Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.049,58 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.174,93 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Grundstücke 5868/1 und 5868/2 je KG Obsteig im Ortsteil Holzleiten. Auf dem östlichen Teil der von den beiden Grundstücken gebildeten einheitlichen Fläche steht - als Altbestand - das Haus "Ferienland". Das Grundstück 5868/1 bildet den westlichen Teil dieser Grundfläche. Südlich davon liegt das Grundstück 406, dessen Hälfteeigentümerin die Klägerin ist. Auf diesem Grundstück ist ein Wochenendhaus errichtet. Nördlich des Grundstückes der Klägerin verläuft eine asphaltierte Gemeindestraße, westlich davon ein Gemeindeweg, der entlang des Grundstückes 406 weiterführt. Westlich dieses Gemeindeweges steht das Wohnhaus der Eheleute Norbert und Dorothea W***.
1982 begannen die Beklagten auf dem mittleren und westlichen Teil ihrer Grundfläche mit der Errichtung eines Erweiterungsbaues zum Haus "Ferienland", der mit jenem mit einem Zwischentrakt verbunden wurde. Der Erweiterungsbau steht auf beiden Grundstücken der Beklagten. Am 3.6.1982 legte die Bauunternehmung G*** in Obsteig die Planunterlagen für das Baubewilligungsverfahren vor. Diese umfaßten eine Aufstellung der Nutzflächen in den einzelnen Geschoßen, einen Übersichtsplan im Maßstab 1 : 1000, einen Lageplan 1 : 200, Grundrißpläne für das Kellergeschoß und die übrigen Geschoße, einen Schnittplan, in dem zwar vergleichsweise auch der Altbestand eingezeichnet ist, nicht aber auch das Urgelände, und weiters Pläne über die West-, Süd-, Ost- und Nordansicht gleichfalls jeweils ohne Urgelände. Das geplante Gebäude sollte etwas schräg zur geradlinigen Grenze mit dem Grundstück der Klägerin zu stehen kommen. Laut Lageplan wies die südöstliche Ecke des Gebäudes einen Abstand von 13,8 m, die südwestliche Ecke hingegen einen solchen von 7,3 m von der Grenze zum Grundstück der Klägerin auf. Im Westen daran anschließend und somit zum Grundstück der Klägerin hin war eine Garage vorgesehen, deren südwestliche Ecke nach der Planung 2,5 m vom Grundstück der Klägerin entfernt sein sollte. Am 3.6.1982 überreichten die Beklagten bei der Gemeinde Obsteig das Gesuch um Erteilung der Baubewilligung, dem diese Planunterlagen angeschlossen waren. Bei der kommissionellen Bauverhandlung sprach sich die Klägerin gegen die beantragte Baubewilligung aus. Mit Bescheid vom 18.8.1982 bewilligte der Bürgermeister der Gemeinde Obsteig das Bauvorhaben nach Maßgabe der angeschlossenen Planunterlagen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Berufung. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Obsteig vom 14.9.1982 wurde der Berufung nicht Folge gegeben. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Vorstellung an die Tiroler Landesregierung.
Am 31.8.1982 begannen die Beklagten mit den Bauarbeiten. Am 1.9.1982 brachten die Klägerin und ihr Ehegatte gegen die Beklagten beim Bezirksgericht Silz zu C 506/82 eine Bauverbotsklage ein. Das Gericht holte zur Frage der Veränderung des Geländeniveaus und der Zulässigkeit der Bauhöhe ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. Theodor Erich F*** ein, der zum Schluß gelangte, daß die Grenzabstände bei Bedachtnahme auf die Gebäudehöhe nicht eingehalten würden. Darauf gab das Bezirksgericht Silz dem Klagebegehren mit Endbeschluß vom 14.10.1982 statt, verbot die auf den Grundstücken 5868/1 und 5868/2 der KG Obsteig begonnene Bauführung und verurteilte die Beklagten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes binnen vier Wochen. Der von den Beklagten gegen den Endbeschluß erhobene Rekurs blieb erfolglos.
