OGH 6Ob551/89

OGH6Ob551/8918.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** Aktiengesellschaft, Höchster Straße 8, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr. Karl Preslmayr, Dr. Florian Gehmacher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K*** Aktiengesellschaft, Wagenseilgasse 1, 1121 Wien, vertreten durch Dr. Herbert Jahn, Dr. Erich Unterer, Dr. Rainer Handl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21.November 1988, GZ 4 R 209/88-11, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18.Juli 1988, GZ 21 Cg 687/87-7, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Auf die Kosten des Rekursverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte im wesentlichen vor, die Beklagte habe ihr cirka 46.000 Kondensatoren der Type varco 5,7 MF geliefert. Die Klägerin habe die Kodensatoren in Leuchten eingebaut, die sie nach Österreich und in verschiedene andere Staaten geliefert habe. Aufgrund eines von der Beklagten verschuldeten Konstruktionsfehlers seien in der Zeit vom 2.11.1984 bis 12.1.1988 46 Stück der Kondensatoren explosionsartig geplatzt, verbunden mit einem Entflammen. Der Klägerin sei dadurch bis jetzt ein Schaden von rund 500.000 S entstanden, die gerichtliche Geltendmachung dieses Schadens bleibe vorbehalten. Es sei nicht auszuschließen, daß durch das Platzen von Kondensatoren sehr hohe Folgeschäden eintreten und die Klägerin insbesondere bei künftigen Schadensfällen von den Geschädigten in Anspruch genommen und im Falle eines Rechtsstreites zum Ersatz des durch das Platzen der Kondensatoren verursachten Folgeschadens verurteilt werde. Die Klägerin könne nicht ausschließen, daß dem Zeitpunkt, ab dem sie im Laufe des Jahres 1985 die Häufung der Explosionen erkannt habe, die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe. Sie habe daher ein rechtliches Interesse an der mit der Klage begehrten Feststellung.

Das Klagebegehren lautet:

"Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei jene Beträge samt Nebengebühren zu ersetzen hat, die die klagende Partei an Dritte zum Ersatz von Schäden und/oder Aufwendungen zu zahlen hat, die im Zusammenhang mit dem Platzen und/oder Entflammen eines von der beklagten Partei an die klagende Partei gelieferten und von dieser in eine Leuchte eingebauten Kondensators varco 5,7 MF in Zusammenhang stehen".

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, das Feststellungsbegehren sei unzulässig. Nach den allgemeinen Lieferbedingungen der Elektroindustrie sei eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen. Die Kondensatoren seien nicht mangelhaft gewesen, die Beklagte treffe kein Verschulden. Technisch seien viele verschiedene Ursachen für das Auftreten der Defekte denkbar. Der Grund könne sowohl in einer unrichtigen Montage liegen, als auch in einer ständigen, außerordentlichen Überhitzung, in einer Überspannung, im Vorhandensein einer sehr starken Wärmequelle in unmittelbarer Nähe des Kondensators oder in einer Überlastung durch Oberwellen im Netz, etc. Die Beklagte wendete auch Verjährung ein. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Beschluß zurück. Es vertrat die Ansicht, Grundlage des Verfahrens sei nicht das Bestehen oder Nichtbestehen einer Regreßpflicht und sohin eines tatsächlichen Rechtsverhältnisses, sondern die Klägerin ziele "auf ein unschlüssiges in die Zukunft zielendes Leistungsbegehren" ab. Das Gericht zweiter Instanz hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, bei der Beurteilung der Frage, ob die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses oder nur die Feststellung einer Tatsache begehrt werde, komme es nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Sinn des Begehrens an. Die Formel des Klagebegehrens könne durchaus auch einer Leistungsklage angepaßt sein, es müsse aber der Klage zu entnehmen sein, daß eine bestimmte Feststellung im Sinne des § 228 ZPO angestrebt werde. Auch die Fassung des Klagebegehrens, daß festgestellt werde, der Beklagte sei schuldig, den Schaden zu ersetzen, beeinträchtige nicht die Natur eines Feststellungsbegehrens. Im vorliegenden Fall begehre die Klägerin die Feststellung, daß die Beklagte schuldig sei, bestimmte Schäden zu ersetzen, nämlich solche, die im Zusammenhang mit der Lieferung bestimmter Kondensatoren durch die Beklagte an die Klägerin stünden. Dies bedeute, daß die Klägerin die Feststellung wünsche, daß die Beklagte den Schaden zu ersetzen habe, der auf Grund der Lieferung mangelhafter Kondensatoren entstehen werde. Dabei handle es sich aber um die Feststellung eines zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtes bzw Rechtsverhältnisses, wofür ein Feststellungsbegehren zulässig sei. Richtig sei, daß ein bloß wirtschaftliches Interesse das Einbringen einer Feststellungsklage nicht rechtfertige. Es sei aber ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung vorhanden, wenn von der Entscheidung das weitere Verhalten einer Partei betreffs des Geltendmachens von Ersatzansprüchen abhängig sein könne. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen. Von der Frage, ob die aufgetretenen Schäden auf einen Produktionsfehler der Beklagten zurückzuführen seien, sei nämlich zweifelsohne abhängig, welches Verhalten hinsichtlich der an sie herangetragenen Ersatzansprüche die Klägerin an den Tag legen werde, insbesondere ob sie diese Ersatzansprüche gegenüber der Beklagten in der Folge geltend machen könne. Da eine Feststellungsklage insbesondere zur Verhinderung der Verjährung gerechtfertigt sei und schon jetzt die Frage der Verjährung der Ansprüche von der Beklagten releviert werde, erweise sich das Feststellungsbegehren auch vom rechtlichen Interesse her als zulässig. Es könne derzeit von der Klägerin noch nicht abgeschätzt werden, welche Ansprüche auf Grund der allenfalls defekten Kondensatoren an sie herangetragen werden, sodaß davon auszugehen sei, daß die allenfalls derzeit noch gar nicht bekannten Ansprüche erst in Zukunft fällig werden könnten. In einem solchen Fall sei die Feststellung des gesamten zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses als zulässig zu erachten. Zu bemerken sei, daß die Klägerin ausdrücklich erklärt habe, nur hinsichtlich zukünftig zu zahlender Beträge werde das Feststellungsbegehren gestellt. Eine Leistungsklage wäre daher derzeit nicht möglich. Zu der vom Erstgericht gewählten Entscheidungsform sei auszuführen, daß nach ständiger Judikatur ein Feststellungsbegehren bei Unzulässigkeit bzw Fehlen des Feststellungsinteresses mit Urteil abzuweisen sei. Die vom Erstgericht gewählte Entscheidungsform sei daher als Urteil aufzufassen, der dagegen erhobene Rekurs als Berufung. Die Beklagte bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Eine Entscheidung im Sinne des in der Klage gestellten Begehrens würde dazu führen, daß im Falle des Explodierens bzw Entflammens eines Kondensators feststünde, hiefür sei ein von der Beklagten zu vertretender Mangel des Kondensators kausal gewesen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß in einem Einzelfall eine Explosion oder ein Entflammen auch auf eine andere Ursache zurückgeführt werden könnte. Auch die Klägerin gesteht in der Rekursbeantwortung zu, es bleibe der Beklagten unbenommen, Besonderheiten eines Einzelfalles geltend zu machen und etwa die mangelnde Kausalität der Fehlerhaftigkeit des Kondensators für den Eintritt des Schadens zu beweisen. Da eine Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens bereits die Frage der Kausalität lösen würde, bestünde aber für die Beklagte keine Möglichkeit mehr, die Kausalität in einem Einzelfall zu bestreiten. Eine Entscheidung im Sinne des in der Klage gestellten Begehrens ist daher nicht möglich.

