Art doch mit Personen gerechnet werden, die versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen, oder mit Kindern, denen die nötige Einsicht fehle. Bei Dunkelheit müsse daher eine entsprechende Sicherung (Beleuchtung) vorhanden sein. Für den Fall, daß in der Koje kein Fahrzeug gestanden sei, habe immer wieder mit einem durchlaufenden oder mit dem Fahrrad durchfahrenden Kind gerechnet werden müssen, das in der Dunkelheit das Hindernis zu spät bemerke. Der Umstand, daß der Kläger das Seil schon vorher einmal bemerkt habe, sei wegen der fehlenden Einsichtsfähigkeit eines Kindes nicht entscheidend. Die Sache sei noch nicht spruchreif, weil vor allem die Beleuchtungsverhältnisse nicht geprüft worden seien. Für den Fall einer Haftung (Mithaftung) des Beklagten seien auch Feststellungen zur Höhe der Klagsforderung erforderlich.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt, weil die Sache im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils spruchreif ist. Ein Verstoß der beklagten Partei gegen die Bestimmungen der Steiermärkischen Garagenordnung 1979, LGBl Stmk 1979/27, ist nicht erkennbar. Gemäß § 5 Abs 1 dieses Landesgesetzes müßten zwar Abstellflächen, Garagen und Nebenanlagen so angeordnet, ausgeführt und betrieben werden, daß keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft zu erwarten ist. Durch die Absperrung des Abstellplatzes mit einem Seil wurde aber keine solche Gefährdung bewirkt. Das aufgerichtete Hindernis ist nicht gefährlicher als jede sonstige ortsübliche Umzäunung einer Grund- oder Abstellfläche. Gemäß § 23 des angeführten Landesgesetzes dürfen die Zu- und Abfahrten, Fahrgassen sowie die Fluchtwege nicht verstellt sein und sie müssen bei Dunkelheit während des Betriebes beleuchtet werden. Der vorliegende Unfall geschah jedoch nicht im Bereich einer solchen Zu- und Abfahrt, sondern an einer Seite des Abstellplatzes, wo niemand Fremder vom oder zum Abstellplatz zu fahren oder zu gehen hatte.
Die beklagte Partei hat aber auch nicht gegen das sog. Ingerenzprinzip verstoßen oder eine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Wie schon oben gesagt wurde, stellt ein locker durchhängendes Seil keine besondere Gefahrenquelle dar; denn wer bei Dunkelheit in der Gegend herumläuft, kann sich bei jedem Hauseck, Zaun oder Baum in ähnlicher Weise verletzen, wie es dem Kläger beim strittigen Absperrseil widerfuhr. Die beklagte Partei hat an der strittigen Stelle auch keinen Verkehr für Menschen eröffnet oder einen solchen auch nur geduldet, sondern durch die Absperrung geradezu einen solchen Verkehr, wenn er auf die übliche Weise stattfindet, unterbunden. Die beklagte Partei war daher nicht zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürfen nicht überspannt werden, sie sind vielmehr auf ein zumutbares Maß zu beschränken (MietSlg 35.254 ua). Es ist zwar richtig, daß strengere Maßstäbe am Platze sind, wenn mit der Benützung einer bestimmten Fläche durch spielende Kinder zu rechnen ist. Nach Eintritt der Dunkelheit muß aber nicht mehr damit gerechnet werden, daß spielende Kinder in einem ihnen unbekannten Raum herumlaufen. Es wäre nur mit solchen Kindern vielleicht zu rechnen, die die Örtlichkeit kennen, wofür auch der Umstand spricht, daß das Seil schon jahrelang an dieser Stelle vorhanden war. Es muß daher nicht erhoben werden, wie hell die am Ende des Stiegenaufganges befindliche Lampe leuchtete. Es genügt, daß durch einen vorhandenen Beleuchtungskörper die Orientierung um das beschriebene Hauseck herum in offenbar üblicher Weise ermöglicht wurde. Das Gegenteil hätte der Kläger behaupten und beweisen müssen. Die beklagte Partei mußte also nicht damit rechnen, daß jemand nicht den beleuchteten Weg wählt.
In Anlehnung an vergleichbare Fälle (JBl 1977, 371: ein 25 cm hoch über dem Erdboden gespanntes Absperrseil; MietSlg 33.224:
Türsteher zur Fixierung eines Türflügels) scheidet daher auch im vorliegenden Falle eine Haftung des Beklagten aus.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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