Bereits am 22.10.1982 suchten die Beklagten bei der Gemeinde Obsteig aufgrund neuer Einreichpläne der Bauunternehmung G*** neuerlich um die Baubewilligung an. Am 4.11.1982 wurde die Bauverhandlung abgeführt, der die neuen Einreichpläne zugrunde gelegt wurden. Die Klägerin und ihr Ehegatte erhoben bei der Bauverhandlung Einwendungen und kündigten die Vollstreckung des von ihnen erwirkten Endbeschlusses an. Darauf kam es zwischen den Beklagten einerseits sowie der Klägerin, ihrem Ehegatten und den Eheleuten Norbert und Dorothea W*** andererseits zu Vergleichsgesprächen, als deren Ergebnis das Bezirksgericht Silz am 30.12.1982 zu C 797/82 einen (prätorischen) Vergleich protokollierte, in dem unter anderem festgehalten wurde:
"Die beklagten Parteien verpflichten sich zur ungeteilten Hand, bei der Bauführung auf den Grundparzellen 5868/1 und 5868/2 der KG Obsteig die Einreichpläne des Baumeisters G***, die dem Bauansuchen vom 22.10.1982, AZ 5/82 der Gemeinde Obsteig, zugrundeliegen und Gegenstand der Bauverhandlung vom 4.11.1982 waren, mit folgenden Abänderungen einzuhalten:
.......
E/ Die Beklagten verzichten auf Dauer für sich und ihre Rechtsnachfolger auf eine weitere Verbauung der Grundparzelle 5868/1 (insbesondere auf eine Vergrößerung des Bauvolumens), soweit diese Verbauung über den Einreichplan, der dem Bauansuchen vom 22.10.1982 zugrundeliegt, samt oben genannten Einschränkungen hinausgeht und für die Dauer von 20 (zwanzig) Jahren auf einen überirdischen Zusammenbau des bestehenden Hauses "Ferienland" mit dem nunmehrigen Neubau."
Desweiteren verzichteten die Klägerin und ihr Ehegatte in diesem Vergleich auf die Vollstreckung des Endbeschlusses vom 14.10.1982 und erklärten ebenso wie die Eheleute Norbert und Dorothea W***, gegen den das Bauansuchen vom 22.10.1982 erledigenden Bescheid kein Rechtsmittel zu erheben.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Beseitigung des wie folgt umschriebenen Teiles des auf den Grundstücken 5868/1 und 5868/2 KG Obsteig befindlichen Gebäudes binnen vier Wochen:
"An der südlichen Ecke der westlichen Außenwand wird im Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut lotrecht 14 cm nach unten gemessen. Vom südlichen Giebel wird eine Länge von 85 cm lotrecht herunter gemessen. Vom Schnittpunkt der südlichen Ecke der östlichen äußeren Wandfläche mit der Dachhaut wird lotrecht 124 cm nach unten gemessen. Von dem oben beschriebenen Punkt 85 cm unter dem First an der Südseite werden Verbindungslinien sowohl zum oben dargestellten Punkt an der westlichen Außenwand (14 cm unter dem Schnittpunkt zwischen Dachhaut und äußerer Wandfläche) und zum oben dargestellten Punkt an der östlichen Außenwand (124 cm unter dem Schnittpunkt zwischen Dachhaut und äußerer Wandfläche) gebildet. Der zu beseitigende Teil wird im Querschnitt somit von diesen Linien sowie dem Dach umschrieben, wie dies in dem, einen integrierenden Bestandteil dieses Klagebegehrens bildenden Gutachten des ständig gerichtlich beeideten Bausachverständigen, Baumeister Ing. Herbert P***, vom 21.11.1986 zu Geschäftszahl 6 Cg 273/85 des Landesgerichtes Innsbruck als integrierender Bestandteil befindlicher Plan mit der Bezeichnung "Hotel Lärchenhof, Obsteig - Holzleiten, erhöhte Dachausführung gegenüber Einreichplan Baumeister G*** 4.11.1982" dargestellt ist, welcher Plan beiliegt."
