OGH 3Ob517/89

OGH3Ob517/8924.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.- Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 17.Oktober 1984 verstorbenen Horst Adolf M***, wohnhaft gewesen in Arriach, Oberwöllan 14, vertreten durch Dr.Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helmut L***, Kfz-Mechaniker, Arriach, Unterwöllan 1, vertreten durch Dr.Werner Mosing, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wegen Abgabe einer Willenserklärung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15.November 1988, GZ 5 R 203/88-53, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22.August 1988, GZ 26 Cg 271/85-47, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Horst Adolf M*** (seine Verlassenschaft ist die nun klagende Partei) kaufte im Jahre 1975 von Dr.Ernst R*** ein Grundstück, dessen Fläche mit etwa 1200 m2 angenommen wurde, um den Kaufpreis von 50 S pro Quadratmeter und leistete eine Anzahlung von 50.000 S. Es kam nie zur grundbücherlichen Durchführung dieses Kaufvertrages. Im Jahr 1982 wollte Horst Adolf M*** das Grundstück an den Vater des Beklagten um 60.000 S bis 70.000 S weiterverkaufen, ohne daß es zu einer Einigung kam.

Im Jahr 1984 trat Horst Adolf M*** neuerlich an den Vater des Beklagten wegen eines Verkaufes heran, und dieser bot jetzt einen Preis von 50.000 S. Am 24.Februar 1984 erfolgten die ersten Gespräche beim Rechtsfreund des Vaters des Beklagten, Dr.Wolfgang F***, der dann auch Gespräche mit Dr.Ernst R*** aufnahm. Am 19. April 1984 übermittelte Dr.Wolfgang F*** Horst Adolf M*** eine Vereinbarung, wonach der Kaufvertrag aus dem Jahre 1975 aufgehoben werde und Horst Adolf M*** zustimme, daß das Grundstück vom Vater des Beklagten zum ursprünglich vereinbarten Kaufpreis gekauft werde und er ihm die Anzahlung von 50.000 S ohne Wertsicherung und Verzinsung zurückzahle. Horst Adolf M*** übermittelte diese Vereinbarung nach Unterfertigung bis zum 27.April 1984 wieder an Dr.Wolfgang F***.

Tatsächlich kaufte dann aber nicht der Vater des Beklagten, sondern der Beklagte das strittige Grundstück.

Die klagende Verlassenschaft nach Horst Adolf M*** macht geltend, daß dieser im Jahr 1984 wegen Alkoholismus geschäftsunfähig gewesen sei. Der Beklagte habe in Kenntnis des nichtigen Aufhebungsvertrages die Liegenschaft an sich gebracht und müsse daher Schadenersatz in Form des Naturalersatzes leisten. Die klagende Partei begehrt die Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes zu ihren Gunsten.

Die beklagte Partei bestritt die Geschäftsunfähigkeit des Horst Adolf M*** für den kritischen Zeitraum und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Zur Frage der Geschäftsfähigkeit traf es im wesentlichen

folgende Tatsachenfeststellungen:

Horst Adolf M*** war Alkoholiker. Im Jahr 1982 verlor er seinen Arbeitsplatz. In der Folge war er seiner Frau, die eine Jausenstation betrieb und für die Einhebung Maut einer Wegegenossenschaft zuständig war, behilflich, ohne daß es bei der Abrechnung zu Unregelmäßigkeiten gekommen wäre. Vom 5.Juni bis 1. Juli 1983 war er wegen seines Alkoholismus in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt. Es bestand bei der Aufnahme ein präderilanter Zustand und eine alkoholische Polyneuropathie. Nach einer somatischen Therapie wurde er jedoch in einem zurechnungsfähigen Zustand entlassen. Bei einer Untersuchung am 11.Juli 1983 wurden im Bereich der Hirnnerven keine Ausfälle festgestellt. Bei einer Untersuchung am 20.Februar 1984 im Rahmen eines Verfahrens vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung zeigte sich, daß die Merkfähigkeit hochgradig herabgesetzt war und neben dem schon zuvor diagnostizierten chronischen schweren Alkoholismus und der leichten allgemeinen Polyneuropathie eine mittelgradige allgemeine Demenz und Depravation der Gesamtpersönlichkeit vorlagen. Der Zustand wurde jedoch als besserungs- und behandlungsfähig beurteilt. Am 8.August 1984 wurde Horst Adolf M*** ins Landeskrankenhaus Villach aufgenommen, er bot jetzt das Bild der Geschäftsunfähigkeit auf der Basis eines Korsakoff-Syndroms.