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin muß dies allerdings noch nicht zu einer Abweisung des Klagebegehrens führen, denn es könnte dem Begehren in einem eingeschränkten Umfang, der gegenüber dem von der Klägerin gestellten ein minus darstellt, stattgegeben werden. Hiebei wäre allerdings weiters zu berücksichtigen, daß der Beklagten durch ein Feststellungsurteil nicht Einwendungen abgeschnitten werden, die sie im Einzelfall einem Leistungsbegehren entgegenhalten könnte, wie etwa, die Klägerin habe sich in einem Verfahren, in welchem sie zur Leistung gegenüber einem Dritten verhalten worden sei, nicht zweckmäßig verteidigt, oder die Klägerin habe einen aussichtslosen Prozeß geführt und könne daher von der Beklagten Kosten nicht verlangen.

Um beurteilen zu können, ob eine Klagsstattgebung in einem eingeschränkten Umfang in Betracht kommen kann, ist eine Erörterung mit den Parteien erforderlich. Der Klägerin ist Gelegenheit zu geben, ihr Begehren entsprechend zu ändern. Derzeit kann jedenfalls noch nicht gesagt werden, daß das Klagebegehren auf alle Fälle zur Gänze abgewiesen werden muß. Die Frage, ob die Kondensatoren einen Konstruktionsfehler aufweisen, ist zwar eine nicht feststellbare Tatsache (vgl etwa SZ 47/36 uva). Nicht nur diese Frage könnte aber schon jetzt geklärt werden, sondern auch jene, ob die Beklagte ein Verschulden an einem Mangel trifft und ob eine Haftung der Beklagten auf Grund der allgemeinen Lieferbedingungen der Elektroindustrie ausgeschlossen ist. Die Frage, ob die Klägerin die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes im Sinne des § 228 ZPO anstrebt, kann erst nach Erörterung und Änderung des Klagebegehrens beurteilt werden.

Im Hinblick darauf, daß die Beklagte jede Haftung bestreitet, kann ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Beseitigung einer Ungewißheit über den Bestand eines Rückgriffsrechtes gegenüber der Beklagten nicht zweifelhaft sein (vgl etwa SZ 57/203 ua). Da die Ausführungen des Berufungsgerichtes, bei der Entscheidung des Erstgerichtes handle es sich in Wahrheit um ein Urteil, beim Klagebegehren handle es sich nicht um ein schlüssiges, in die Zukunft zielendes Leistungsbegehren, zu billigen sind, erweist sich die vom Berufungsgericht angeordnete Aufhebung des Ersturteiles als gerechtfertigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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