Hiezu brachte die Klägerin vor, entgegen der im Vergleich übernommenen Verpflichtung, die sich auf beide Grundstücke der Beklagten bezogen habe, hätten die Beklagten das geplante Bauvolumen vergrößert. So sei die Raumverteilung geändert und anstelle eines Hotels ein Appartementhaus ausgeführt worden. Ferner seien der Dachfirst um 85 cm sowie die östliche Außenwand um 124 cm und die westliche um 15 cm höher als im Plan vorgesehen, wodurch es auch zu einer Vergrößerung der Baumassen im Dachgeschoß gekommen sei. Auf die Einhaltung der von den Beklagten im Vergleich übernommenen Verpflichtung habe die Klägerin niemals verzichtet. Sie habe vielmehr immer auf Erfüllung des Vergleiches bestanden. Die Abweichungen seien nicht als geringfügig anzusehen, sodaß auch von keiner schikanösen Rechtsausübung gesprochen werden könne. Die Beklagten wendeten insbesondere ein, Punkt E/ des Vergleiches habe sich nicht auf das Grundstück 5868/2 bezogen. Die behauptete Änderung der Raumverteilung und die Ausführung der beiden Häuser als Appartementhäuser würden bestritten. Das Haus werde nach wie vor als Hotel genützt. Gegen die Bauausführung aufgrund der Baubewilligung habe die Klägerin keine Bauverbotsklage und gegen den Bewilligungsbescheid keine Einwendungen erhoben, sondern sich am 18.11.1984 ausdrücklich mit der Bauausführung einverstanden erklärt. Der geltend gemachte Beseitigungsanspruch sei verjährt. Der Klägerin mangle die Aktivlegitimation, weil ihre Klagsführung vom Miteigentümer zumindest hätte genehmigt werden müssen. Auch sei ihr Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen, weil die Bauausführung mit keinerlei Nachteil für den Besitz der Klägerin verbunden sei. Ihr Eigentumsrecht sei nicht gefährdet, die notwendigen Abstände seien eingehalten. Sämtliche Bauvorschriften seien beachtet worden. Die Klage ziele daher nur auf die Schädigung der Beklagten ab. Der Abbruch eines Teiles des Hauses in Entsprechung der Klagsstattgebung bedeute den wirtschaftlichen Ruin der Beklagten. Das Begehren richte sich auch gegen volkswirtschaftliche und öffentliche Interessen des Fremdenverkehrs. Die Abweichungen vom Bauplan seien geringfügig und fielen rein optisch gar nicht auf. Beim Vergleich vom 30.12.1982 seien die Beklagten einem Irrtum unterlegen. Grundlage sei das Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. Theodor Erich F*** gewesen, das laut Mitteilung der Ingenieurkammer vom 21.3.1983 unrichtig sei. Der Sachverständige habe die Grenzabstände und damit die zulässige Höhe des Bauwerkes unrichtig berechnet. Allein deshalb hätten die Beklagten den neuen Bauplan eingereicht. In Kenntnis der wahren Sachlage hätten sie den Vergleich nie abgeschlossen. Auf die einredeweise Irrtumsanfechtung der Beklagten replizierte die Klägerin, Gegenstand des Vergleichs sei nicht das Gutachten des Dipl.Ing. Theodor Erich F*** gewesen, sondern das Bemühen der Beklagten, die Vollstreckung des Endbeschlusses im Bauverbotsverfahren zu vermeiden. Der behauptete Irrtum sei überdies unbeachtlich, weil keine der im § 871 ABGB vorgesehenen Voraussetzungen zutreffe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:
Gegenüber dem Vergleich vom 30.12.1982 verbauten die Beklagten die Grundstücke 5868/1 und 5868/2 im weiteren Umfang, indem sie das Dachgeschoß vergrößerten. Gegenüber dem der Bauverhandlung am 4.11.1982 zugrundegelegten Einreichplan ließen sie im Bereich der ostseitigen Außenmauer ein Kniestockmauerwerk aufmauern und erreichten dadurch eine Anhebung der Mauerhöhe um etwa 1,24 m. Die westseitige Außenmauer wurde um rund 0,14 m, der Dachfirst um ca. 0,85 m höher als im Einreichplan vorgesehen ausgeführt. Durch diese Erhöhung des Dachgeschoßes konnten die Fenster in der