Ob Horst Adolf M*** zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Ende April 1984 geschäftsfähig war, konnte nicht festgestellt werden. Den Ausführungen des Erstgerichtes zur Beweiswürdigung kann dazu entnommen werden, daß es den bei der Untersuchung am 20.Februar 1984 erhobenen Befund des Sachverständigen nicht als hinreichend verläßlich beurteilte.

Auf Grund dieser Tatsachenfeststellungen ging das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß die klagende Partei den Beweis der Geschäftsunfähigkeit nicht erbracht habe, sodaß der strittige Aufhebungsvertrag rechtswirksam sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß wegen der hervorgekommenen Indizien für eine Geschäftsunfähigkeit mehrere Beweisanträge der klagenden Partei nicht hätten abgelehnt werden dürfen.

Es müßten daher die Frau des verstorbenen Horst Adolf M***, sein Sohn Manfred M***, der behandelnde Oberarzt Dr.G***, der Primarius Dr.Otto S***, der Arzt Dr.N.M*** und ein Internist aus der Fachrichtung der Laborbefunde vernommen werden. Erst diese Erweiterung der Entscheidungsgrundlagen erlaube einen gesicherten rechtlichen Schluß auf die Geschäftsfähigkeit.

Sollte sich im neuen Rechtsgang die Geschäftsunfähigkeit herausstellen, müßten auch die näheren Umstände untersucht werden, die für ein Zusammenspiel des Beklagten mit Dr.Ernst R***, aber auch für ein schon durch Besitz verstärktes Forderungsrecht des Horst Adolf M*** sprächen, damit nach den Grundsätzen über den sogenannten Doppelverkauf beurteilt werden könne, ob eine Schadenersatzpflicht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht zulässig. Soweit die beklagte Partei der Auffassung des Berufungsgerichtes widerspricht, die Tatsachengrundlage müsse verbreitert werden, um den Geisteszustand des Horst Adolf M*** im kritischen Zeitpunkt beurteilen zu können, muß darauf hingewiesen werden, daß der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist und daher den Ergänzungsaufträgen des Berufungsgerichtes nicht entgegentreten kann. Wenn die beklagte Partei argumentiert, daß die klagende Partei im Berufungsverfahren die Beweiswürdigung nicht bekämpft habe, sondern nur eine Mängelrüge erhoben habe, so ist dem entgegenzuhalten, daß der Kern der Mängelrüge gerade darin bestand, daß dem im erstgerichtlichen Verfahren vernommenen Sachverständigen deshalb nicht voller Glaube geschenkt werden dürfe, weil zahlreiche Indizien für die Geschäftsunfähigkeit sprächen und durch die zusätzlich beantragten Beweismittel weitere Daten über das genaue Maß und die Art des Persönlichkeitsabbaues zu gewinnen gewesen wären. Wenn daher das Berufungsgericht die Beweisanträge als erheblich wertete, lag dies im Rahmen des geltend gemachten Berufungsgrundes. Bestehen Bedenken gegen den Beweiswert eines Sachverständigengutachtens, können ergänzende Beweisaufnahmen auch dann stattfinden, wenn das Gutachten frei von Widersprüchen oder sonstigen Verstößen gegen die Denkgesetze ist.

Es trifft nicht zu, daß die klagende Partei keine Beweise für die Schlechtgläubigkeit des Beklagten angeboten hat. In den drei letzten Absätzen der Klagserzählung wurde ein entsprechendes Vorbringen erstattet und Beweise angeboten.

Gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes wird im Rekurs im übrigen nichts vorgebracht.

Die beklagte Partei machte damit insgesamt keine einzige Rechtsfrage des Verfahrensrechtes oder des materiellen Rechtes geltend, der erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukäme, und ihr Rekurs ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt und somit unzulässig.

Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen hat, hat sie gemäß den §§ 40, 41 und 50 ZPO die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

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