nord- und in der südseitigen Giebelmauer anders als geplant gestaltet werden. Durch die Anhebung des Dachstuhles konnten die Beklagten über die ursprüngliche Planung hinaus mehr Räume im Dachgeschoß unterbringen. Von den Planabweichungen sind beide Grundstücke (5868/1 und 5868/2) betroffen, weil die Grenze zwischen den beiden Grundstücken durch den ostseitigen Teil des neu errichteten Gebäudes verläuft. Die Erhöhung der Baulichkeit bringt für die Klägerin optische Beeinträchtigungen mit sich, auf die Sonneneinstrahlung wirkt sie sich hingegen nicht aus, weil das Objekt der Beklagten nördlich des Grundstückes der Klägerin liegt. Eine weitere Beeinträchtigung der Klägerin besteht darin, daß infolge des vermehrten Raumangebotes im Dachgeschoß mehr Hotelgäste untergebracht werden können. Als die Klägerin die vom Plan abweichende Bauhöhe feststellte, wandte sie sich an den Bürgermeister der Gemeinde Obsteig, der ihr mit Schreiben vom 11.10.1983 bestätigte, er habe nach mehrmaliger Begehung des Neubaues feststellen müssen, daß der Bau trotz mündlicher Abmachung wieder nicht dem Einreichplan entsprechend ausgeführt worden sei; das gelte vor allem für das Dachgeschoß. Mit Schreiben vom 18.10.1983 teilten die Beklagten der Gemeinde Obsteig mit, sie hätten den Bau nach den Bauplänen errichtet, weil der Dachboden nicht ausgebaut werde. Mit Schreiben vom 4.10.1983 beantragten die Beklagten die Erteilung der Benützungsbewilligung. Diesen Antrag wies der Bürgermeister der Gemeinde Obsteig ab und führte zur Begründung dieses Bescheides vom 24.2.1984 aus, das Bauvorhaben sei nicht plan- und bescheidmäßig ausgeführt worden. Infolge Berufung der Beklagten fand am 1.2.1984 eine Baubesichtigung statt. Die Berufung wurde mit Bescheid vom 3.4.1984 mit der Begründung abgewiesen, das ausgebaute Dachgeschoß sei zum Teil belegt und das Bauobjekt entspreche eindeutig einem Appartementhaus. Trotz Verzichtes im Vergleich vom 30.12.1982 wurde der Verbindungstrakt zwischen Alt- und Neubau nicht ausschließlich unter der Erde angelegt. Deshalb und infolge Lärmbelästigung durch an der Außenseite des Objektes montierte Lautsprecher kam es zu Differenzen zwischen der Klägerin, ihrem Ehegatten und den Eheleuten Norbert und Dorothea W*** einerseits und den Beklagten andererseits. Mit Schreiben vom 14.11.1984 luden die Beklagten die Ehegatten K*** und W*** zu einer Aussprache am 18.11.1984 zu sich ein. Bei dieser Besprechung ging es in erster Linie um die Lärmbelästigung, es wurde aber auch die planwidrige Ausführung des Zwischentraktes und überhaupt des Objektes, das damals bereits im gegenwärtigen Ausmaß errichtet war, erörtert. Die Beklagten strebten eine Gesamtbereinigung an, die Klägerin, ihr Ehegatte und die Eheleute Norbert und Dorothea W*** bestanden jedoch darauf, Voraussetzung für weitere Gespräche sei die Entfernung der Lautsprecher. Hiezu erklärten sich die Beklagten einverstanden. Zu einer Einigung in den übrigen Beschwerdepunkten kam es nicht. Am 10.6.1985 suchten die Beklagten bei der Gemeinde Obsteig um Erteilung einer Sondergenehmigung der Bauausführung für "E + 3" an. In der Sitzung vom 13.6.1985 stimmte der Gemeinderat diesem Ansuchen zu. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Obsteig vom 4.10.1985 wurde auf Grund eines weiteren, mit 9.9.1985 datierten Bauplanes der Bauunternehmung G*** in Obsteig die Baubewilligung für den bestehenden Hotelneubau erteilt. Im Bescheid vom 4.11.1982 war der umbaute Raum (Baumasse) des Objektes mit 3.965 m3 angegeben, im Baubescheid vom 4.10.1985 jedoch mit 4.053,02 m3, woraus sich eine Vergrößerung der Baumasse um 88,02 m3 ergibt. Gegen das neuerliche Bauansuchen hatte die Klägerin am 25.9.1985 gleichfalls Einwendungen erhoben.
Am 15.11.1985 suchten die Beklagten um die Benützungsbewilligung für den Hotelneubau an, die der Bürgermeister der Gemeinde Obsteig mit Bescheid vom 11.12.1985 - allerdings nur für den bewilligten Verwendungszweck als Hotel mit insgesamt drei
Ferienwohnungen - erteilte.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, angesichts der festgestellten Abweichungen der Bauausführung von den dem Vergleich zugrundeliegenden Einreichplänen sei die Klägerin berechtigt, die Entfernung der über die Einreichpläne hinausgehenden Bausubstanz zu verlangen. Von schikanöser Rechtsausübung könne nicht gesprochen werden, weil diese nur vorläge, wenn für die Klägerin mit der erweiterten Bauausführung keinerlei Beeinträchtigung verbunden wäre. Beeinträchtigungen seien jedoch festgestellt. Der Hinweis auf die Gefahr wirtschaftlichen Ruins könne die Beklagten nicht entlasten, weil sie die vergleichswidrige Bauführung selbst zu verantworten hätten. Auf den behaupteten Irrtum könnten sich die Beklagten nicht berufen, selbst wenn sie von diesem betroffen gewesen sein sollten, weil er dann nicht von der Klägerin veranlaßt worden sei und ihr auch den Umständen nach nicht hätte auffallen müssen. Das Gutachten des Dipl.Ing. Theodor Erich F*** habe nicht die Klägerin vorgelegt, sondern das Gericht eingeholt. Der behauptete Verzicht auf die Erfüllung des Vergleiches sei nicht festgestellt worden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es hielt das erstinstanzliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Standpunkt der Beklagten, Punkt E/ des Vergleiches habe sich nicht auch auf das Grundstück 5868/2 bezogen, sei unrichtig. Mangels übereinstimmenden Verständnisses der Parteien sei gemäß § 914 ABGB zunächst zu prüfen, welche Bedeutung dem Vertragswortlaut zukomme. Bei der Auslegung sei dann davon auszugehen, daß es die Klägerin in der Hand gehabt hätte, die Beklagten zur Wiederherstellung des vorigen Zustandes, also zum Abreißen des begonnenen Bauwerkes zu zwingen. Die dem Bauansuchen vom 20.10.1982 zugrundeliegenden Einreichpläne hätten jenen Umständen, die zu dem für die Beklagten nachteiligen Endbeschluß geführt hätten, Rechnung getragen. Die Erklärung der Beklagten im Vergleich, die Einreichpläne seien bei der Bauführung auf den Grundstücken 5868/1 und 5868/2 der KG Obsteig mit Ausnahme der im Vergleich genau umschriebenen Abänderungen einzuhalten, habe bei dieser Sachlage von der Klägerin nur so verstanden werden können, daß die Bauausführung, die sich nach den Einreichplänen auf beide Grundstücke bezogen habe, auch in bezug auf beide Grundstücke keine Abweichung von den Einreichplänen hätte erfahren sollen. Diese grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten sei durch die Bestimmung des Punktes E entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf das Grundstück 5868/1 eingeschränkt worden, weil darin ein ausdrücklicher Verzicht der Beklagten auf eine weitere Verbauung des Grundstückes 5868/1 "soweit diese Verbauung über den Einreichplan, der dem Bauansuchen vom 22.10.1982 zugrundeliegt", hinausgehe, festgehalten sei. Damit hätte angesichts der Tatsache, daß das Grundstück 5868/1 den westlichen Teil der Grundfläche bilde und das Grundstück der Klägerin südlich davon liege, sichergestellt werden sollen, daß bei einem künftigen Bauvorhaben über die im Vergleich vereinbarte Bauführung hinaus auf dem Grundstück 5868/1 nicht gebaut werden dürfe. Auch die einredeweise Irrtumsanfechtung sei nicht berechtigt. Der Irrtum sei durch den anderen veranlaßt, wenn dieser für den Irrtum (adäquat) ursächlich gewesen sei. Die Ursächlichkeit sei jedoch erst dann zu bejahen, wenn der andere zur Entstehung des Irrtums so viel beigetragen habe, daß sein Vertrauen auf die Erklärung nicht mehr schutzwürdig sei. Verschulden des Partners sei nicht erforderlich. Bei Bedachtnahme auf diese Grundsätze bedürfe es keiner weitwendigen Begründung zur Verneinung der von den Beklagten behaupteten Ursächlichkeit. Schikanöse Rechtsausübung sei nur dann anzunehmen, wenn demjenigen, der das Recht ausübe, jedes andere Interesse als das, dem anderen Schaden zuzufügen, abgesprochen werden müsse. Der Beweis hiefür sei den Beklagten oblegen, ihnen jedoch nicht gelungen. Ihr Vorbringen habe sich darin erschöpft, daß die Stattgebung des Klagebegehrens ihren wirtschaftlichen Ruin zur Folge habe und das Begehren auch gegen volkswirtschaftliche und öffentliche Interessen des Fremdenverkehrs gerichtet sei. Konkrete Tatsachen, daß die Klägerin bei ihrem Verhalten ausschließlich von Schädigungszwecken bestimmt gewesen sei, hätten die Beklagten weder vorgebracht noch bewiesen. Grundsätzlich sei es jedoch richtig, daß eine Klage zur Beseitigung ganz unwesentlicher Nachteile von der Rechtsprechung der Schikane gleichgehalten werde. Damit sei für die Beklagten jedoch nichts gewonnen. Abgesehen davon, daß die festgestellten Abweichungen keineswegs als ganz geringfügiger Nachteil beurteilt werden könnten, habe doch die erweiterte Bauausführung die Erteilung einer Sondergenehmigung durch die Baubehörde für "E + 3" (anstelle der geplanten und genehmigten Bauausführung "E + 2" erfordert, könne das Bestehen auf genauer Erfüllung eines gerichtlichen Vergleiches grundsätzlich nicht als Schikane beurteilt werden. Mit dem Vergleich hätten sich die Beklagten zu einer den Einreichplänen entsprechenden Bauausführung verpflichtet, aber schon während der Bauausführung gewußt, daß diese nicht dem Vergleich entspreche. Den Beklagten sei vom Bürgermeister der Gemeinde Obsteig schon mit Schreiben vom 11.10.1983 mitgeteilt worden, daß der Bau insbesondere im Dachgeschoß nicht den Einreichplänen entspreche. Die Beklagten hätten hierauf lediglich erwidert, der Bau werde nach den Bauplänen ausgeführt, was jedoch festgestelltermaßen nicht den Tatsachen entsprochen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Beklagten gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bekämpft die Revision die Richtigkeit des Gutachtens des vom Erstgericht vernommenen Bausachverständigen, das von den Vorinstanzen jedoch für unbedenklich gehalten wurde. In diesem Umfang bewegen sich die Ausführungen im Rechtsmittel der Beklagten im Tatsachenbereich, dessen Prüfung in dritter Instanz jedoch ausgeschlossen ist. Im übrigen liegen die geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Die Rechtsrüge wendet sich in erster Linie gegen die Auslegung der Präambel und des Punktes E/ des Vergleiches vom 30.12.1982 durch das Berufungsgericht. Die Beklagten beharren auf ihrem Standpunkt, Punkt E/ des Vergleiches beziehe sich ganz eindeutig nur auf das Grundstück 5868/1, weil nur dieses Grundstück darin genannt sei. Demnach handle es sich bei dieser Vergleichsbestimmung um eine der im Einleitungssatz (Präambel) angekündigten Abänderungen vom Einreichplan vom 22.10.1982. Daraus folge aber, daß die Beklagten nur auf eine über den Einreichplan hinausgehende Erweiterung der Verbauung des dort genannten Grundstückes (bzw eine dieses betreffende Vergrößerung des Bauvolumens) verzichtet hätten. Die Überschreitungen des Einreichplanes seien, soweit sie dieses Grundstück beträfen, nur ganz geringfügig. Zur Begründung ihrer Auslegung verweisen die Beklagten darauf, der Vergleich sei von Juristen verfaßt worden, bei Bedachtnahme auf das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen käme Punkt E/ letztlich bloß einer Wiederholung der in der Präambel festgehaltenen Verpflichtung der Beklagten gleich und die Auslegung in der Revision sei auch insofern durchaus sinnvoll, weil das im Punkt E/ allein genannte Grundstück die dem Anwesen der Klägerin zugekehrte Grundfläche sei, durch deren Verbauung diese wohl hauptsächlich betroffen gewesen sei. Da der Vergleich durch gegenseitiges Nachgeben zustande komme, sei die Einschränkung des Punktes E/ auf das Grundstück 5868/1 als Zugeständnis der Klägerin aufzufassen.
Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es der Klägerin (und ihrem Ehegatten) - ihrem Verhalten bis zum Abschluß des Vergleiches zufolge - keineswegs nur um das Bauvolumen auf dem ihrem Haus zugewandten Grundstück der Beklagten ging, sondern um die Bauführung schlechthin. Sie erzwang deshalb im gerichtlichen Bauverbotsverfahren auch die Einstellung des gesamten Bauvorhabens und nicht bloß jener Arbeiten, die dem Grundstück 5868/1 zuzurechnen waren. Demnach konnte für sie - für die Beklagten eindeutig erkennbar - auch nur die gesamte Bauführung (also auf beiden Grundstücken) Gegenstand des Vergleiches sein, wenn sie schon infolge Verzichtes der Beklagten auf Bauerweiterungen von der zwangsweisen Durchsetzung des Endbeschlusses, die für die Beklagten gewiß mit großen finanziellen Nachteilen verbunden gewesen wäre, Abstand nehmen wollte. Darin liegt im übrigen auch ihr "Nachgeben" im Vergleich.
Punkt E/ des Vergleiches ist auch keine Wiederholung der Präambel: Der Einleitungssatz statuiert die Verpflichtung der Beklagten, bei dem damals unbekämpften Projekt die festgelegten Einreichpläne mit gewissen, genau umschriebenen Abweichungen einzuhalten. Darüber hinaus verzichteten die Beklagten im Punkt E/ auf eine weitere Verbauung des dem Haus der Klägerin näher gelegenen Grundstückes 5868/1 einschließlich der Vergrößerung des dieses Grundstück betreffenden Bauvolumens, soweit die Verbauung die durch den Einreichplan nach Maßgabe der im Vergleich festgelegten Abweichungen gezogenen Grenzen überschreiten würde. Betrifft die Präambel somit die eingestellte und infolge des Vergleiches innerhalb genau beschriebener Grenzen wieder in Gang zu setzende Bauausführung auf Grund der Einreichpläne vom 22.10.1982, statuiert Punkt E/ darüber hinaus (arg "weitere Verbauung") den Verzicht der Beklagten auf künftige Bauführungen, diesmal allerdings nur mehr auf dem in diesem Punkt allein genannten Grundstück 5868/1, die das im Einreichplan vorgesehene Bauvolumen überschreiten würden. Punkt E/ ist demnach zwar tatsächlich eine der in der Präambel angekündigten "Abänderungen", aber nicht - wie die Beklagten behaupten - im Sinne einer Einschränkung der dort festgehaltenen Verpflichtung der Beklagten, sondern beinhaltet eine Erweiterung dieser Pflicht, die sich allerdings nur mehr auf das Grundstück 5868/1 erstrecken sollte. Würde man dem Standpunkt der Beklagten beitreten, höbe Punkt E/ die in der Präambel (als Kern des Vergleiches) statuierte Verpflichtung der Beklagten für das Grundstück 5868/2 im gleichen Vertrag sofort wieder auf. Eine solche Formulierung kann wohl den bei der Verfassung des Vergleiches tätig gewordenen Juristen nicht unterstellt werden.
Demnach ist die Einwendung der Schikane im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB, der die Beklagten in der Revision gleichfalls breiten Raum widmen, an der gesamten Überschreitung der Einreichpläne zu messen. Die Ausführungen der Beklagten zu dieser Einwendung können dahin zusammengefaßt werden, daß die Klägerin durch die Abweichungen vom Einreichplan nicht oder nicht meßbar beeinträchtigt werden könnte. Zur Beurteilung dieser Einwendung erscheint es notwendig, die Vorgeschichte des Vergleiches näher zu beleuchten. Die Klägerin hatte sich von vornherein gegen das Bauvorhaben gestemmt, hatte in der Bauverhandlung Einwendungen erhoben und im Bauverfahren auch den Instanzenweg ausgeschöpft. Sie brachte - gemeinsam mit ihrem Ehegatten - auch unverzüglich nach dem Beginn der Bauarbeiten die Bauverbotsklage ein und drohte, nachdem die Beklagten - mit geändertem Einreichplan - erneut um die Baubewilligung angesucht hatten, diesen die Vollstreckung des Endbeschlusses an, mit dem sie nicht nur zur Einstellung der Bauarbeiten, sondern auch zur Wiederherstellung des früheren Zustandes - also zum Abreißen des schon errichteten Bauwerkes - verurteilt worden waren. Die Klägerin wollte - trotz einer erst nach Aussprachen abgestellten Lärmbelästigung durch Außenlautsprecher - auf die Vollstreckung des Endbeschlusses, mit welchem eine vorschriftswidrige Bauführung festgestellt worden war, verzichten, wenn sich die Beklagten zu einer maßvolleren Bauführung bereit finden würden. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Klägerin jede Einschränkung der Bauführung zum Vorteil gereichte, weil sowohl die optische Beeinträchtigung erfahrungsgemäß mit dem Ausmaß der Bauführung auf dem Nachbargrundstück grundsätzlich zunimmt, als auch die akustische Einwirkung durch einen Hotelbetrieb mit der Anzahl der Wohneinheiten naturgemäß wächst. Daß es der Klägerin - jedenfalls in erster Linie - darum ging, kann auch den Beklagten nicht verborgen geblieben sein. Um die drohende Exekutionsführung abzuwenden, entschlossen sie sich auch zu dem Vergleich, der sie zur Bauführung aufgrund ihrer selbst eingereichten Pläne mit maßvollen Einschränkungen berechtigte und lediglich verpflichtete, von weiteren Bauführungen auf dem dem Haus der Klägerin benachbarten Grundstück Abstand zu nehmen. Trotzdem - und in Kenntnis der von der Klägerin beim Vergleich verfolgten Intentionen - haben sie in der Folge den selbst vorgelegten Einreichplan wieder nicht eingehalten, nur um mehr Zimmer im Neubau unterbringen zu können. Soweit dies in der Revision in Abrede gestellt wird, entfernen die Beklagten sich unzulässigerweise vom festgestellten Sachverhalt. Auch dem Bürgermeister gegenüber, der sie auf Intervention der Klägerin deshalb zur Rede gestellt hatte, stritten die Beklagten wahrheitswidrig die Überschreitung des Planes und damit der Baubewilligung ab. Zutreffend verwies das Berufungsgericht darauf, daß die Überschreitung, schon an den öffentlichen Interessen gemessen, nicht geringfügig sein kann, war doch dafür eine Sondergenehmigung durch den Gemeinderat erforderlich. Die Überschreitung war auch wohl von der Vorstellung getragen, daß das einmal errichtete Gebäude - obwohl bewußt vertragswidrig errichtet - schon nicht dem Abbruch preisgegeben werden würde. Dem Gericht zweiter Instanz ist deshalb darin beizupflichten, daß dieser bewußte Verstoß gegen die in einem gerichtlichen Vergleich übernommenen Verpflichtungen, auf die die Interessen des anderen Teiles vornehmlich gerichtet waren, abgesehen davon, daß er auch - entgegen ihren Behauptungen - keineswegs nur als völlig unbedeutend anzusehen wäre, in keiner Weise den Schutz der Rechtsordnung verdient, sodaß die Vorinstanzen zu Recht der Schikaneeinwendung die Berechtigung versagten. Nur der Vollständigkeit halber sei auch noch darauf hingewiesen, daß derjenige, der sich auf Schikane beruft, auch deren Voraussetzungen zu behaupten und zu beweisen hat. In erster Instanz beriefen sich die Beklagten jedoch außer der ganz allgemein gehaltenen Behauptung, die Klägerin verfolge mit ihrer Beseitigungsklage nichts anderes, als sie zu schädigen, lediglich darauf, der angestrebte Abbruch ziehe ihren wirtschaftlichen Ruin nach sich und richte sich darüber hinaus gegen öffentliche Interessen. Daß die Beseitigungsklage ausschließlich oder auch nur in erster Linie von der Schädigungsabsicht der Klägerin getragen sei und der (Teil-)Abbruch ihren wirtschaftlichen Ruin bedeute, haben die Beklagten nicht unter Beweis gestellt. Öffentliche Interessen können die Schikaneeinwendung indessen überhaupt nicht tragen. Mit der weiteren Behauptung, die Erklärungen der Klägerin anläßlich des Gespräches vom 18.11.1984 seien als Verzicht auf Beanstandungen der Bauführung anzusehen, gehen die Beklagten nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, die ausdrücklich festgestellt haben, daß die Klägerin bei dieser Gelegenheit keineswegs einen solchen Verzicht erklärt habe.
Letztlich berufen sich die Beklagten zwar auch noch auf die einredeweise geltend gemachte Irrtumsanfechtung und den Mangel der Aktivlegitimation der Klägerin, haben hiezu jedoch keinerlei Gründe angeführt, weshalb die Erwägungen des Gerichtes zweiter Instanz zu diesen Fragen unrichtig seien. Es genügt deshalb, darauf hinzuweisen, daß der Oberste Gerichtshof die Ansicht des Berufungsgerichtes auch in diesen Belangen teilt.
Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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